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Interview Hankel
[...]Sie sagten vor einem halben Jahr, sie wären von Beruf nicht „Eurokritiker“ sondern Volkswirt, der kühl analysiert. Wie geht denn die ganze Sache aus Sicht eines Volkswirts weiter?
Das hängt jetzt ganz allein vom Verhalten der Regierungen und von ihren Einsichten ab. Noch tun sie ja so, als ob erstens der Euro nicht gescheitert sei und zweitens, als ob das, was sie als Rettung des Euro verkaufen, die Chance hätte, das Problem zu lösen. Diese Eurorettung ist ja ein Etikettenschwindel, eine Volksverdummung ohne Gleichen, denn hier wird ja nicht der Euro gerettet, sondern einige Banken aus ihren Schwierigkeiten befreit. Das ist doch klar erkennbar, dass die Milliarden, die jetzt zu Lasten des Steuerzahlers locker gemacht werden, im Finanzsektor hängen bleiben werden und gar nicht in den Ländern ankommen. Die Länder werden auch gar nicht entlastet, denn ihre Schulden bleiben ja bestehen. Sie werden, wenn sie Glück haben, nur ein wenig in der zeitlichen Länge gestreckt. Aber das bedeutet für diese Länder kein Aufatmen, denn sie müssen in der längeren Periode entsprechend mehr Zinsen zahlen.[...]
[...]Es heißt, wir profitieren ja so unglaublich vom Euro in Deutschland. Dieses Schlagwort springt mir jeden Tag ins Gesicht. Ist dem wirklich so?
Es ist ein Totschlagwort! Und stimmt hinten und vorne nicht. Erstens zeigen die Zahlen, die meist unterdrückt werden klipp und klar, dass die großen deutschen Export-Zuwächse gar nicht in Europa und schon gar nicht im Euroland stattfanden, sondern auf dem Weltmarkt. Zweitens haben gerade wir Deutsche unter unseren legendären Wirtschaftsministern Zeiten, die leider lange zurück liegen, nämlich Erhard und Schiller, die besten Erfahrungen mit einer starken Währung gemacht. Auch im Exportgeschäft. Der ständige Trend der alten guten D-Mark zur Aufwertung statt zur Abwertung war eine unglaubliche Verbesserung der Leistungskraft auch unserer Exportwirtschaft. Sie musste sich anstrengen. Und gleichzeitig konnten unsere Exportunternehmen alles, was sie an Rohstoffen, Vormaterialien usw. brauchten, und das ist fast die Hälfte im Exportsortiment, zu verbilligten Preisen einkaufen. Öl war billiger, Rohstoffe waren billiger, auch Fertigwaren, die als Vorleistungen in die Endproduktion eingingen – all das war dank der Aufwertung billiger als bei der europäischen Konkurrenz. Und das hat die deutsche Exportposition mehr gekräftigt als jetzt der Euro. [...]
[...]Sie hatten vor einem halben Jahr gesagt, wir verlassen den Boden der Demokratie in Europa. Wie weit haben wir uns davon inzwischen schon entfernt im letzten halben Jahr?
Schrecklich weit. Nach dem Wähler mit dem Euro wird mit den Rettungsfonds das Parlament entmachtet. Es wird die Europa-Politik, die in Brüssel gemacht wird, nur noch abnicken. Was wir mit der so genannten „Eurorettung“ seit einem Jahr erleben, ist eine ständige Umgehung und Übergehung des Parlaments. All die Maßnahmen, die so viel Geld kosten, und zwar immer mehr und immer mehr, müssten ja parlamentarisch abgesegnet werden. Und das werden sie im besten Falle im Nachhinein, wenn in Brüssel alles schon beschlossen ist. Außerdem wird ständig das Wort gebrochen. Dieses ist ja schon der dritte Wortbuch, den ich in der „Eurorettung“ erlebe. Erst hieß es: Nur Griechenland. Die Beträge waren relativ begrenzt, wenn man 110 Milliarden Euro als „Peanuts“ betrachtet. Dann kam der „Stabilitätsfonds“ dazu. Die Beträge wurden von 110 Milliarden auf 700/800 Milliarden Euro aufgestockt. Und jetzt erleben wir, dass der „Rettungsfonds“ diese Mittel noch einmal aufgestockt erhält und seine begrenzte Zeitdauer aufgehoben wird. Er erhält Ewigkeitscharakter. Ursprünglich sollte Mitte 2013 beendet sein. Wie viele Wortbrüche brauchen wir noch, um den Euro zu retten? [...]
[...]Machen wir einen kurzen Schwenk. Sie und Ihre Mitstreiter klagen vor dem Verfassungsgericht gegen diese Eurorettung. Wie ist der Stand der Dinge?
Beklagenswert. Wir haben die Klage vor einem Jahr eingereicht. Das Verfassungsgericht hat sie sogar angenommen. Es hat auch die Beklagten, die jetzige Bundesregierung und den Bundesrat, um Stellungnahmen gebeten. Die sind sogar eingegangen. Eigentlich müsste jetzt das Verfahren anlaufen. Doch wir hören nichts. Gar nichts. Das könnte Absicht sein. Denn in der Zwischenzeit versucht die Bundesregierung zusammen mit den anderen europäischen Regierungen vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Mittel für die die Rettungsmaßnahmen werden aufgestockt und verlängert. Die neuen Verträge, die ja einen Bruch der alten darstellen, sind längst in Vorbereitung. Ich finde, und habe das auch schon in einer bekannten Zeitung geschrieben, das Bundesverfassungsgericht, das sich dem Verdacht des Aussitzens aussetzt, begeht selber Rechtsbruch. Die Bürger haben Anspruch auf Recht und auf Rechtssprechung. Dem müssen die Richter nachkommen.[...]