Ich bereise keine politischen Mahnstätten aus historischem Interesse, sondern sammele nur erste Nachkriegsberichte der Befreier und der Befreiten über die „NS-Mordfabriken“. Da kann man sich ein eigenes buntes Bild machen, ohne gedenkstättenpädagogische Berieselung.
Augenzeugen berichten in »Deutsche Volkszeitung – Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands« Nr. 2, herausgegeben in Berlin, am 14. Juni 1945 auf Seite 2 glaubhaft über ihre Erlebnisse in den Höllen von Dachau und Mauthausen:
Was man wissen muß,
um die Faschisten zu hassen
Nichts darf vergessen werden! Das ist es, was man allen denen sagen muß, die mit Redensarten "Schwamm drüber" oder "Warum darüber reden, es ist ja sowieso vorbei" das vergessen machen wollen, was nie vergessen werden darf: den Hitlerterror. Kürzlich wurden Tausende von Bewohnern Weimars aufgefordert, das grauenhafte Konzentrationslager Buchenwald zu besichtigen. Viele von ihnen hielten die Hände vor die Augen, weil sie die Stätte der Grauens nicht sehen wollten. Nein, wir müssen es sehen, wir müssen es wissen! Zu ungeheuerlich sind diese nackten wahren Tatsachen, als daß auch nur ein Deutscher daran vorüber gehen könnte, zu grauenhaft, als daß sie je vergessen werden könnten.
Der blutige Terror der letzten 12 Jahre war keine Begleiterscheinung, keine "Übergröße". Es war der Sinn und Inhalt des Naziregimes. Die Konzentrationslager gehörten genau so zur Kriegsvorbereitung wie die Waffenfabriken und die Propagandalügen. Hier litten und starben Zehntausende und Hunderttausende. Wer waren sie? Es waren Millionen Ausländer. Es waren Hundertausende deutsche Männer und Frauen, Sozialdemokraten und Kommunisten, Priester und Gelehrte, Arbeiter und Professoren; es waren alle die jenigen, die Hitler und den Krieg haßten; es waren die, die für den Frieden kämpften und unser Volk vor den grauenhaften Leiden der letzten Jahre bewahren wollten.
Ihre Stimme muß gehört werden. Die Wahrheit über die nazistischen Konzentrationslager müssen wir wissen – jeder Deutsche, unser ganzes Volk, auf daß wir alle nur geeint und geschlossen mit eisernem Willen die Überreste des Hitler-Regimes und der Hitler-Partei liquidieren, damit dieser Pest für immer der Boden entzogen wird!
Die nachstehenden Berichte aus deutschen Konzentrationslagern entstammen der Feder früherer politischer Gefangener, die nun nach dem Sturz des verhaßten Regimes ihre Freiheit wiedererlangten.
Ehemalige Häftlinge berichten:
... aus der Hölle von Dachau
[....]
... aus der Hölle von Mauthausen
Mordhausen
In der Nähe der Fürst Starhembergschen Steinbrüche mußten wir das erste österreichische Konzentrationslager aufbauen. Mauthausen bei Linz war von Anfang an die Hölle aller Konzentrationslager und wurde in den ersten Monaten schon in "Mordhausen" umgetauft.
Mauthausen war auch das erste Konzentrationslager, wo Kriegsgefangene interniert wurden. Anfangs waren es Polen, später Spanier (Angehörige der republikanischen Legion, die bei Dünkirchen gefangengenommen worden waren), Serben und seit Herbst 1941 Russen.Genau so planmäßig wie in Dachau die Juden ausgerottet wurden, so wurden in Mauthausen seit April 1940 die Kriegsgefangenen systematisch ermordet. Sie mußten immer in Sechsergruppen nackt antreten und wurden dann von hinten erschossen. Bis zum Herbst 1942 wurden auf diese Art allein 30000 polnische und 5000 spanische Kriegsgefangene ermordet.
Gaszellen
Überdies wurden im Herbst 1941 im Konzentrationslager Mauthausen unterirdische Gaszellen – mit den neuesten Errungenschaften der Technik – erbaut.und dort die Wirkung der neuesten Kampfstoffe an Häftlingen und Kriegsgefangenen erprobt.
