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Gute Frage, frundsberg. Man muß da etwas ausholen. Ich bin ja nun Wessi, war aber schon zu DDR-Zeiten öfters drüben.

Die Leute dort hatten von vielem, was im Westen so lief, nur wenig aus den Medien mitbekommen, von vielem auch gar nichts. Ist nicht böse gemeint, aber es war immer so ein bisschen der Eindruck bei uns Wessis, sie lebten "hinter dem Mond". Sie selber übrigens hatten nach meinem Eindruck teilweise das gleiche Gefühl.
Ihre Vorstellung vom goldenen Westen und seinen Freiheiten und Konsummöglicheiten war natürlich logischerweise idealisiert. Sie wußten nicht- und konnten nicht wissen, daß in der BRD sich längst ein strenges Regime der politischen Korrektheit, der Tabus und Meinungszensur, eingeschlichen hatte.
Für den Wessi war z.B. Ende der 80er die Vorstellung unerhört, daß beide Deutschlands sich wiedervereinigen könnten. Das wollten die Wessis in der Mehrheit gar nicht, sie dachten genau das, was die westlichen Siegermächte dachten und wollten. Kohl hat (das muß man ihm lassen) da tatsächlich das Eis gebrochen. Deutschland Wiedervereinigung war vorher nur noch etwas für die Sonntagsreden der Politiker, selbst Lehrer in der Schule erklärten ihren Schülern, daß das nie kommen würde und auch nicht wünschenswert sei.

Mit einem Wort: die Wessis waren von der transatlantischen Agenda vollständig indoktriniert, was auch daran lag, daß ihnen jegliches nationales Bewußtsein komplett aberzogen wurde. Und so ist es teilweise bis heute geblieben und in den Köpfen drin.
Links sein ist im Westen der Mainstream und es gilt nach wie vor in der breiten Gesellschaft der Altparteienwähler: links=gut, rechts=böse.
Viele Wessis finden es nach wie vor überhaupt unerhört, daß plötzlich Menschen auf die Straße gehen, die nicht links sind und trotzdem ihre Meinung artikulieren!
Man hört sich die Meinung von Rechten nicht an, man diskutiert nicht mit ihnen, man haßt sie und man bekämpft sie. In Köln (wo ich herkomme) eine völlig normale Grundhaltung des Mainstreams.

Die "Ossis" dagegen waren nach der Wende erst mal allen Seiten gegenüber völlig offen. Sie nahmen die Demokratie einfach wörtlich. Einige wurden rechts (sogar stark rechts), einige wurden links (auch stark links, beides im Westen schwer vorstellbar, weil gesellschaftlich nicht akzeptiert), und einige schlossen sich den Altparteien des Westens an. Aber wo sie auch stehen: sie sind nie fanatisch. Sie hören sich die Meinung der jeweils anderen Seite an und können auch mal zustimmen, wenn sie überzeugt werden. Sie praktizieren das, was die Wessis längst verlernt haben: echten Dialog, der erst mal niemanden ausgrenzt.
Man sieht es hier wieder im Video, wo der Volkslehrer mit Veranstaltungsgegnern spricht.

In Westdeutschland sind diese ganzen Themen längst vermint, Du kannst schlicht nicht irgend eine "rechte" Position vertreten und dann erwarten, daß man sich sachlich damit auseinandersetzt. Es geht nur noch um Macht, um Herrschaft über den öffentlichen Diskurs, die Macht über die Straße. Und der linke Mainstream reagiert fassungslos, aggressiv und gewaltsam, wenn man ihm diese Macht nach Jahrzehnten plötzlich streitig macht.

Es klingt wie ein Paradox, bei genauerem Hinschauen macht es aber Sinn: die Diktatur war die DDR, die Demokratie die BRD. Jedoch lebten die Menschen in der DDR trotz ihrer beschränkten Möglichkeiten innerlich freier als die im Westen. Da kommt vieles zusammen, auch die verdrehte Sicht auf die deutsche Vergangenheit. Wer war das noch, der sagte: "teuflisch ist es, ein System der Lüge einzurichten und die Menschen in diesem System gefangen zu halten".? Natürlich erklärt das auch wieder nicht alles, das wäre dann eine typische Verschwörungstheorie. Wahr bleibt es aber trotzdem.

Auch andere Einflüsse kommen hinzu. Ein wichtiger Faktor: Bequemlichkeit. Wer selbst im Wohlstand lebt, 10% Gehaltssteigerung jedes Jahr, Wirtschaftswunder, der verliert schnell seine politische Wachheit.
Der Wessi hatte die Einstellung: sind wir eben die Vasallen der Amerikaner, wir leben im Wohlstand, warum denn nicht?
Und viele der antiamerikanischen Strömungen der alten BRD meinten das in Wahrheit gar nicht so ernst. Ist ja auch einfach, den Kritischen zu spielen und gegen die Amis zu protestieren, wenn man weiß, daß die eigenen Forderungen doch nie erfüllt werden und man im Zweifelsfall doch wieder auf die amerikanischen Raketen zählen kann. Da war viel Heuchelei im Spiel bei der Friedensbewegung der 70erund 80er.

Wenn man über diese Fragen nachdenkt, kommt man vom hundersten ins tausendste. Und eigentlich war es schon immer so, das Völker des Westens auf die weiter östlich wohnenden herabgeschaut haben. Völlig ohne Grund, denn Rußland ist eine Wiege der Kultur, mehr als England (meiner Meinung nach). Aber komischerweise galt das auch immer ein wenig innerhalb Deutschlands. Schon im deutschen Reich (wie mein Opa mir seinerzeit erzählte) waren die Rheinländer oft überheblich gegenüber Ostdeutschen. Schlesien galt schon als Halb-Sibirien. Und die Engländer erfanden den bösen Spruch: "Niggers start at Calais". Dieser Trend war schon immer etwas vorhanden.
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort! Ja, da mögen viele menschliche Defizite und liebgewonnene Vorurteile mitspielen, bis hin zu Mißgunst oder offener Verachtung. All dies ist nun unerheblich, denn als Volk stehen wir mit dem Rücken zur Wand. In 1-1,5 Generationen ist das ganze deutsche Volk Geschichte und es spielt keine Rolle mehr, wie der Rheinländer in Köln über den Ossi in Leipzig denkt. Nahc 2 Weltkriegen, die punischen Kriege, wird unser Volk nun auch unwiederbringlich das Zeitliche segnen.

Behalten wir uns die Erinnerung an das, was mal war. Es kommt nicht wieder und kann es nicht.

LG