NZZ / 31.05.2025 / von Jannik Belser, Matthias Benz, Thomas Fuster, Florian Seliger
Amerikas Schuldenberg wächst und wächst. Wie lange geht das noch gut?
US-Präsident Trump will nichts vom Sparen wissen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem Problem, das mittlerweile
36 Billionen Dollar gross ist. Die
Schuldenlast der USA hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten
verdoppelt.
Die Verschuldung der USA
wächst in atemberaubendem Tempo. Doch die Regierung von Donald Trump unternimmt nichts, um den Trend zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Das von ihm als
«Big Beautiful Bill» bezeichnete Steuergesetz, das er bis zum Nationalfeiertag am 4. Juli durchs Parlament bringen will, dürfte die Staatsfinanzen in den kommenden Jahren noch stärker in Schieflage bringen.
Die Nervosität an den Finanzmärkten ist gross. Investoren verlangen beim Kauf von amerikanischen Schuldtiteln eine
höhere Risikoprämie und stellen die
Tragfähigkeit der Staatsfinanzen
infrage. Denn es ist völlig unklar, ob und wie Trump seine geplanten
Ausgabenerhöhungen und
Steuersenkungen, welche die Staatsverschuldung in den nächsten zehn Jahren laut unabhängigen Schätzungen um
3,8 Billionen Dollar erhöhen würden, nachhaltig finanzieren kann.
Vor zwei Wochen hat auch die Rating-Agentur Moody’s den USA die Bestnote «AAA»
entzogen und dies mit der steigenden Verschuldung sowie dem hohen Haushaltsdefizit begründet. Damit haben die USA bei
allen grossen Bewertungsagenturen das Triple-A
verloren. Dies nur Trump anzulasten, greift aber zu kurz. Auch Joe Biden, Barack Obama und George W. Bush waren für hohe Defizite mitverantwortlich und trugen zum Vertrauensverlust der USA an den Finanzmärkten bei.
Heute stellen sich unbequeme Fragen: Kann man die Billionen von Schulden einfach vor sich herschieben? Wie finanzieren die USA diese gigantische Hypothek? Wer stellt dem Land das dafür nötige Geld zur Verfügung? Und kann das auf die Länge gutgehen – oder bahnt sich am Markt für amerikanische Schuldpapiere eine globale Finanzkrise an?
Wie haben sich die US-Staatsschulden entwickelt?
Thomas Jefferson, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, schrieb in einem Brief: «Ich zähle die Sparsamkeit zu den ersten und wichtigsten republikanischen Tugenden und die
Staatsverschuldung zu einer der
grössten Gefahren.» Wahrscheinlich würde ihm angst und bange, wenn er sich die Schuldenentwicklung der letzten Jahrzehnte ansehen könnte.
Die US-Staatsschulden liegen bei 36 Billionen Dollar
Bruttoverschuldung des US-Zentralstaats, in Milliarden Dollar
Denn in absoluten Zahlen ist die amerikanische Staatsverschuldung rasant gestiegen. In den 1980er Jahren war sie erstmals bei
einer Billion Dollar angelangt, der damalige
US-Präsident Ronald Reagan sagte: «Wenn wir als Nation eine Warnung brauchen, dann lasst es diese sein.»
Anfang 2025 betrug die US-Staatsverschuldung
36 Billionen Dollar. Würde man diesen Betrag in 1-Dollar-Noten aneinanderreihen, käme man damit 37-mal von der Erde zur Sonne.
Optimisten entgegnen: Alles ist halb so schlimm, wenn die Wirtschaft wächst. Doch auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung haben die amerikanischen Staatsschulden an Gewicht gewonnen. Bis
1990 betrugen sie weniger als die Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung. Vor allem nach der Finanzkrise und nach der Corona-Pandemie eilte die Verschuldung jedoch dem Wachstum voraus. Sie liegt heute bei über
120 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).
Die Schuldenlast ist gestiegen – und dürfte es weiter tun
US-Staatsverschuldung, in Prozent des BIP
Das Haushaltsbüro des US-Kongresses geht davon aus, dass die Schuldenlast weiter rasant steigen dürfte. Gründe dafür sind die Alterung der Gesellschaft sowie tiefere Wachstumserwartungen. Und weil ein immer grösserer Anteil des Staatshaushalts für Zinszahlungen benötigt wird, könnten sich die USA gezwungen sehen, mit neuen Schulden die alten zu bedienen.
Wie stehen die USA im internationalen Vergleich da?
Die USA haben eine höhere Staatsschuldenquote als andere Länder. Dem war nicht immer so: Vor der Finanzkrise bewegte sich das Land noch in ähnlichen Sphären wie die Schweiz und Deutschland, die traditionell als sparsam gelten.
In den USA ist die Staatsverschuldung stärker gestiegen als anderswo
Staatsverschuldung, in Prozent des BIP
Wie finanzieren die USA den Schuldenberg?
