Zitat Zitat von OneDownOne2Go Beitrag anzeigen
Es liegt mir fern, Wilhelm Zwo als debilen Idioten hinzustellen, ich würde eher sagen, er war als Staatsoberhaupt so gut, wie es auch der Zar oder der KuK-Kaiser waren, aber das ist nicht der Punkt. Er war einfach kein "echter" Soldat, etwas, das man jemandem in seiner Position kaum vorwerfen kann. Hätte er eine zutreffende Einschätzung besessen, was im Krieg auf das Reich unvermeidlich zukommen würde, ich habe große Zweifel, dass er Österreich so willig bei gesprungen wäre. Was die Verschiebung der strategischen Gewichte in Europa angeht, stimme ich dir zu. Noch im ausgehenden 19. Jahrhundert saß der Feind aus britischer Sicht primär in Paris, aber das stetig erstarkende deutsche Reich wurde zunehmend "bedrohlich" für die britische Geopolitik.
Wilhelm war keineswegs debil, ja sogar rascher Auffassung und vielseitig begabt.
Das Problem war seine Psyche, nämlich manisch-depressiv. Er konnte zurecht als verrückt bezeichnet werden!
Seine traumatische Gestörtheit war den erbarmungslosen Repressionen seiner Erziehung geschuldet:
Per Steißgeburt in die Welt gezerrt, wobei sein Arm verkrüppelt wurde,
von seiner (englischen) Mutter ob dieser Verkrüppelung verachtet,
weiter traumatisiert durch folterähnliche Streck- und Elektrisierungs-methoden zur Verlängerung des Armes,
die eiserne Zucht seitens des Erziehers Hinzpeter, welcher die Letzte Chance vergeudete, aus

einem zutiefst verletzten und gedemütigten Knaben eine souveräne Persönlichkeit heranzubilden.
Ein Junge, der solchermaßen brutalstmöglich verstört und traumatisiert
wurde, musste zwangsläufig ein abnormes Seelenleben führen und sich in Wahnvorstellungen verirren. . .
Dieser Mensch stürzte sich nun ausgestattet mit allen Machtvollkommenheiten eines deutschen Kaisers
für die nächsten 30 Jahre auf den Thron, um als von 'Gott' eingesetzter Souverän

sein Volk „glorreichen Zeiten“ entgegen zu führen
Dieses Amt welches äußerste Klugheit und Besonnenheit verlangte, geriet unter die Gewalt eines unbelehrbaren Fantasten,
der seine ganz persönlichen Leidenschaften und Besessenheiten kaum gebremst in seine Amtsausübung einbrachte.

Ganz besonders verhängnisvoll und nachhaltig wirkte sich diese Geschmacks- u Gefühlsherrschaft des Monarchen
auf die Personalpolitik aus:
Die Besetzung von Führungspositionen der Reichsregierung und des Militärs oblag verfassungsgemäß dem Kaiser
und Wilhelm nutzte dieses Privileg ganz nach seinem Gusto, und er hasste souveräne Persönlichkeiten,
favorisierte dagegen Schmeichler.
Die Konsequenz dieser Bestallungsmentalität beschreibt Lüder Meyer-Arndt recht drastisch und hebt ein eklatantes deutsches Dilemma hervor:

"Von denen, die den Krieg zuließen, fiel keiner durch Begabung, Weitsicht oder Intelligenz auf". Sie seien sämmtlich „Fehlbesetzungen“ gewesen. Man komme an den "Kern des Desasters, wenn man es auf die völlig verfehlte, ja unverantwortliche Personalpolitik des Regimes zurückführt". Für diese Personalpolitik war nun der Kaiser verantwortlich (dank Bißmarck. . .): "Jagow war unselbständig, ein Diplomat 3. Ranges, unfähig und intrigant", der Graf Waldersee: "eine vollkommene Null", Bethmann Hollweg sei von der HaPAG "höchstens als Biblothekar angestellt worden"Stumm war "halb verrückt", Moltke "in besonderem Maßeimkompetent". Deutschland also mit den Worten von Ferguson: "a colossus of steel, with a head of clay"Hier liegt also des Rätsels Lösung:Die Akkumulation von Inkompetenz in den Führungsetagen musste zwangsläufig dieses hoffnungsvolle Werk – Deutsches Reichunter (zu erwartenden) ungünstigen Umständen in die Scheiße fahren. . .