
Zitat von
Flaschengeist
Wer damit nicht überfordert ist und Interesse hat.
Dich zwingt keiner, meine Beiträge zu lesen. Im nächsten Auszug beschäftigen wir uns warum der Mossad Barschel ausschaltete. Viel Spass beim Lesen.
Der BND-Kontaktmann arbeitete jetzt direkt mit dem Mossad-Verbindungsmann in Bonn zusammen, der seine Informationen an die geheime Mossad-Station in der Bonner Botschaft weiterleitete. Die Deutschen sagten, daß zur Sicherheit und für den glatten Verlauf der Operation der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein in das Geheimnis eingeweiht werden müßte. Sein Name war Uwe Barschel, er zählte zu den engen Freunden von Helmut Kohl.
Um sich seine Unterstützung zu sichern, kam man überein, daß der BND seinen Einfluß geltend machen würde, um Bundesgelder für eine krisengeschüttelte Kieler Werft locker*zumachen, wofür Barschel dann die Lorbeeren einheimsen könnte. Außerdem ging es um einen großen inter*na*tionalen Flughafen in der Region. Und man versprach noch verschiedene andere Dinge, die weder für den Mossad noch für [Mossad-Offizier] Ran von Interesse waren, der jetzt die Operation leitete.
Als ich den Mossad verließ, war das Training der Piloten voll im Gange. Außer den Simulatoren gab es noch einige umgebaute Cessnas, an denen die Piloten auf einem anderen Flugfeld, fünfundvierzig Minuten von Kiel entfernt, ausgebildet wurden. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie Ran damals zum Star aufstieg. (…)
Ran stellte irgendwann im März 1987 fest, daß am Horizont Gewitterwolken aufzogen. Es gab im Mossad und bei den rechten Elementen in der Regierung zunehmende Unzufriedenheit über das Verhalten von Kanzler Helmut Kohl, der direkten israelischen Warnungen bezüglich seiner Beziehung zum österreichischen Politiker [und ehemaligen UNO-Generalsekretär] Kurt Waldheim, den man als Nazi gebrandmarkt hatte, trotzte.
(Die »Brandmarkung« war von einer Mossad-Einheit vorbereitet worden, die in das UNO-Gebäude an der Park Avenue in New York eingedrungen war und verschiedene belastende Dokumente, die anderen Akten entnommen worden waren, in die Akten von Waldheim und einiger anderer Personen geschmuggelt hatte. Die gefälschten Dokumente wurden dann von dem israelischen Botschafter bei der UNO, Benjamin Netanyahu, »entdeckt«. Das war Teil einer Diffamierungs*kampagne gegen Waldheim, der den israelischen Aktivitäten im südlichen Libanon kritisch gegenüberstand.)
Kohl wischte die israelischen Drohungen als Nonsens beiseite und verursachte damit Wutausbrüche in israelischen Geheimdienstkreisen, wo er als “Klutz” mit einem großen Maul und schlechter Kinderstube beschimpft wurde.
Sorge bereitete der Mossad-Führung auch eine plötzliche politische Krise in Dänemark. Der dänische Geheimdienst bekam kalte Füße und bat darum, die Waffenlieferungen über Dänemark zeitweilig zu stoppen, bis man wüßte, wie sich die neue politische Situation im Land gestalten würde.
Der BND fragte nun bei Uwe Barschel um Erlaubnis an, die Häfen in Schleswig-Holstein für die Überführung der Waffen in den Iran benutzen zu dürfen. Barschel lehnte ab. Der Mossad hatte es nicht für notwendig erachtet, Barschel deswegen anzugehen. Der BND wußte allerdings nicht, daß der Mossad sich schon die Kooperation des Verfassungs*schutzes gesichert hatte. Deshalb kam es dazu, daß der BND an Barschel herantrat und ihm einiges mehr erzählte, als nötig war.
Doch der BND hatte Barschels Festigkeit in dieser Angelegenheit falsch eingeschätzt. Als Barschel ablehnte, gerieten alle in Panik. Sie erkannten, daß Barschel für sie zu einer Bedrohung werden könnte, wenn er sich dazu entschließen würde, Helmut Kohl über all diese Vorgänge zu informieren.
