Bernd Leitenberger / 11.03.2021
Die Rückkehr der Schiffsgeschütze
Mit Schiffen, und ihrer Artillerie hat man schon immer Politik gemacht. Auf Schiffen konnte man viel schwerere Kanonen mit viel größerem Kaliber installieren als an Land. Sie
reichten weiter und verursachten
mehr Schaden als die Artillerie an Land. Im 19-ten Jahrhundert zwangen Staaten Europas und die USA mit Schiffen und ihren Waffensystemen die Öffnung asiatisher Staaten wie China und Japan oder annektierten Gebiete wie Kuba und Panama.
Dies bekam sogar einen eigenen Begriff:
Kanonenbootpolitik
Die modernen Schlachtschiffe übernahmen den Entwurf der HMS Dreadnought von 1906, welche die Artillerie vereinheitlichte und auf wenige Kanonen mit großem Kaliber setzte, anstatt sehr vieler kleiner Kanonen wie bei den vorherigen Linienschiffen. Es begann ein Wettlauf zwischen dem Kaiserreich und der britischen Marine, jedoch konnte man nie zur britischen Marine aufschließen. Politik machte die englische Marine dann im Ersten Weltkrieg, indem sie erfolgreich eine Sperre etablierte, die die Einführung von Gütern nach Deutschland verhinderte und nicht nur die Kriegswirtschaft schädigte, sondern auch zu einer Hungersnot führte.
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So bauten die meisten Nationen auch nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr und immer
größere Schlachtschiffe. Als kleinere Klassen etablierten sich der Kreuzer für den Handelskrieg und der Zerstörer für die Abwehr der neuen Bedrohung durch U-Boote und Torpedoboote. Gleichzeitig wurde das
Kaliber immer größer. Die Dreadnought hatte Geschütze mit dem Kaliber
30,5 cm, das stieg bis zum zweiten Weltkrieg auf
40,6 cm an. Japan baute sogar zwei Schlachtschiffe mit Kaliber
45,6 cm. Die 50 % mehr Durchmesser klingen nach wenig, doch da sowohl Kanonengewicht wie auch Granatengewicht und damit der mitgeführte Sprengstoff in der
dritten Potenz zum
Durchmesser ansteigen, bedeuten 50 % mehr Durchmesser 237,5 % Mehrgewicht.
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Nun scheint sich wieder ein
Paradigmenwechsel zu
etablieren. Die Bundeswehr hat schon beschlossen, die Kanonen im Kaliber
127 mm wiedereinzuführen. Gegenüber den alten Kanonen, die zuletzt die 1969/70 indienst gestellten Zerstörer der Lutjensklasse hatten, haben diese hat ein längeres Rohr, ist leichter und eine viel größere v0. Sind die silbrigen
127 mm Kanonen auf eine Kampfentfernung von
15 km ausgelegt, so erreichen die neuen 127 mm/LW dank einer Mündungsgeschwindigkeit von 1200 m/s eine Reichweite von
50 km. Mit unterkalibriger Munition werden
70 bis
100 km erreicht. Geplant ist allerdings nur die Umrüstung der größten Fregatten der Brandenburgklasse.
Weiter wird die
US-Marine gehen. Alle größeren Schiffe mit Ausnahme der Flugzeugträger werden
umgerüstet und erhalten entweder neue Geschütze, oder der Typ wird verändert. Das Ganze verdanken wir Donald Trump. Der wollte in seiner Amtszeit
mehrfach Angriffe gegen Syrien, den Iran, Nordkorea starten. Er konnte durch seine Berater immer überzeugt werden dies nicht zu tun.
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Die
Lösung des US-Militärs war die
Wiedereinführung von
Geschützen, auch basierend auf der Erfahrung von Geschützen mit Reichweitensteigerung der
M109 Haubitze bei der US-Army und den neuen schon angesprochenen
127 mm Kanonen, die schon seit 2003 in der italienischen Marine eingesetzt werden.
