Hamburg, 13.09.2012, Y-Magazin Spezial 09/2012.
Gemeinsam mit Kameraden der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität gründete Hauptmann Burihabwa den Verein Deutscher.Soldat. Ihr Ziel ist es, die Diskussion über Integration zu verändern.
Seine Eltern stammen aus dem ostafrikanischen Burundi, er selbst ist in Deutschland geboren und seit seinem dritten Lebensjahr deutscher Staatsbürger. 2000 kam er als Wehrpflichtiger zur Truppe.
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Warum haben Sie 2010 den Verein Deutscher.Soldat. gegründet?
Ich bin Deutscher mit Migrationshintergrund, politisch interessiert und engagiert. Aufgrund meiner Biografie und den – teilweise auch negativen – Erfahrungen, die ich mache, habe ich ein besonderes Interesse am Integrationsdiskurs. Als 2010 die Debatte um das Buch von Thilo Sarrazin losging, war ich sehr ernüchtert und auch sehr unzufrieden mit der Art und Weise, wie über Integration debattiert wird. Allerdings wollte ich mich nicht nur darüber beschweren, sondern selbst einen Beitrag zu der Debatte leisten.
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Was hat Sie an der Debatte gestört?
Die Integrationsdebatte wird nur dann thematisiert, wenn irgendwo Probleme offensichtlich werden. An die Probleme selbst geht man dann doch recht undifferenziert und einseitig heran. Denn immer, wenn man von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland spricht, haben, glaube ich, viele insgeheim ein Bild von jugendlichen, randalierenden Banden muslimischer Herkunft vor sich. Weil es in den Medien auch oftmals so dargestellt wird.
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Wo liegen die Ursachen dafür?
Es wird nie über die tatsächliche Vielfalt gesprochen, die wir mittlerweile innerhalb der deutschen Gesellschaft haben. Meine Kameraden und ich sind sehr gute Beispiele dafür.
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Wie wirken Sie dem entgegen?
Mit einem Instrument, das wir „Wahrnehmungsirritation“ nennen. Wenn Sie sich unseren Namen anschauen, denken die wenigsten, dass das eine Initiative ist, die einen positiven Impuls in der Integrationsdebatte geben möchte.
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Was ist zu tun?
Man braucht einen ganzheitlichen Ansatz, um zu sehen, ob es nicht auch bei der aufnehmenden Mehrheitsgesellschaft Mechanismen gibt, die einer positiven und nachhaltigen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund entgegenstehen.
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Welche Mechanismen meinen Sie?
Zum Beispiel die Art und Weise, wie man Menschen wahrnimmt, die anders aussehen. Die ist weiterhin stark von Vorurteilen und Stereotypen geprägt. Ich muss mich immer wieder rechtfertigen, weil sich viele Leute nicht vorstellen können, dass es schwarze Deutsche gibt. Das liegt sicher auch daran, dass die Integrationsdebatte unter der Überschrift „Wir und die anderen“ geführt wird.
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Wen wollen Sie wie erreichen?
Uns ist wichtig, dass die Leute in der Mitte, die leider von der Sarrazin-Debatte gefüttert werden, zum Nachdenken gebracht werden. Wir versuchen ganz gezielt, Denkmuster aufzubrechen. So ist ein Migrationshintergrund zum Beispiel nicht immer ersichtlich. Leider ist aber für viele das Aussehen ein wesentlicher Indikator dafür, wie sie das Deutschsein und das Anderssein interpretieren – und das ist nicht zeitgemäß.
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Haben Sie dafür ein Beispiel?
Ausländerfeindlichkeit. Das ist ein Begriff, den benutzen wir heutzutage immer noch, um etwas zu erklären, was aber etwas anderes ist. Ich bin seit meinem dritten Lebensjahr deutscher Staatsbürger. Aber glauben Sie mir, ich bin trotzdem immer wieder mit Diskriminierung konfrontiert worden. Da hat mich vorher keiner nach meiner Staatsangehörigkeit gefragt. Sprich, wir haben es hier mit einem anderen Phänomen zu tun, nämlich mit Rassismus.
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Welche Lösungen gibt es?
Wir müssen zunächst die richtigen Begrifflichkeiten benutzen. Die Tatsache, dass sich der Begriff „Ausländerfeindlichkeit“ immer noch hält, heißt auch, dass das die Wahrnehmung ist von der Gesellschaft, und dass jemand, der anders aussieht, automatisch ein Ausländer ist und somit nicht dazugehört. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.
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Funktioniert die Integration in der Bundeswehr?
Die Institution Bundeswehr – das ist meine feste Überzeugung – hat per se ein sehr großes Integrationspotenzial. Die Vielfalt, die wir in unserer Gesellschaft haben, wird eindeutig in den Streitkräften widergespiegelt. Ich habe das Gefühl, dass das Thema Integration in den Streitkräften weitestgehend funktioniert.
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Woran liegt dieses Gelingen?
Einmal an der nationalen Dimension. Jeder Soldat, der den Eid leistet, ist bereit, für dieses Land, für das deutsche Volk, für unsere Gesellschaft, für die Werte und Normen, für die unsere Gesellschaft steht, sein Leben zu lassen. Das verbindet. Und an der juristischen Dimension. Sie spiegelt sich in der Pflicht zur Kameradschaft wider. Jeder, der meint, seine rassistischen Überzeugungen leben zu müssen, weiß ganz genau, mit welchen Konsequenzen er zu rechnen hat. Zusammengefasst bedeutet das: Die Bundeswehr macht aus vermeintlich Ungleichen Gleiche.