
Zitat von
Dr Mittendrin
Erstens: Die NATO- und EU-Erweiterung nach Osten war kein Fehler, sondern gewollt und strategisch geplant. Versuche des ehemaligen „Die Zeit“-Herausgebers Theo Sommer, in seinem ansonsten durchaus um Entspannung bemühten Artikel[2] ausgerechnet Zbigniew Brzeziński als Zeugen dafür anzuführen, dass die Eskalation um die Ukraine nicht gewollt war, ist ein besonders krasses Beispiel für historische Vergesslichkeit, wenn man Theo Sommer nicht bewusste Verdrehung unterstellen will. Ist es doch gerade Brzeziński, der seit dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion als strategischer Guru wechselnder US-Regierungen permanent und systematisch über zwanzig Jahre und durch mindestens drei Bücher darauf dringt, die Ukraine aus dem Zusammenhang mit Russland herauszubrechen.[3] Hinzu kommen seine jüngeren Ratschläge, ukrainische Truppen für den Häuserkampf auszurüsten.[4]
Zweitens: Nicht die Ereignisse um die Krim waren der Auslöser der Ukraine-Krise, konkret der Maidan-Revolte, sondern die über die „erweiterte Nachbarschaftspolitik“ der Assoziierungsabkommen ausufernde Eskalation der Ost-Erweiterung der Europäischen Union, die nicht bereit war, auf die im Osten seit 2008 entstehende Eurasische Union kooperativ und mit Verhandlungen über eine Abwägung gegenseitiger Interessen einzugehen. Bekannt und selbst in EU-Kreisen nicht mehr bestritten sind die Positionen des ehemaligen EU-Kommissions-Präsidenten José Manuel Barroso, der Viktor Janukowytsch in den Verhandlungen um den Assoziationsvertrag vor die Alternative Europäische Union ODER Eurasische Union stellte.[5] Nach den voraufgegangenen Zick-Zack-Kursen der Ukraine zwischen Pro-NATO/EU und Anti-NATO/EU musste jedem Politiker, der einigermaßen bei Verstand war, klar sein, dass eine solche Alternative die Ukraine zerreißen würde. Im Übrigen war es Brzeziński, der auf der Münchner Sicherheitskonferenz vom Februar 2014 eben diese Strategie konkretisieren half.
Drittens: Es waren auch nicht die Ereignisse um die Krim, sondern der von Maidan-Militanten, allen voran den Aktivisten des „Rechten Sektors“ erzwungene, die bestehende Verfassung der Ukraine brechende Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Viktor Janukowytsch, die zur Eskalation des Bürgerkrieges führten. Janukowytsch wurde gestürzt, nachdem er sich in Verhandlungen mit einer europäischen Delegation unter Führung von Frank-Walter Steinmeier zum Rücktritt, zur Einrichtung einer Übergangsregierung und zu vorgezogenen Wahlen bereit erklärt hatte. Die Sezession auf der Krim wie auch die Ausweitung der Maidan-Unruhen zu den Besetzungen und der Anti-Maidan-Bewegung im Osten waren keine Inszenierungen Russlands, sondern setzten gleich nach dem Umsturz sein. Sie waren eine Reaktion auf die von der provisorischen Regierung gefassten ultranationalistischen Beschlüsse zur Abschaffung des Rechts auf Sprachautonomie sowie auf die erklärte Absicht faschistischer Kräfte in der provisorischen Regierung, das Land rücksichtslos ukrainisieren zu wollen.