Iran: Revolution und Konterrevolution 1978-1981 (Auszug)
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Der Iran im 20. Jahrhundert
Die Geschichte Irans im 20. Jahrhundert ist eine Geschichte der
Abhängigkeit von i
mperialistischen Mächten, von gescheiterten Versuchen eine bürgerliche Demokratie zu etablieren,
extremer Ausbeutung der Massen und
brutaler Unterdrückung der Arbeiterbewegung.
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Bis zur
Entdeckung der
Erdölvorkommen 1908 dominierte die
Landwirtschaft den Iran. Nur zehn Prozent der Bevölkerung lebte in Städten, wo sich ein
Handelskleinbürgertum entwickelte – die so genannten Basaris, die bis heute einen wichtigen Teil des iranischen Bürgertums ausmachen.
Die
Ölfelder im
Südwesten des Landes wurden seit Beginn des 20. Jahrhunderts von der
Anglo-Persischen Ölgesellschaft kontrolliert.
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Die
Anglo-Persische Ölgesellschaft machte
gigantische Gewinne, von denen nur ein Bruchteil im Iran selber landeten. Zwischen 1912 und 1933 betrugen diese zum Beispiel 200 Millionen britische Pfund, wovon nur 16 Millionen als Abgaben an die persische Regierung gezahlt wurden.
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Unter
Reza Khan entwickelte sich eine erste Phase der Industrialisierung, die jedoch sehr einseitig verlief und den Interessen von Konzernen aus den imperialistischen Ländern nicht entgegen lief. Diese konnten
profitabel Produktionsanlagen in den Iran verkaufen. Reza Khan investierte 260 Millionen Pfund in den Aufbau der Industrie. Dies führte zum Wachstum der Arbeiterklasse in den
Ölregionen und einigen
Städten, wie Teheran, Isfahan oder Täbriz – während das
Gros des
Landes weiterhin seiner
ökonomischen Rückständigkeit überlassen wurde.
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Als Reza Khan im Zweiten Weltkrieg eine
Annäherung an
Nazi-Deutschland erkennen ließ und sich der uneingeschränkten Kooperation mit den Alliierten verweigerte,
intervenierten Großbritannien und die Sowjetunion, was zur Absetzung des Herrschers und zu seiner Ersetzung durch seinen Sohn
Mohammad Reza Pahlavi führte, der der
ergebene Diener der
Imperialisten wurde.
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Teile des iranischen Bürgertums wendeten sich auch gegen die Dominanz Großbritanniens, vor allem gegen die imperialistische Ausbeutung der Ölvorkommen. Die Nationale Front, ein bürgerlich-demokratisches Bündnis verschiedener Parteien, spielte dabei die entscheidende Rolle. Deren Führer Mohammed Mossadegh wurde 1951 Premierminister und das Parlament beschloss die
Verstaatlichung der
Ölindustrie. Diese Maßnahme, unter dem
Druck der
Bevölkerung ergriffen und so begrenzt wie sie war, wurde vom
Imperialismus als
Bedrohung betrachtet und rief eine
Wirtschaftsblockade der
westlichen kapitalistischen Staaten hervor.
Am
19. August 1953 organisierten die
Geheimdienste Großbritanniens und der
USA einen
Putsch gegen die
Regierung Mossadegh und
installierten Reza Pahlavi wieder als
Schah. Dieser war drei Tage zuvor aufgrund der Massenproteste aus dem Land geflohen.
Das
Pahlavi-Regime wurde in den darauf folgenden Jahren zu einem
wichtigen Statthalter des Imperialismus im Nahen Osten. Das
iranische Erdöl war für den
Westen von großer Bedeutung. Außerdem konnte der
Imperialismus durch den Iran die
Kontrolle über
wichtige Transportwege ausüben und sah in dem Land ein wichtiges Gegengewicht
gegen die Sowjetunion.
