Luzerner Zeitung / 19.10.2016
PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN
Die USA und ihre lange Geschichte der Wahlbetrügereien
Donald Trump ist nicht der Erste, der von Wahlbetrug spricht – er hat prominente Vorgänger. Doch es gehört auch zur Geschichte der USA, dass nicht jeder Wahlsieger mit rechtmässigen Mitteln zum Ziel kam.
Auf zwölf Jahre später hat John Kerry seine Niederlage noch nicht verdaut. Voriges Jahr sagte der heutige US-Aussenminister im Gespräch mit dem «New Yorker»-Chefredaktor David Remnick, er sei zwar nicht mehr «wütend» darüber, bei der Präsidentenwahl im Jahr 2004 gegen Amtsinhaber George W. Bush verloren zu haben. Nach wie vor scheint der Demokrat aber überzeugt davon zu sein, dass bei der Auszählung der Stimmen im Bundesstaat Ohio nicht alles mit rechten Dingen zuging. Weil die Republikaner die digitalen Wahlmaschinen manipuliert hätten. Kerry verlor Ohio mit einem Rückstand von 118 601 Stimmen auf Bush.
Zwar gibt es keine stichhaltigen Beweise für diesen Verdacht, aber die Anekdote zeigt: Es gehört zur politischen Geschichte Amerikas, dass Wahlverlierer die Legitimität ihrer Niederlage anzweifeln. Und es gehört zur Geschichte der USA, dass nicht jeder Wahlsieger mit rechtmässigen Mitteln zum Ziel kam – wobei die Grenze zwischen Fälschungen, Manipulationen und legalen Tricks fliessend ist. So ist es in vielen Bundesstaaten ausdrücklich erlaubt, Wähler mithilfe von Geldgeschenken zur Stimmabgabe zu bewegen.
Neu: Vorwürfe vor dem Wahltag
Neu ist allerdings, dass ein Kandidat einer Grosspartei bereits drei Wochen vor dem Wahltag über seine drohende Niederlage spricht und dafür Schummeleien des politischen Gegners (und seiner innerparteilichen Widersacher) verantwortlich macht. Am Montag schrieb der Republikaner Donald Trump auf Twitter:
«Natürlich gibt es gross angelegten Wahlbetrug am oder vor dem Wahltag. Warum behaupten republikanische Spitzenpolitiker, dies treffe nicht zu? Das ist so naiv.»
Zumindest mit dieser Strategie scheint Trump Erfolg zu haben. Mittlerweile sind 48 Prozent seiner Anhänger der Meinung, dass die Stimmen in der Präsidentenwahl nicht akkurat ausgezählt würden, wie eine Meinungsumfrage des Instituts Morning Consult ergab. Wahlverantwortliche weisen diese Bedenken scharf zurück. Es gebe keine Hinweise darauf, dass es im amerikanischen System «systemische Probleme» gäbe, erklärte Ohios Innenminister John Husted. Natürlich werde bei den Wahlen betrogen. «Aber das kommt selten vor, und wir erwischen diese Leute», sagte Husted – notabene ein Republikaner. Akademiker stimmen dieser Einschätzung zu.
So schrieb der Rechtsprofessor Justin Levitt vor zwei Jahren, ihm seien 31 Fälle von Wahlfälschungen seit dem Jahr 2000 bekannt.
Das Beispiel Bush-Gore
So unternahmen die Demokraten im Jahr 2000 Versuche, die Authentizität von 2490 Stimmzetteln zu ermitteln, die von Soldaten stammten, die im Ausland stationiert waren. Diese Ermittlungen im Bundesstaat Florida wurden umgehend eingestellt, als die Republikaner den Patriotismus der Demokraten infrage stellten. Das Resultat: George W. Bush gewann in Florida mit einem Vorsprung von 537 Stimmen auf den Demokraten Al Gore und zog ins Weisse Haus ein. Später berichtete die «New York Times», dass mindestens 680 dieser 2490 Stimmzettel wohl ungültig gewesen seien.
Das Beispiel Kennedy-Nixon
Grossangelegte Betrügereien allerdings sehen anders aus. Das wohl bekannteste Beispiel in der jüngeren Geschichte der USA betrifft die Präsidentenwahl 1960: Damals siegte der Demokrat John F. Kennedy hauchdünn über den Republikaner Richard Nixon. Eine Rolle spielte dabei unter anderem das Resultat im Bundesstaat Illinois, das am Wahltag erst mit einiger Verspätung eintrudelte. Weil der Stadtpräsident von Chicago, der Demokrat Richard Daley, angeblich sichergehen wollte, dass Kennedy in Chicago über ein ausreichendes Stimmenpolster verfügte.
JFK sagte später, Daley habe ihm versichert, er werde Illinois «mit ein wenig Glück und der Hilfe von einigen engen Freunden» gewinnen. Juristische Ermittlungen gegen die Demokraten verliefen im Sand und Nixon verzichtete darauf, offiziell Protest einzulegen. Ein Grund: Der republikanische Justizminister William Rogers versicherte ihm, dass die Republikaner im ländlichen Süden von Illinois wohl ebenso viele gefälschte Wahlzettel in die Urne gelegt hätten.
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