Forbes ADVIOR / 25.09.2023 (Auszug)
Rezession: Was ist das und was sagen die Prognosen für Deutschland?
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Was bedeutet Rezession eigentlich?
Rezession ist ein Wort aus der Volkswirtschaftslehre und bezeichnet im Fachjargon den
Rückgang der
Konjunktur. Übersetzt heißt das:
Die Wirtschaftsleistung eines Landes, also das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpft, es ist negativ.
Passiert das
zwei Quartale hintereinander, spricht man von einer
technischen Rezession. Hält die Phase über einen
längeren Zeitraum an, folgt eine
Depression.
Man misst dabei das preis-, saison- und kalenderbereinigte BIP.
Kalender- und saisonbereinigt bedeutet, etwa die Zahl der Verkaufstage oder der Feiertage aus den Messzahlen herauszurechnen und die Jahresdaten somit vergleichbar zu machen. Preisbereinigt bedeutet grob, dass Preiseinflüsse, also Inflation, herausgerechnet werden. Vor einer
Rezession beginnt die Konjunktur in der Regel zu
stagnieren. Ein erstes Anzeichen ist daher, wenn Berichte über die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage die allgemeinen Nachrichten dominieren.
Stehen wir in Deutschland vor der Rezession?
Deutschland steckte bereits in einer Rezession, nachdem im
vierten Quartal 2022 und (revidiert) im ersten
Quartal 2023 die Wirtschaftsleistung rückläufig war. Im zweiten Quartal 2023 lag das Wirtschaftswachstum bei
null. Ob Deutschland erneut in eine Rezession rutscht, kommt es auf das Abschneiden der Wirtschaft in den kommenden beiden Quartale an. Die Öffentlichkeit erwartet dazu das Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Ende September 2023.
Wenn man den Experten aktuell lauscht, ist eine Rezession in Deutschland wahrscheinlich. In ihrer Sommerprognose senkte die EU-Kommission die Erwartung für das Wirtschaftswachstum der Eurozone für 2023 von 1,1 auf 0,8 Prozent. Für die Bundesrepublik erwarte man ein
negatives Wachstum von 0,4 Prozent für 2023. Die größte Volkswirtschaft Deutschland ziehe damit den Durchschnittswert nach unten. Zuvor hatte auch der Internationale Währungsfonds eine
negatives Wachstum für Deutschland in
2023 prognostiziert.
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Was passiert bei einer Rezession und wie kommt es dazu?
Eine Rezession macht sich meist so bemerkbar, dass die
Nachfrage nach verschiedenen Gütern und Dienstleistungen abnimmt. Menschen
kaufen weniger ein (halten sich beim Konsum zurück), das Bruttoinlandsprodukt (BIP)
sinkt und die Wirtschaftsleistung
verschlechtert sich. Unternehmen bieten mehr an, als Konsumenten kaufen wollen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Ursprung einer Rezession in
strukturellen Veränderungen liegt. Sobald Unternehmen zum Beispiel gezwungen sind, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken oder ganz zu entlassen, ist eine Rezession möglich.
Aber auch finanzielle Faktoren können dazu beitragen. Zum Beispiel, wenn Unternehmen während einer wirtschaftlichen Hochphase die Nachfrage überschätzen, zu viel in den Produktionsaufbau investieren und im Anschluss die Kapazitäten wieder zurückfahren müssen – oder wenn Unternehmen nicht ausreichend Geld für mehr Wachstum zur Verfügung haben.
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Diese Folgen hat eine Rezession für …
… den Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt wird von einer Rezession normalerweise am härtesten getroffen und im Extremfall lahmgelegt. Es droht ein Teufelskreis: Unternehmen mit stagnierenden oder abnehmenden Absatzzahlen entlassen Mitarbeiter oder schicken sie in Kurzarbeit. Dadurch verlieren die privaten Haushalte an Einkommen, was sich negativ auf das Konsumverhalten und damit auf die Konjunktur auswirkt. In der aktuell wirtschaftlich schwierigen Situation zeigt sich der Arbeitsmarkt aber überraschend stabil.
… die Kreditnachfrage
Bei der Kreditnachfrage geschieht ähnliches wie beim Konsumverhalten: Die Nachfrage nimmt ab oder bleibt aus. Das wiederum sorgt dafür, dass keine größeren Investitionen gemacht werden, die die Wirtschaft wieder ankurbeln könnten.
… den Immobilienmarkt
Immobilienpreise könnten in einer Rezession fallen. Verlieren die Haushalte wegen Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit an Einkommen, könnte eine Anschlussfinanzierung platzen oder die Kreditlast wird plötzlich zu hoch. Derzeit ist der Immobilienmarkt sehr angespannt. Während Bauzinsen derzeit auf hohem Niveau stagnieren, sind Immobilienpreise noch nicht deutlich gesunken. Eine Rezession könnte eine Kehrtwende markieren.
… die Börse
Auch die Börse ist in aller Regel vom Rückgang der Konjunktur betroffen. Insbesondere, weil Unternehmen potenziell weniger Gewinn machen, kannst Du nicht länger mit soliden Dividenden rechnen. Vom letzten Börsencrash nach der Finanzkrise 2008 haben sich einige Firmen bis heute nicht ganz erholt.
… Anleger
Hast Du Geld in Aktien gesteckt, wird sich eine Rezession wohl auch in Deinem Depot bemerkbar machen. Branchen, die von der Rezession in der Regel besonders hart getroffen werden, sind das Baugewerbe, der Maschinenbau oder die Automobilwirtschaft. Hast Du besonders viele Aktien aus diesem Bereich im Portfolio, dürfte Dein Depotwert deutlich sinken. Wichtig ist daher, Deine Anlagen von vornherein ausreichend über Länder, Branchen und Währungen zu streuen. Statt Einzelaktien sind passive Indexfonds (ETFs), die die größten Aktien der Welt bündeln, oft die bessere Wahl.
… die Zinsen
Eine Rezession lässt sich oft schon im Vorfeld anhand der Zinsentwicklung erkennen. Denn um die Konjunktur und den Konsum anzukurbeln, senken die Zentralbanken normalerweise den Leitzins. Dadurch werden Kredite und Konsum wieder attraktiver, weil Kreditzinsen und Sparzinsen sinken. Aktuell stecken wir aber in einer Situation. Trotz schwacher Wirtschaft hat die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Wochen die Leitzinsen mehrfach erhöht. Das tut sie, um die durch hohe Energie- und Lebensmittelpreise getriebene Inflation abzuschwächen.
Dabei geht es vor allem darum, Unternehmen, Investoren und Verbrauchern Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit zu beweisen. Eine Sache sind Preissteigerungen knapper Güter wie Energie und Lebensmittel – dagegen kann die EZB wenig tun. Sie kann aber dafür sorgen, dass Menschen die aktuellen Teuerungsraten nicht als das „new normal“ ansehen und pro-forma Preise erhöhen. Denn das erst wäre die gefährliche Spirale: Preise steigen, weil alle denken, das sie steigen.
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