[...]So entsteht ein neuer Weltverbesserungsobskurantismus, der nicht selten ins Sektenhafte, ja Irre abgleitet, ganz so, als konzentrierte sich dort nun der harte Kern hysterischer Weltbetrachtung. Die wohl doch sehr deutsche Suche nach philosophischer Tiefe und faustischer Wahrheit landet fast immer in der erschütternden Plattheit ideologischer Kurzschlüsse, die schon in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts für Unheil sorgten. Damals stand an jeder Ecke jemand, der seine eigene Wahrheit herausschrie. Am Ende war es nur noch einer.
Auf den sogenannten Montagsdemonstrationen in vielen deutschen Städten etwa sieht man jetzt Parolen gegen das "Schuldgeldsystem" und die "Zinsknechtschaft", Warnungen vor der allmächtigen amerikanischen Notenbank Fed, der Wallstreet und der kriegslüsternen Nato – ein Weltverschwörungsdenken, das rechts wie links sein Fähnlein schwenkt.
Dafür hat es mit der europäischen Aufklärung, mit Kants Vernunft und geistiger Freiheit nichts zu tun, umso mehr mit Antisemitismus und einem kruden Antiamerikanismus, der sich besonders schlau wähnt, in Wirklichkeit aber nur ein Zeichen von Dummheit ist. Kein Zufall, dass sich in diesen Kreisen besonders viele Putin-Freunde finden, die in einer projektiven Meisterleistung dem Westen das vorwerfen, was Russland tatsächlich betreibt – eine aggressive Kriegspolitik.[...]