Herrlich! Anläßlich des Rücktritts von Gysi watet die grünversiffte TAZ genau dort, wo sie hingehört: Im dumpfen, reaktionären Familienkult - nicht unangemessen auch für den Abschied des obersten Zynikers und Wendehalses der SED.

„Ich habe viel zu wenige Freundschaften gepflegt, ich hatte viel zu wenig Zeit für meine Angehörigen“, sagte er in Bielefeld. Und schließlich: „Es tut mir sehr, sehr leid.“ Und dann flossen Tränen.

Es war einer jener seltenen Augenblicke, in denen das politische Geschäft kurz eine seiner dunkelsten Seiten offenbart: die soziale Verwahrlosung jener, die tatsächlich meinen, die Politik könne nicht ohne sie funktionieren. Im Moment von Gysis Entschuldigung sah man sie vor sich: die geschwänzten Kindergeburtstage und Elternabende, die verstrichenen Gelegenheiten zum klärenden Gespräch, den abgebrochenen Urlaub und die verpasste Muße eines Gartentages.

Aber wer sagt eigentlich, dass ein heftiger Streit über nicht gemachte Hausaufgaben nicht mindestens so wichtig gewesen wäre wie der um die Strömungsarithmetik einer Bundestagsfraktion?
Ein "geschwänzter Kindergeburtstag" ist also die dunkelste Seite der Politik. Was sind dagegen schon ein zerstörtes Gesundheitssystem, ein Verfassungsbruch und für Uncle Sam am Hindukusch verreckende Soldaten.

[Links nur für registrierte Nutzer]

So etwas kommt heraus, wenn man Hausfrauen in die Redaktion setzt. Dann regiert das "gesunde Volksempfinden" einer deutschen Mutter.

[Links nur für registrierte Nutzer]

1965, ist taz-Parlamentsredakteurin und Buchautorin. Aktuell erschien von ihr und Hanna Maier "Als Oma bist du ja ganz nett" (Piper2014). Zuvor „Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter“ (Lübbe 2011).