Der amerikanische Schuldenberg wächst, weil der Staat jedes Jahr
mehr ausgibt, als er
einnimmt. Das Haushaltsdefizit des US-Zentralstaats lag im Jahr 2024 bei 1,8 Billionen Dollar. Das entsprach 6,3 Prozent des BIP. Für Nicht-Krisen-Zeiten ist das ein sehr hoher Wert. In der EU gilt bereits ein Budgetdefizit von mehr als 3 Prozent des BIP als gefährlich. Die US-Regierung deckt das Defizit, indem sie Geld am Kapitalmarkt aufnimmt. Sie gibt dazu Staatsanleihen aus. Die Papiere zur Defizitdeckung sind allerdings bei weitem nicht die einzigen Anleihen, die das Schatzamt («Treasury») den Investoren schmackhaft machen muss.
Regelmässig laufen auch bestehende Anleihen aus. Sie werden in der Regel refinanziert, indem neue Anleihen im gleichen Umfang ausgegeben werden («roll-over»). Hausbesitzer kennen das: Wenn eine zehnjährige Hypothek fällig wird, wird sie meist erneuert – wobei dann die aktuell gültigen Zinssätze gezahlt werden müssen.
Die Refinanzierung bestehender Schulden hat in den USA ein enormes Ausmass angenommen. Im Jahr 2024 hat das US-Treasury laut Daten der Securities Industry and Financial Markets Association (Sifma) Schuldtitel im Umfang von rund
29 Billionen Dollar ausgegeben. Das ist rein rechnerisch fast so viel wie der ganze Schuldenberg. Nur 1,8 Billionen davon waren Neuverschuldung, der Rest entfiel auf das
Rollieren von
Altschulden.
Wie viele Anleihen die USA an den Markt bringen
Schuldtitel-Emissionen des US Treasury pro Jahr, in Milliarden Dollar
Der Grund für die grossen Summen ist, dass der US-Zentralstaat rund ein Fünftel seiner Schulden mit sogenannten T-Bills finanziert. Das sind sehr kurz laufende Papiere von 4 Wochen bis maximal einem Jahr. Sie müssen mehrmals pro Jahr erneuert werden und sorgen so für einen grossen Umschlag. Lang laufende Bonds (von mehr als 10 Jahren) machen nur rund 16 Prozent der US-Staatsverschuldung aus.
Das US-Treasury hat mithin viel zu tun mit dem Management des Schuldenbergs. Im Jahr 2024 hielt es 440 Auktionen zur Platzierung von Staatsanleihen am Kapitalmarkt ab. Das war durchschnittlich mehr als eine pro Tag.
Mit der regen Auktionstätigkeit sind zwei Probleme verbunden: Zum einen muss der US-Staat ständig Abnehmer für seine Schuldtitel finden. Falls die Käufer streiken, kann es schnell zu Verwerfungen kommen. Zum andern wirken sich steigende Zinsen rasch aus. Die USA sind wie ein Hausbesitzer, der jedes Jahr einen beträchtlichen Teil seiner Hypothek erneuern muss und dann allenfalls mehr Zinsen zahlt.
Wer kauft die US-Staatsanleihen?
Der Grossteil der amerikanischen Schulden wird von Kreditgebern in den USA gehalten. Die wichtigsten Gläubiger sind private Investoren wie Pensionsfonds, Banken und Investmentgesellschaften, die mit dem Kauf von Anleihen ihr Risiko diversifizieren. Ihnen gehören 42 Prozent der Papiere.
Regierungsbehörden und die Zentralbank halten ein weiteres Drittel der Schuldtitel. Die Regierung überträgt hierfür Gelder von einem Teil der Administration in einen anderen und speist damit Fonds für die soziale Sicherung, Gesundheitsleistungen oder den Autobahnbau. Die US-Zentralbank (Fed) setzt den Kauf und Verkauf von Anleihen in der Geldpolitik ein.
Knapp ein Viertel der Anleihen werden von ausländischen Investoren gehalten
US-Schulden nach Besitzern der Schuldpapiere, in Billionen Dollar
Ausländische Investoren besitzen rund ein Viertel der amerikanischen Schulden. US-Anleihen sind international beliebt, da sie bisher als sehr sicher galten. Japan ist mit 1,1 Billionen Dollar das wichtigste Herkunftsland der Gläubiger, es folgen Grossbritannien (780 Milliarden) und China (765 Milliarden).
Im Handelsstreit mit den USA kam die Befürchtung auf, dass China seinen grossen Bestand an US-Anleihen als Waffe einsetzen und auf den Markt werfen könnte. Allerdings hat China in den letzten Jahren schon seinen Überhang von amerikanischen Schuldtiteln reduziert. Grossbritannien kaufte hingegen zu.
Japanische Investoren halten am meisten US-Schuldpapiere
US-Schulden nach den wichtigsten Herkunftsländern der internationalen Gläubiger, in Milliarden Dollar
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