Deutschlandfunk | 13.09.2020 von Christian Berndt
Vor 1950 Jahren in Judäa
Als die Römer Jerusalem zerstörten
66 nach
Christus mündete ein Aufstand in Roms Unruhe-Provinz
Judäa im jüdisch-römischen Krieg. Er endete im September 70 mit der
vollständigen Zerstörung Jerusalems durch die Römer. Doch die Aura einer Heiligen Stadt konnten die Römer Jerusalem damit nicht nehmen.
„Da das Heer jetzt nichts mehr zu morden hatte, befahl der Caesar, die ganze Stadt und den Tempel zu schleifen. Alle übrigen Teile der Stadtmauer machten die Sieger völlig dem Erdboden gleich. Ein so trauriges Ende nahm die prächtige, weltberühmte Stadt Jerusalem.“
So berichtete der jüdische Historiker und Zeitzeuge
Flavius Josephus über die vollständige Zerstörung Jerusalems durch die Römer im September des Jahres 70 n. Chr. Die
Niederschlagung des
jüdischen Aufstandes wirkte wie ein
Akt der
Vernichtung – vor allem die
Schleifung des Tempels, der als zentrales Heiligtum identitätsstiftend für die Juden war, schien auf eine
Auslöschung des
Judentums zu zielen.
...
Wie Rom teilte und herrschte
Römer und
Juden verband eine lange Beziehung.
200 Jahre zuvor hatte Rom den
Makkabäer-Aufstand gegen die Seleukiden-Herrschaft unterstützt, der Judäa erstmals seit der babylonischen Eroberung 597 v. Chr. die
Unabhängigkeit brachte. Aber nach Thronwirren in Judäa übernahm Rom selbst die Macht und setzte 40 vor Christus den jüdischen Vasallenkönig Herodes ein: Herodes ging daran, die Provinz zu
romanisieren, ersetzte die
Tora durch
römisches Recht. Das erzürnte
Traditionalisten wie die
Pharisäer – eine religiöse Erneuerungsbewegung, die unter der langen Fremdherrschaft entstanden war und
jüdische Traditionen gegen den Zeitgeist der vorherrschenden hellenistischen Kultur verteidigen wollte. Herodes nahm
große Rücksicht auf die
religiösen Traditionalisten – mit der Vergrößerung des Jerusalemer Tempels schuf er eine der größten Tempelanlagen der Antike. Doch
nach seinem
Tod wurden die sozialen Spannungen unübersehbar, so Ernst Baltrusch:
„Das war in der postherodianischen Zeit der entstehende Eindruck, die Eliten verdienen an der Zusammenarbeit und die Unterschichten tragen die Lasten. Und wenn man so ein Mittel hat, um seinen Unwillen, seinen Widerstand zum Ausdruck zu bringen wie die Religion, dann geht man diesen Weg.“
Die
Steuerlast der Römer traf vor allem die
Bauern. Die verarmten Unterschichten boten ein unerschöpfliches Reservoir für die
neuentstehenden religiösen Bewegungen, die in der Besatzung der Römer eine Entweihung heiligen Bodens sahen. Die Mischung aus
religiösen Erlösungsfantasien und sozialer Unzufriedenheit führte schließlich 66 n. Chr. zum Aufstand, obwohl König Agrippa II. in einer Rede flehentlich davor warnte:
„Es wird doch wohl niemand glauben, die Römer würden Milde walten lassen. Nein, sie werden zur Warnung für andere Völker die Heilige Stadt in Asche legen und euer ganzes Geschlecht ausrotten.“
Innerjüdischer Bürgerkrieg
Aber der Druck war zu groß, und es begann ein
selbstzerstörerischer Aufstand. Zusätzlich brachen auch noch
innerjüdische Kämpfe aus. Während die Römer Jerusalem belagerten, richteten
verfeindete Religionsgruppen in der Stadt ein
Blutbad an. Dazu Ernst Baltrusch:
„Die Besatzer auf dem Tempel waren stärker mit der Abwehr der eigenen Gegnergruppe beschäftigt, als damit, sich dem gemeinsamen römischen Feind entgegenzustellen.“
Am Ende des Aufstandes war Jerusalem
ausgelöscht. Aber die Bestrafung galt nicht den Juden generell, ihre
Privilegien – wie die Befreiung vom Militärdienst – blieben
erhalten. Der römische Oberbefehlshaber und spätere
Kaiser Titus wollte mit dem Jerusalemer Tempel nur einen
Unruheherd ausschalten, auch die Diaspora-Gemeinden im Reich blieben
unbehelligt.
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