Die ganz großen Kaliber werden nicht wieder kommen, aber für größere Schiffe ab 4.000 BRT Wasserverdrängung werden ein bis zwei Türme mit
155 mm Geschützen installiert werden.
155 mm ist das Standardkaliber bei der landgestützten Artillerie der NATO, die heute vor allem aus Selbstfahrlafetten besteht wie der amerikanischen M109 und deutschen Panzerhaubitze 2000. Mit längeren Kanonenrohren kommt dieses Kaliber schon heute bei normaler Munition auf eine Reichweite von
50 km. Auch hier werden zur Reichweitensteigerung unterkalibrige Geschosse verwendet, die durch das geringere Gewicht eine größere v0 haben und
100 km weit fliegen.
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Die derzeitige Umrüstung mit schon existierenden Waffensystemen ist das eine, offen ist, ob der nächste Schritt bei der Biden Regierung noch Bestand hat. Um von See aus auch
tief im
Landesinneren gelegene Zeile
zu treffen, hat das
DoD unter Trump die Entwicklung von
21 cm Geschützen gestartet. Dieses Kaliber hatten
schwere Kreuzer im
Zweiten Weltkrieg, so die deutsche Prinz Eugen. Nach einer Studie ist das Gewicht für einen Turm mit einem, bei den Kreuzern auch mit zwei Geschützen, kompatibel mit den maximalen Lasten, für die die Decks ausgelegt sind. Der Vorteil liegt auf der Hand:
[B]• Zum einen ist die Reichweite schon wegen des größeren Kalibers und damit verringerten Luftwiderstand größer und liegt bei 70 km für normale Munition.
• Unterkalibrige Munition kann noch weiter verschossen werden, mit Antrieben ist bei derselben Sprengstoffmenge wie beim 155 mm Geschütz eine Reichweite von bis zu 320 km möglich und damit praktisch jeder Punkt im Iran, Syrien und Nordkorea erreichbar.
Pläne, mit der „intelligenten“ Munition auch anfliegende Raketen und Flugzeuge zu bekämpfen, wurden allerdings inzwischen begraben. Dafür scheinen offensichtlich Geschütze, bei denen man die Projektile nach dem Verlassen des Rohrs nicht mehr groß in der Richtung beeinflussen kann, kaum geeignet. Lediglich auf geringe Distanz wären die Geschütze effektiv, doch dann müssten sie auf eine schnelle Schussfolge ausgelegt sein, auf die sie anders als bestehende Geschütze der 76 und 127 mm Klasse nicht sind. Stattdessen arbeitet das
DoD seit Jahren an einem Lasersystem, das diese Aufgabe übernehmen soll – sowohl für die Army wie die Navy. Das Lasersystem funktioniert bei Tests auch gut. Das Hauptproblem ist es das zwischen zwei Schüssen zu viel Zeit vergeht, die Energie für den nächsten Impuls bereitzustellen. Die
Navy hat die Entwicklung nach Einführung eines Systems
2014 wider
eingestellt, will die Entwicklung nun aber
erneut aufnehmen. Immerhin scheint das Lasersystem eher umsetzbar als die
Railgun, die ebenfalls erprobt wurde und noch
mehr Energie für ein
Projektil benötigt.
China entwickelt diese Technologie aber weiter und hat einen Raketenzerstörer damit ausgerüstet.
Die Umrüstung der Schiffe ist nicht unumstritten. Sowohl verschiedene Non-Government Organisationen wie auch Teil der US-Medien sehen die große Gefahr, dass dann eine neue
Kanonenbootpolitik Einzug hält, sprich
Schiffe außerhalb der
12 Meilenzone militärische aber auch zivile
Ziele im
Landesinneren bombardieren, anstatt das bei Konflikten politische Lösungen gesucht werden. So soll Trump mehrfach
gefordert haben Anlagen im
Iran und
Nordkorea zu bombardieren die im Verdacht stehen Uran anzureichern.
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