Zu Beginn der 1960er Jahre kam es zu scharfen sozialen Spannungen und einem Generalstreik, der brutal vom Regime unter Einsatz des Geheimdienstes SAVAK nieder geschlagen wurde. Um weiteren sozialen Kämpfen der Massen vorzubeugen und mit dem Ziel die Industrialisierung und Modernisierung des Landes voran zu treiben rief Schah Reza Pahlavi die Weiße Revolution aus. Diese sah vor allem eine Landreform vor, die jedoch weniger den Kleinbauern zugute kam, als durch
üppige Entschädigungszahlungen an die
Großgrundbesitzer die Voraussetzung schaffte, dass diese in Industrie und Handel
investierten. Die Weiße Revolution traf die Geistlichkeit, deren wichtigste wirtschaftliche Basis der Großgrundbesitz war. Dies verstärkte den Konflikt zwischen schiitischem Klerus und dem Schah-Regime.
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Seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre genoss der Iran drastisch steigende Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Diese stiegen zum Beispiel von 1965 bis 1969 von 522 Millionen US-Dollar auf 938 Millionen US-Dollar und 1974 auf
22 Milliarden US-Dollar. Diese Einnahmen ermöglichten dem Schah, ein Modernisierungs- und Infrastrukturprogramm durchzuführen. Gleichzeitig stiegen die ausländischen Investitionen. Die Industrialisierung setzte sich fort. Millionen Bauern gingen in die Städte und wurden Arbeiter. 1947 gab es im Iran 175 große Unternehmen mit 100.000 Arbeiter, 1972 waren dies 6.000 bzw. 1,8 Millionen.
Doch diese Entwicklung führte zu wachsender sozialer Polarisierung und nicht zu einem wachsenden Lebensstandard für die Massen.
Das galt umso mehr, nachdem der Boom 1976 ein Ende fand und der Schah seine Investitionsprogramme einstellte.
Steigenden Löhnen stand eine
wachsende Inflation von über
einhundert Prozent in den Jahren 1973 bis 1975 gegenüber. Ein
großer Teil der Staatseinnahmen floss in den Ausbau des repressiven Staats- und Militärapparates.
31 Prozent des Staatshaushaltes gingen in den Verteidigungsetat.
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Hinzu kam eine
enorme Konzentration von
Reichtum in den
Händen der
herrschenden Elite, nicht zuletzt der
Pahlavi-Familie selber. In den
1970ern wurden
vierzig Prozent der Ausgaben von den reichsten
zehn Prozent der Bevölkerung getätigt. Die führenden
45 Familien kontrollierten
85 Prozent der
größeren Unternehmen. Der Schah galt in den 1970ern als der
reichste Mann der Welt. Nach dem Ausbruch der revolutionären Proteste 1978 haben 178 Mitglieder der herrschenden Elite eine Milliarde britische Pfund ins Ausland geschafft. Hinzu kamen eine Milliarde, die der Schah in diesem Zeitraum auf Konten bei US-Banken transferierte – zusätzlich zu einer weiteren Milliarde Pfund, die ohnehin schon auf Schweizer und anderen ausländischen Konten lagen.
Dem standen in den 1970ern
katastrophale Lebens- und
Arbeitsbedingungen für die
Massen gegenüber. 73 Prozent der Beschäftigten verdienten weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. In
Hamadan wurde die Arbeitszeit auf
18 Stunden verlängert. In
Mesched waren
zwei Drittel der Teppicharbeiter
Kinder zwischen
sechs und
zehn Jahren – trotz eines
Kinderarbeitsverbots bis zum
zwölften Lebensjahr! Mit dem Ende des Booms
stieg die Arbeitslosigkeit
rasant. In
Teheran entwickelten sich
riesige Slumgebiete,
Krankheiten grassierten.
Das war der
soziale Hintergrund für die
wachsende Opposition gegen das
Regime, die in der
Revolution von
1978/79 mündete.
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