Es war sehr verführerisch, mehrere Fliegen mit einem Schlag erledigen zu können: Der Mossad hätte das Sagen bei der Kontrolle des neuen Politikers und könnte den BND als Partner einführen. Man könnte einen Störenfried, nämlich Barschel, eliminieren, der zwar kooperierte, aber nicht aus den richtigen Gründen. Er war nicht wirklich “gekauft”, wie es der Mossad bei seinen Politikern gerne hatte, sondern er nutzte die Situation nach Kräften, um, wie er meinte, das Beste für seine Wählerschaft rauszuholen, und gleichzeitig sicherte er seine politische Basis ab. Seine Beseitigung würde auch ein Schlag für Helmut Kohl sein, der gerade eine Wahl gewonnen hatte und sich deshalb nun noch unangenehmer aufführen würde als in der Vergangenheit.
Ran begann also Verbindungen zur Oppositionspartei [der SPD] zu knüpfen und kam in engen Kontakt mit einem ihrer Führer [Björn Engholm]. Er fühlte ihm auf den Zahn, ob er, für den Fall, daß er die Wahl gewänne, zur Mitarbeit mit denen, die ihm geholfen hätten, bereit wäre und sich erkenntlich zeigen würde. Jenem Oppositions*politiker wurde bedeutet, daß der BND hinter ihnen stehe und alles im besten Interesse Deutschlands geschehe.
Die Antwort übertraf alle Erwartungen Rans: Der Oppositionspolitiker, der keine Chance sah, die Wahl zu gewinnen, war zu jedem Versprechen bereit. Nachdem Ran diesen Politiker sicher in der Tasche hatte, was ihn eine neue Pfeife und etwas Tabak kostete, war es an der Zeit, Barschel aus der politischen Arena zu werfen.
Yoel, ein Einsatzoffizier von der Bonner Station, wurde zu dieser Operation herangezogen. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, als Kanadier mit deutschen Vorfahren aufzutreten, der sehr reich sei und nach Deutschland zurückkehren wolle. Bevor er den entscheidenden Schritt machte, plante dieser Kanadier angeblich, in Deutschland ein neues Unternehmen zu starten und mit dem politischen Establishment bekannt zu werden, damit er seine Firma optimal aufziehen und den größtmöglichen Vorteil aus seiner Rückkehr ziehen könnte.
Ein politischer Apparatschik in Barschels Partei [Reiner Pfeiffer], der von Ran und Yoel den Spitznamen »Whistler« (englisch: »to whistle« = pfeifen) erhielt, wurde ihr Zielobjekt. Ran lieferte der Mossad-Liaison eine Liste mit allen Leuten, die mit Barschel zusammen*arbeiteten und direkten Kontakt zu ihm hatten. Die Namen sollten durch die Polizei*computer in Kiel und Hamburg gejagt werden, um herauszufinden, ob über irgendeinen von ihnen etwas Nachteiliges bekannt war.
Der Name von »Whistler« hatte einen dunklen Fleck. Es stellte sich heraus, daß er der Mißhandlung einer Hamburger Prostituierten beschuldigt worden war, aber da es jemandem gelang, den Zuhälter auszuzahlen, wurde die Akte ohne förmliche Anklage geschlossen.
Yoel wurde »Whistler« durch einen Sayan [ein ziviler Mossad-Agent] vorgestellt, der »Whistler« laut seiner Mossad-Akte kannte. Nach einigen Schmeicheleien sagte Yoel zu »Whistler«, daß er nach Kanada zurückkehren müsse, und machte ihn mit Ran bekannt, der seinen Geschäftsberater in Deutschland mimte. Falls »Whistler« in seiner Abwesenheit irgend etwas benötige, könne er sich an Ran wenden, der autorisiert sei, ihm zu helfen.
