Porträt eines Aufrührers
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NZZ am Sonntag Sonntag, 16. Februar
Die Wutbürger im Zentrum von Kiew hören kaum noch auf die Oppositionsführer. Erfahrene Soldaten wie Chaim glätten die Wogen.
Paul Flückiger, Kiew
Nennen wir ihn Chaim, denn der jüdische Mann in der Lederjacke will zur Sicherheit inkognito bleiben. Nach dem Scheitern der «orangen Revolution» 2005 hat er der Ukraine den Rücken gekehrt und ist nach Israel ausgewandert, doch nun ist er seit ein paar Jahren wieder zurück. «Der neue Protest auf dem Maidan liess mich kalt, bis die ersten wehrlosen Demonstranten erschossen wurden», erzählt der durchtrainierte Mann in einer Kaffeestube unweit des besetzten Stadtzentrums. Die Schneebarrikade in dieser Gasse schmilzt dahin wie alle anderen. Chaim erläutert, wie die Schutzwälle nun mit Sand verstärkt werden. «Alles lässt sich organisieren», sagt Chaim.
Zum Anführer gewählt
Von der Strasse weg war der Banker aus Kiew zum Anführer einer Hundertschaft von Selbstverteidigern gewählt worden. Als die Pneus im Regierungsviertel brannten, glättete Chaim die Wogen und überzeugte manchen Heisssporn davon, dass es besser sei, Barrikaden zu halten als die Sicherheitskräfte mit Steinwürfen herauszufordern.
Verglichen mit seinen Erfahrungen in der israelischen Armee sei das alles Kinderkram – auf beiden Seiten der Barrikaden, erzählt Chaim. Er will die Selbstverteidigung des Maidan so professionalisieren, dass weitere Todesopfer verhindert werden.
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