Allein durch Unfälle bei der Arbeit im Steinbruch, sowie durch Hunger, Typhus und Ruhr hatten wir in den Monaten Januar, Februar, März 1940 durchschnittlich 73 Tote täglich bei einem – immer wieder aufgefüllten – Lagerbestand von rund 2500 Häftlingen. Zur Verbrennung der Leichen genügte das Krematorium in Steyr nicht mehr. Schließlich, als in den Baracken schon Hunderte von Toten lagen, die die Ratten bis zur vollkommenen Unkenntlichkeit zerfraßen, ließ der Lagerkommandant, Sturmbannführer Ziereis, in größter Eile eine Verbrennungsanstalt im Lager selbst bauen. Fünf Meter tief in die Erde eingebaut, mit elektrischer und Ölfeuerung und einer Verbrennungsdauer von sieben Minuten, ist sie wohl eine der modernsten der Jetztzeit.
Feuerwehr
Jedesmal, wenn SS-Scharführer Korschitzki Diensthabender war, ließ er nachts die Häftlingsfeuerwehr alarmieren. Die Motorstpritze wurde auf dem Appellpaltz aufgefahren, und die Mannschaft stellte sich wie befohlen auf. Willkürlich griff er sich einen Häftling heraus, dieser mußte sich ausziehen; das Strahlrohr wurde ihm in den After gesteckt, und sechs Atmosphären Druck wurden in den Schlauch gejagt. Wenn der Häftling zerplatzt war, wurden die Überreste in den Kanal geschwemmt.
Goldzähne
Ein SS-Scharführer, dessen Name mir leider entfallen ist, kam auf die Idee, den Häftlingen die Goldkronen und Gebisse herauszureißen. Jeder Häftling, der Goldzähne oder Goldkronen im Munde hatte, wurde von ihm in eine Baracke gezerrt und erschlagen; dann entfernte er mit einer Kombi-Zange die Goldkronen. Hunderte von Häftlingen mußten aus diese Art ihr Leben lassen. Wer rechtzeitig den Grund für die Morde in der Baracke erfuhr, brach sich selbst die Goldzähne oder –kronen aus, um so sein Leben zu retten.
Sonderurlaub
Bei Beginn des Frankreichfeldzuges kam eine allgemeine Urlaubssperre auch für die SS-Wachmannschaften. Da es aber für jede Vereitelung eines Fluchtversuchs drei Tage Sonderurlaub gab, erschossen die SS-Posten kurzerhand die Häftlinge , meldeten "vereitelten Fluchtversuch" und beantragten Sonderurlaub.
Kriegsverbrecher Nipgen
SS-Scharführer Nipgen – genannt der Boxer, weil er viele Häftlinge zu Tode boxte – ersann ein neues fürchterliches Verfahren. Der Häftling mußte sich entkleiden und wurde dann – mit Brettern beschwert – auf den Rücken gelegt. Nipgen nahm einen großen Marmeladeneimer ohne Boden, stellte ihn auf den Bauch des Häftlings, warf eine Ratte in den Eimer und deckte den Eimer mit einem Brett zu. Die Ratte hatte keinen anderen Ausweg, als sich durch den Körper des Häftlings durchzubeißen.
Eindrucksvolle schwarzweiß Fotos vom Mauthausener Erkennungedienst 1944:
Francisco Boix Campo, inhaftierter Spanienkämpfer und Berufsfotograf, war für den Mauthausener Erkennungsdienst tätig und trat später als Zeuge im IMT-Prozeß auf.
Das Foto zeigt eine Gruppe von 30 nackten sowjetischen Kriegsgefangenen im KL Mauthausen im Herbst 44, die nach einem reinigenden Duschbad, in Reih und Glied, zum Appell angetreten sind zur Begutachtung durch den Lagerarzt. Die Fotoaufnahme entstand im Herbst 1944, nach ihrer Rückversetzung aus dem Nebenlager Melk. Fotograf war der Leiter des Erkennungsdienstes, SS-Hauptscharführer Paul Ricken, einem Kunsterzieher aus Duisburg. Der Fotoentwickler war der Häftling Francisco Boix.
Nach dem Appell, sonnenbaden und warten vor der Kleiderkammer zum Wäscheempfang.
Der Rotspanier Boix und die Sowjethäftlinge werden befreit.