Einige Tage nach Yoels angeblicher Abreise rief Ran »Whistler« an und verabredete ein Treffen, in dessen Verlauf er ihm klarmachte, daß er »Whistlers« politische Richtung nicht schätze, sondern die Opposition unterstütze. Ran erklärte ihm außerdem, daß er verpflichtet sei, Yoels Interessen nach bestem Wissen zu vertreten, weshalb er auf eigene Faust eine kleine Untersuchung vorgenommen habe.
Dabei sei er auf den Zwischenfall mit der Prostituierten gestoßen, was bedeute, daß »Whistlers« politische Karriere beendet sein dürfte, falls diese Tatsache an die Öffentlichkeit käme, und obendrein wären Yoels Investitionen auch verloren. Er schlug ihm dann vor, daß er ihm beim Sturz Barschels helfen solle. Ran war überrascht, mit welcher Begeisterung »Whistler« diesem Vorschlag zustimmte. »Whistler« sagte klipp und klar, daß er kein Fan von Barschel sei und alles tun würde, um ihn dranzukriegen.
Ran, der schon einen fertigen Plan in der Tasche hatte, um Barschel abzusägen, ging die einzelnen Schritte mit dem Mann, den er gerade rekrutiert hatte, bedächtig durch, um ihm das Gefühl zu geben, dieser wäre an dem Planungsprozeß beteiligt. Auch sollte ihm das Gefühl von eigener Wichtigkeit eingeflößt werden, unter anderem für den Fall, daß ihm die Schuld zugeschoben werden mußte, falls etwas schiefging.
Ihm wurde darüber hinaus gesagt, daß man sich finanziell großzügig um ihn kümmern werde, falls diese Operation seine politische Zukunft gefährde. Ran gab »Whistler« zu verstehen, daß er zu einer Organisation nach Art der Mafia gehöre und daß es ausgeschlossen sei, daß er seine Meinung ändere oder Geschehenes ungeschehen machen könne. Auch dürfe er über Ran kein einziges Wort verlieren.
Während dieser ganzen Zeit fütterte der Mossad den Verfassungsschutz des Bundes*landes mit falschen Informationen über Barschels angebliche geheime Waffen*geschäfte und sonstige illegale Transaktionen, an denen sein Bruder beteiligt sei, quasi als Strohmann Barschels.
Der Plan wurde von [Mossad-Offizier] Mousa gutgeheißen, der für Operationssicherheit in Europa zuständig war und damals auch als Chef für Europa fungierte. Bei dieser ganzen Sache hielt man den BND draußen. Ran ließ »Whistler« [Pfeiffer] falsche, aber sehr schädigende Informationen über die Führer der Opposition im allgemeinen und den Spitzenmann der Opposition [Engholm] im besonderen in der örtlichen Presse verbreiten, ohne die Quelle der Gerüchte verlauten zu lassen.
Als die Wahlen näher rückten, wurden Mossad-Leute aus Belgien ins Land gebracht, um als Privatdetektive aufzutreten, die anzuheuern Ran »Whistler« empfohlen hatte. Sie agierten höchst auffallend, fuhren bei ihrer Überwachung teure Autos und sammelten auf sehr amateurhafte Weise Material über den Oppositionsführer, wodurch sie natürlich die Aufmerksamkeit auf sich lenkten.
Die Sache wurde so durchgezogen, daß höchstens ein Reporter der »Braille Times« [d.h. ein Blinder] nicht in der Lage gewesen wäre, es als das zu erkennen, was es war: eine Schmutzkampagne.
In der letzten Minute, als Dementis von Barschel zu spät gewesen wären, um noch den Wahlausgang zu beeinflussen, gab »Whistler« zu, daß er hinter den schmutzigen Tricks stecken würde. Er gab an, daß er dazu von Barschel beauftragt worden sei, wodurch er endgültig die Karriere eines Politikers beendete, der sich nicht kooperativ zeigte, und einen Mann ans Ruder brachte, der dazu bereit war. Außerdem wurde Kohl dadurch in arge Bedrängnis gebracht. Alle Proteste Barschels, daß er unschuldig sei, wurden als politische Rhetorik beiseite gewischt.
Victor Ostrovsky, Geheimakte Mossad, S.289 ff.