Begonnen hat diese Entartung des Krieges, als das Britische „Bomber Command“ begriffen hatte, dass mit Explosivstoffen allein kein flächendeckender Bombenkrieg zu führen war. Erst der richtigen Beimischung von anderen Mitteln, vor allem verschiedener Brandmittel in flüssiger und fester Form, verdankten sie ihren Vernichtungserfolg. Das war das Ergebnis intensiven Forschens, begleitet von zahlreichen Labor- und „Feldversuchen“. . . . Die erste Stadt, die so niedergebrannt wurde, war im Mai 1943 Wuppertal, und zwar beide Stadtteile – erst Barmen, dann Elberfeld – in zwei säuberlich voneinander getrennten Angriffen. Achtzig Prozent der Wohnfläche wurden „wegradiert“, wie die Times meldete, und 3400 Tote wurden nach dem Inferno gezählt. Die deutsche Propaganda versuchte diese Zahlen eher zu verheimlichen.
Später wussten die Alliierten die Todesrate noch zu steigern. Wesentlich dazu beigetragen haben Zeitzünder, die ihr Werk verrichteten, als die Menschen aus den Kellern kamen, um zu löschen und aufzuräumen. Die höchste Wirkung vor Dresden erzielten die Angriffe im Juli 1943 auf Hamburg. Es kam dabei erstmals zu einem Feuersturm: „Die etwa 40000 Gefallenen der Juliangriffe“ – nur auf Hamburg! – , schreibt Jörg Friedrich in seinem aufrüttelnden Epos „Der Brand“, seien neben denen Dresdens, Tokios (83000), Hiroshimas und Nagasakis „Chiffren des Äußersten, was Waffengewalt der Kreatur zufügte“. Seit Hamburg nannten die Briten dies kurz „hamburgisieren“.
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Opfer einer ausgefeilten und perfiden Angriffstechnik
Im Februar und März 1945 gerieten Darmstadt, Dresden, Freiburg, Halberstadt, Heilbronn, Hildesheim, Magdeburg, Mainz, Nürnberg, Pforzheim, Potsdam, Trier, Worms und Würzburg auf die Zielliste des „Bomber Command“, die meisten dieser Städte ohne Militär und kriegswichtige Industrie. Warum diese Ziele? Die Bomben sollten ihre Wirkung entfalten, wo Menschen dicht beieinander wohnten, sie sollten möglichst viele vernichten, damit so die Moral des deutschen Volkes untergraben werde („moral bombing“). Und: Diese Perlen deutscher Urbanität mit ihren teils engen Gassen und hohen Holzanteilen in den Dachstühlen versprachen einen guten Brand, vielleicht sogar einen Feuersturm. Der ist in vielen Fällen gelungen.
Diese Städte fielen einer weiter ausgefeilten Angriffstechnik zum Opfer: Immer mehr Flugzeuge warfen in immer schnellerem Rhythmus ihre todbringende Fracht ab. Ihre Namen werden aus der langen Liste von 161 zerstörten größeren Städten herausgegriffen, weil sie etwas gemein haben: Sie alle wurden zerstört, als der Krieg schon entschieden war. Ihre Vernichtung hat ihn nicht verkürzt, sondern nach der Beurteilung der zu diesem Zweck eingesetzten amerikanischen Untersuchungskommission sogar verlängert! Alle Opfer dieser unmenschlichen Angriffe sind umsonst gestorben, unter schrecklichen Qualen. Sie haben umsonst in den Kellern gelitten, die im Feuersturm zu Krematorien wurden. Die großartigen Zeugnisse einer tausendjährigen Kultur sind ohne Sinn vernichtet worden. Selbst die Wirtschaft blieb fast bis zum Schluss intakt. Der Ausstoß der deutschen Rüstungsindustrie war im Herbst 1944 dreimal so groß wie zu Beginn des Krieges.