Ich möchte etwas Besonderes zitieren, das nur indirekt mit dem Titel des Threads zu tun hat, aber dennoch sehr interessant ist.

Franzosen und Russen, Dänen, Polen und Italiener erfaßt wachsende Beklemmung angesichts der deutsch-deutschen Dynamik. Nirgends im Ausland aber löst die sich abzeichnende Möglichkeit einer Wiedervereinigung so nachhaltige Schauder aus wie in Israel und unter den Juden in der Welt.
Jetzt wird es interessant.

Für viele von ihnen reduziert sich die historische Logik auf die Kurzformel: Die deutsche Teilung beendete das Dritte Reich, die deutsche Wiedervereinigung bedeutet das Vierte Reich.

So empfand die israelische Zeitung Jediot Acharonot die Devise "eine Nation, ein Volk" als derart furchterregend, daß sie sich an "ein Volk, ein Reich, ein Führer" erinnert fühlte. Israels Premier Jizchak Schamir müsse seine Stimme erheben, "um die Welt vor der potentiellen Gefahr einer deutschen Wiedervereinigung und einer neuen Ordnung im Herzen Europas zu warnen".
Der Knesset-Abgeordnete Benjamin Begin, Sohn des Ex-Premiers, meinte gar, eine Wiedervereinigung "unter allen Umständen" verhindern zu müssen. Und in New York appellierte Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel an die Juden der ganzen Welt, gegen einen neuen deutschen Einheitsstaat Front zu machen
Ein so aufgeklärter Israeli wie Gerschom Schocken, Herausgeber der liberalen Tageszeitung Haaretz, wollte eine solche Aufgabe nicht auf die Juden beschränkt sehen. "Für die ganze Welt" sei es wichtig, "daß zwei unabhängige deutsche Staaten bestehen" blieben.
Wow.

Israelis und Juden sehen in einem Zusammenbruch der Mauer drastischer noch als andere Staaten eine Wende der Nachkriegsgeschichte, ein Ende jener Epoche, die für den neugeborenen Judenstaat im ganzen gesehen eine Erfolgsstory war. Die Mauer ist ihnen ein Symbol der deutschen Schande und der fortdauernden Bestrafung des deutschen Volkes gewesen - es sei zu früh, sie abzureißen, warnte Kommentator Menachem Schalew in der Jerusalem Post.
Die Mauer hatte, von den Deutschen weithin unbemerkt, für die Juden eine fast metaphysische Bedeutung angenommen - sie stand für den Holocaust: Selbst inmitten ihres beispiellosen Wohlstandes seien die Deutschen beim Anblick der Mauer auf ihre abscheulichen Verbrechen gestoßen worden. In dieser Logik erscheint ihr Abriß als bislang gefährlichster Versuch, die Erinnerung an den Völkermord zu verdrängen, ja ihn womöglich der Idee nach ungeschehen zu machen.
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Darüber muss nicht viel geschrieben werden.
Die Aussagen stammen aus dem Jahr 1989. Das Ganze ist erst 30 Jahre her. Das muss man sich mal vorstellen.