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Überall gedeihen kleinere Formen der Steuerhinterziehung
Der Staat selbst zahlt nur schleppend und setzt einen Teufelskreis in Bewegung. Kommunen zahlen Strom- und Telefonrechnungen nicht, die Telefongesellschaft überweist dann an das Bauunternehmen für die Verlegung der Telefonleitungen nichts. Die staatlichen Krankenhäuser zahlten allein im vergangenen Jahr medizinische Geräte im Wert von 6 Milliarden Euro nicht. Zuletzt hatte die Regierung 2005 eine große Überweisung für die Krankenhäuser getätigt. Seither türmt sich ein neuer Schuldenberg auf. Die Lieferanten haben die notorischen Zahlungsverzögerungen längst eingepreist. Die Linke wiederum prangert die Lieferanten an, dass sie aus Profitgier ausgerechnet in Griechenland die höchsten Preise auf der Welt verlangten.
Der griechische Staat hat seine Ausgaben nicht unter Kontrolle. In den Krankenhäusern ist die Buchhaltung noch nicht angekommen, in den Kommunen ist sie in weiter Ferne. Andererseits zahlen die Griechen weniger Steuern, als sie sollten. Wo der Bürger Leistung sieht, zahlt er. Jeden Tag benutzen 800.000 Athener die Metro, und sie sind stolz auf sie, auf ihre Pünktlichkeit, ihre Sauberkeit. Nur 30.000 sind Schwarzfahrer. Der Anteil der Schwarzfahrer unter den Steuerzahlern ist erheblich höher.
Da gibt es provokante Formen der Steuerunehrlichkeit. Von 11 Millionen Griechen geben gerade einmal 5000 ein zu versteuerndes Einkommen von 100.000 Euro und mehr an. Andererseits rühmt sich Athen der größten Dichte Europas an Porsche Cayenne, und in den Häfen liegen die prächtigsten Jachten. Ein Teil dessen, was sie an Steuern zahlen müssten, geht an die Steuerinspektoren, und die lassen sich nicht zähmen. Als Beamte sind sie unkündbar.
Daneben gedeihen kleinere Formen der Steuerhinterziehung. Unauffällig schiebt der Kellner den Kassenbon unter die weiße Tischdecke. Vielleicht vergessen ihn die Gäste ja nachher. Darauf stehen die Bestellungen der ersten Runde, die Vorspeisen, der Wein und was das Finanzamt erwartet: die Mehrwertsteuer, die Adresse des Restaurants, die Steuernummer. Natürlich wird weiter bestellt. Neuer Wein, ein paar weitere Vorspeisen, Hauptgerichte, Desserts. Stunden wird getafelt, der Bouzoukispieler wird nicht müde. Die Rechnung wächst. Zum Schluss bringt der Kellner eine Quittung, wohl mit der Mehrwertsteuer, aber ohne den Namen und die Steuernummer des Restaurants. Der Gast zahlt zwar die Mehrwertsteuer, das Restaurant führt sie aber nicht ab. [...]