Geht es nach geltendem Thüringer Archivrecht, müssen auch Polizei und Verfassungsschutz beim Staatsarchiv fragen, bevor sie Akten schreddern. Die Landesregierung schweigt zur öffentlichen Kontroverse mit dem Datenschutzbeauftragten.
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Lutz Hasse, seit März Landesbeauftragter für den Datenschutz, hat sich schon mal ein bisschen eingelesen. Dabei stieß er auf Erstaunliches. Zum Beispiel im Thüringer Archivgesetz. Es schreibt in § 3 unmissverständlich vor, was als öffentliches Archivgut zu gelten hat. Nämlich sämtliche Unterlagen, die der Landtag, die Landesregierung, Gerichte, Behörden und "sonstige Stellen" des Landes Thüringen den lieben langen Tag lang produzieren. Es sei denn, das Hauptstaatsarchiv lehnt eine Übernahme der Dokumente ab, weil sie ihm nicht als archivierwürdig erscheinen. Aber dazu müsste das Staatsarchiv, seine Hauptstelle sitzt in Weimar, erst einmal gefragt werden. Nun hat sich im Zuge der Untersuchungen zum rechtsextremen NSU-Trio ergeben, dass allerhand Ermittlungsakten bereits den Weg in den Schredder fanden. Nicht nur beim Thüringer Verfassungsschutz, aber vor allem da. Datenschützer Hasse, ein promovierter Jurist, nennt das rechtswidrig. Das Löschen von Behördendaten ohne Einverständnis des Staatsarchivs sei fortgesetzter Rechtsbruch, siehe Archivgesetz.
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Die ebenfalls öffentlich gemachte Antwort von Lutz Hasse ist bemerkenswert. Er spricht von "Rechtsirrtümern" der Verfassungsschützer und beruft sich erneut auf das Archivgesetz, diesmal § 11. Der stellt klar, dass Behörden verpflichtet sind, "alle" Unterlagen, deren Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, dem zuständigen Archiv zur Übernahme anzubieten. Und zwar vollständig. Satz 2 der Bestimmung regelt sogar ausdrücklich, dass dies auch für Unterlagen gilt, die "besonderen Rechtsvorschriften über Geheimhaltung oder über den Datenschutz unterworfen sind".
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Hasse bestreitet nicht, dass es ein Verfassungsschutzgesetz mit Vorschriften zur Datenlöschung gibt. Aber das führe kein "Eremitendasein", argumentiert der Datenschützer. Es stehe im Zusammenhang mit anderen Gesetzen, die ebenfalls Beachtung einfordern.