Der Nihilist würde wohl antworten, dass "Dürfen" eine irrelevante Kategorie ist.
Mit Vergeltung und Verfolgung wird man gegebenenfalls rechnen müssen, und wird dementsprechend erwägen, ob man sich diese Taten erlaubt, oder nicht, aber das ist keine Überlegung ethischer Natur sondern eine reine Kosten/Nutzen/Risiken-Analyse.
Zuspitzen lässt sich das mit der Annahme, man habe absolute Sicherheit, mit der jeweiligen Tat unbestraft und unerkannt davonzukommen.
Für einen wirklichen Nihilisten spielt Moral einfach keine Rolle. Er kann sich aus diversen Erwägungen im einen Moment höchst moralisch und im nächsten Moment höchst unmoralisch verhalten.
Wobei all das eher den intellektuellen Nihilismus meint und weniger die Art und Weise, wie der sich charakterlich äussert.
Das hängt davon ab, ob man sich dem Nihilismus eher intellektuell oder eher emotional angenähert hat. Leute mit Wut auf alles und jeden wollen einfach nur sprengen. Leute ohne jeden Glauben an Sinn und Zweck der Menschheit lesen vielleicht die gesamte Geschichte als Satire und ergehen sich ansonsten mehr oder weniger in Gleichgültigkeit. Enttäuschte Idealisten gehen eher den Sinnlosigkeitsbejammerungsweg. Wobei die Grenzen mitunter fließend sind.
Wer einen neuen Anfang schaffen will, ist nicht wirklich Nihilist, denn er glaubt immer noch an die Möglichkeit, es prinzipiell besser zu machen.
Ja, sofern die Feder durch ihre Geschreibsel tausende von Schwertern führt.
Ein Gedicht, das Rebellion preist und als Zündfunke wirkt, kann mächtiger sein als ein einzelnes Schwert.
In meinen Augen ist der Nihilismus der letzte, der endgültige Endpunkt des Prozesses namens Aufklärung, der Punkt, an dem man ankommt, wenn sich Aufklärung auch über ihre eigenen Mythen aufklärt, wenn also nicht mehr nur das Althergebrachte, Religion und Autorität vernichtet sind, sondern auch der Glaube an den prinzipiell guten Menschen, die positiv gestaltende Kraft einer vermeintlich universellen Vernunft und die Zukunft als verheißungsvolle Utopie.
Subkulturell sehr schön zu zeigen am subkulturellen Bruch Punks/Hippies. Letztere glaubten auf ihre unkonventionelle Weise an das Gute in der Welt und die positive Gestaltbarkeit der Zukunft, während Punk mehr oder weniger bewusst auf jeden positiven Gehalt verzichtete (weil er einfach der lebenswirklichen Wahrnehmung der Punks nicht entsprach) und sich vor allem gegen die Anhänger dieses Traums vom Guten agressiv wandte. "No future" war ja nicht blos eine resignierte oder gar selbstmitleidige Parole, sondern die absichtliche Bekundung, mit den gegebenen Verheißungen nichts anfangen zu können. Auf ihre ganz eigene Weise setzten sie damit Spenglers Diktum, Optimismus sei Feigheit, agressiv um.