Die Drahtzieher des 11. September haben vieles erreicht: Der Kampf der Kulturen ist in vollem Gang. Wir zerlegen unser Gesellschaftsmodell.
Die Freiheit ist unter die Räder gekommen in den neun Jahren seit 9/11. In den USA und überall in der westlichen Welt. Die Drahtzieher des brutalen Anschlags auf das World Trade Center dürfte das freuen. Sie haben es geschafft, ihre Feinde im Westen zu destabilisieren. Ja, wir spielen mit im von ihnen angezettelten Kampf der Kulturen. Und noch schlimmer: Wir rütteln gerade selbst an den Fundamenten unserer liberalen Gesellschaft, aus bloßer Furcht vor dem Terror.
Kopfloser Westen
Auch die Drahtzieher des 11. September haben bislang beachtlichen Erfolg. Denn der Westen hat in ihrem Sinne reagiert: panisch, kopflos, blindwütig.
Noch tiefere Wunden hat der 11. September in unsere Zivilgesellschaft geschlagen. Wir fühlen uns bedroht durch die andere Kultur, betrachten sie als Feind.
Paradies für Demagogen
Was macht unsere westliche Gesellschaft so lebenswert? Waren es nicht stets persönliche Selbstbestimmung und Toleranz gegenüber Andersdenkenden? Wie können wir Staaten wie den Iran oder das fundamentalistische Saudi-Arabien wegen Verfolgung religiöser Minderheiten oder drakonischer Strafen auf Bibelbesitz anprangern, wenn wir selbst hiesigen Muslimen das Recht auf Moscheen und Minarette absprechen?
Zeit innezuhalten
Den Großangriff auf unsere Persönlichkeitsrechte nehmen wir dagegen meist klaglos hin seit jenem 11. September. Der Staat versucht, Telefon- und E-Mail-Daten auf Vorrat zu speichern. Geheimdienste dürfen Bankkonten und Reisebuchungen so tief durchforsten, dass sie mühelos Bewegungsprofile ableiten können. Und zusätzlich zu den allgegenwärtigen Kameras filmen uns bald wohl auch an Europas Flughäfen Nacktscanner.
Manche dieser Maßnahmen mögen für sich begründbar sein. Zusammen greifen sie den Kern der grundgesetzlichen Freiheit an, wie auch das Bundesverfassungsgericht feststellt. Und sie verschaffen uns allenfalls eine Illusion von Sicherheit.
Noch immer gibt es unzählige Gelegenheiten für Attentate. Klar, al-Kaida ist geschwächt und zu einem Massenmord à la New York (hoffentlich) nicht mehr fähig. Aber ihre verqueren Ideen leben weiter. Und die Eigenbau-Bombe in der U-Bahn oder beim Volksfest lässt sich selbst mit geballter Schnüffelei kaum verhindern.
Viele Menschen in der Dritten Welt sehen im westlichen Lebensmodell kein Vorbild mehr. Wieso auch, wo wir selbst an unseren Grundfesten zweifeln?
Seit neun langen Jahren lässt sich der Westen von der dunklen Bedrohung al-Kaida treiben. Nun ist es Zeit innezuhalten. Und zu überlegen, was den Kern unseres Zusammenlebens ausmacht.