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Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt („Hitler-Stalin-Pakt“)
In der Nacht vom
23. auf den
24. August 1939 unterzeichneten der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop und sein sowjetischer Amtskollege Wjatscheslaw Molotow im Beisein Josef Stalins in Moskau den
„Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“.
Zusammen mit dem gleichzeitig unterzeichneten geheimen Zusatzprotokoll markierte der „Hitler-Stalin-Pakt“ den Beginn einer deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit bei der territorialpolitischen Umgestaltung Osteuropas, deren Folgen über ein halbes Jahrhundert die Landkarte Europas bestimmten und teilweise noch heute bestimmen.
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Eine Besonderheit des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts war, dass er die Vertragspartner auch bei Gewaltakten eines der Unterzeichnerstaaten gegen dritte Länder zur Neutralität verpflichtete. Ihm fehlte die damals übliche Klausel, die den Vertragspartner von seinen vertraglichen Verpflichtungen entband, wenn die andere Seite einen Akt der Aggression vornahm. Damit bewahrte der Nichtangriffspakt das Deutsche Reich bei seinen Kriegsplanungen vor der Gefahr eines Zweifrontenkriegs.
Mit dem
Vertragsabschluss waren die
zeitgleich geführten Verhandlungen zwischen
Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion zur Schaffung einer
gegen das nationalsozialistische Deutschland gerichteten
„Großen Allianz“ gescheitert.
Indem die UdSSR einen Vertrag mit dem Deutschen Reich abschloss, erleichterte sie Hitler den Überfall auf Polen am
1. September 1939, mit dem er den Zweiten Weltkrieg entfesselte. Der Sowjetunion ermöglichte der Pakt die Ausdehnung ihres Territoriums nach Westen. Am 17. September 1939 marschierte die Rote Armee in den östlichen Teil Polens ein, der im geheimen Zusatzprotokoll der Sowjetunion zugesprochen war. Anlässlich des militärischen Sieges über Polen folgten gemeinsame Paraden von Wehrmacht und Roter Armee, z.B. in Brest-Litowsk und in Lemberg.
Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt erfuhr durch den kurz darauf geschlossenen
Grenz- und
Freundschaftsvertrag vom
28. September 1939, der weitere
drei geheime Zusatzprotokolle
enthielt, eine
nochmalige Bestätigung und
weitere Präzisierungen zum gemeinsamen Vorgehen in Polen.
Die im geheimen Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt noch enthaltene
Option zum Fortbestand eines polnischen Rumpfstaats wurde
verworfen. In Abwandlung der Bestimmungen des Nichtangriffspakts wurden die Woiwodschaft Lublin und Teile der Woiwodschaft Warschau dem Deutschen Reich zugeschlagen, Litauen dagegen der Sowjetunion.
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Weiterhin wurde der
genaue Grenzverlauf zwischen dem
Deutschen Reich und der
UdSSR festgelegt. Beide Vertragspartner
verpflichteten sich, etwaigen
polnischen Widerstand in ihrem Einflussbereich zu
unterbinden.
Literatur
- Brandes, Detlef (2011). Die Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, in: Kaminsky, Anna u.a. (Hrsg.)
(2011), S. 519-547.
- Kaminsky, Anna; Müller, Dietmar; Troebst, Stefan (Hrsg.) (2011). Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen
der Europäer. Göttingen: Wallstein.
- Oberländer, Erwin (Hrsg.) (1989). Hitler-Stalin-Pakt 1939. Das Ende Ostmitteleuropas. Frankfurt a. M.: Fischer.
- Pietrow, Bianka (1983). Stalinismus, Sicherheit, Offensive. Das Dritte Reich in der Konzeption der sowjetischen
Außenpolitik 1933 bis 1941. Melsungen: Schwartz.
- Weber, Reinhold W. (1980). Die Entstehungsgeschichte des Hitler-Stalin-Paktes 1939. Frankfurt a. M.: Lang.
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