Zitat Zitat von OneDownOne2Go Beitrag anzeigen
Ob wir eine Chance haben? Hm...

Nein, natürlich haben wir keine Chance. Das Leben endet chancenlos mit dem Tod, immer und ohne jeden Ausweg. Auf mehr, als unsere Lebensjahre in Frieden und relativem Wohlstand hinter und zu bringen, bevor uns ein schneller, gnädiger Tod ereilt, dürfen wir nicht hoffen. Niemand darf auf mehr hoffen. Wer Ambitionen auf mehr hat, dem empfehle ich das, was Helmut Schmidt denen empfohlen hat, die "Visionen" haben: Geht zum Arzt.

Uns kann man nicht beneiden, die aktuellen Generationen stehen an der Schwelle zu einer nachhaltigen Veränderung der Welt, und für uns wird das keine Veränderung zum Besseren sein. Im Grunde auch ganz logisch, wir haben sehr weit oben angefangen, da ist die Wahrscheinlichkeit, dass es von dort aus abwärts geht, eben nicht gerade klein. Jede Generation hat so ihr Päckchen zu tragen, die Generation meiner Großeltern hat zwei Weltkriege und den Untergang von insgesamt drei deutschen Staaten erlebt, Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittes Reich. Meine Elterngeneration hat im Wiederaufbau geschuftet und im kalten Krieg stets das Ende der Welt erwartet. Und wir, wir erleben jetzt den demographischen Abgang der autochthonen Bevölkerung. Das nähert den Verdacht, dass "Leben" einfach so ist, es will erobert, verteidigt und ertragen werden. Mag gut sein, dass sich viele deswegen in den Gedanken von einem besseren Leben nach dem Tod flüchten, so unwahrscheinlich das auch immer sein mag.

Ob Bartleby - ich nehme mal an, du meinst den von Melville - die Antwort ist? Nein, so verständlich mir Verweigerung vor einer ignoranten und ebenso sturen wie dummen Umwelt ist, sich deswegen mehr oder weniger freiwillig ins Schwer zu stürzen, und sei es auf Bartlebys passive Art, das kann auch nicht die Lösung sein. Zumal unser "Arbeitgeber" bisher sein Büro nicht aufgegeben hat, uns also auch noch nicht direkt der Umzug "ins Gab" droht. Meine Antwort ist eine andere: Lebe den Moment! Gestern können wir nicht mehr ändern morgen können wir kaum beeinflussen, heute können wir ertragen und, wenn es gut läuft, etwas Freude daran haben. Lebe den Moment! Sei jetzt so zufrieden und glücklich, wie immer es dir möglich ist, tust du das nicht, kannst du es schon morgen nicht mehr ändern. Das klappt nicht jeden Tag, um ehrlich zu sein, an den meisten Tagen klappt es nicht. Der Wahnsinn der Welt lässt sich kaum wirksam aussperren, ebenso lässt sich das Hirn kaum vom Grübeln abhalten. Zu der wirklichen Unabwendbarkeit kommt noch die scheinbar vorsätzliche Dummheit der "Entscheider", die alles noch forciert, ganz so, als könnte es mit der Umwandlung eines einst blühenden Landes in eine demographische, ökonomische und soziologische Trümmerwürste gar nicht schnell genug gehen. Aber wenn es klappt ist es großartig....
Toller Text und sehr erstaunlich, wie du trotz falscher Prämisse zu einem klaren und zutreffenden Ergebnis kommst. Meine Frau kann sowas auch, und ich fürchte mich vor dieser Fähigkeit. Das darf es ja eigentlich nicht geben, das hat etwas übernatürliches an sich.

Echt wunderschön, vor allem im letzten Drittel, Kompliment, mein Gudster. Die falsche Prämisse wolltest du noch wissen: Wir haben nicht "sehr weit oben angefangen", sondern sehr weit unten, du vielleicht nicht mehr so deutlich empfunden, ich schon, München in den fünfziger Jahren - das war sehr weit unten. Die Miete in Schwabing, 4 Zi.,K.,B. : 70,00 DM. Siebzig. Sehr weit unten, auch im Verhältnis zum Einkommen. Ingenieursgehalt mit Berufserfahrung: 500,00 DM. Da war ich mal gerade ein paar zarte Jährchen alt und Muttern hat dem Hofgeiger immer 10 Pfennig vom Balkon geworfen, sehr ordentlich in Zeitungspapier verpackt. Der war noch weiter unten, wir waren schon im 2. Stock, bildlich und real. Wir haben alle gekämpft und geschuftet und die Polen und Jugoslawen haben nicht nur für uns Fußball gespielt ("Bin ich Radi bin ich König...) sondern mitmalocht. Dann kamen die Italien, die haben auch mitmalocht und uns die Pizza gebracht. Echte, nicht tiefgekühlten Serienschrott aus Buxtehude. Heute haben wir die Türken. Betrachte das von den deutschen Türken, den Deutschtürken und den nur-Türken erbrachte Bruttosozialprodukt und die von ihnen bereitgestellten Arbeitsplätze. Du wirst staunen.

Deutschland ist aus Ruinen erwachsen wie der Feuervogel, eine exzellente Leistung, möglich gemacht durch die Großzügigkeit der Sieger und mit beträchtlicher Hilfe von Fremdarbeitern. Do never forget. Und rede mal mit netten(!) Menschen über diese Muselpanik. Das passt nicht zu dir, aus meiner Sicht.