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DOSSIER - Die Geschichte Palästinas
Seit Jahrzehnten setzen sich die Palästinenser und arabischen Nationen für einen unabhängigen Staat Palästina ein. Juden und Muslime erheben beiderseits Anspruch auf das „Heilige Land“. Seit der offiziellen Teilung des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina durch die Vereinten Nationen im Jahr 1947 ist die Geschichte des Landes von blutigen Kämpfen zwischen Israelis und den arabischen Völkern geprägt. Bei den
Vereinten Nationen hat
Palästina seit 2012 einen Beobachterstatus inne. Fast
140 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben den
Staat Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, aber dennoch ist die Staatlichkeit Palästinas völkerrechtlich umstritten.
Ein
unabhängiger palästinensischer Staat ist das erklärte Ziel der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft. Doch wie kann das gelingen, wenn die wichtigsten Fragen um das Territorium Palästinas, um israelische Siedlungen, Jerusalem und die palästinensischen Flüchtlinge nicht geklärt sind und es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt? In diesem Dossier erhalten Sie einen Überblick über die (Vor-)Geschichte Palästinas und zentrale Ereignisse des israelisch-palästinensischen Konflikts.
Vorgeschichte
Die historische Region
Palästina liegt an der südöstlichen Küste des Mittelmeeres. Sie bezeichnet ein Gebiet, auf dem sich heute der Staat
Israel, der
Gazastreifen, das
Westjordanland,
Teile Syriens, des
Libanon und
Jordaniens (das Ostjordanland) befinden.
Schon in der Altsteinzeit gibt es Spuren von Siedlungen auf palästinensischem Boden. Ca. 9000 v. Chr. wurde Jericho gegründet. In der Bronzezeit (3300 v. Chr.) bevölkerten die
Kanaaniter das Land. Die heutige palästinensische Nationalbewegung beruft sich gerne auf die Kanaaniter als vermeintlich direkte Vorfahren der heutigen Palästinenser. Hierbei handelt es sich jedoch um einen pseudo-historischen Mythos. Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand, stammen sowohl
Teile der
jüdischen als auch Teile der
arabischen Bevölkerung von den
Kanaanitern ab.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. ist erstmals von
„Hebräern“, einer frühen Bezeichnung für Angehörige des Volkes Israel, die Rede. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts v. Chr. tauchen die aus dem
ägäischen Raum stammenden
Philister auf, Angehörige der sogenannten Seevölker. Danach regierten die
Israeliten, die
Assyrer, die
Babylonier und die
Perser das Land.
Es folgten Alexander der Große, die
Ptolemäer, die
Seleukiden, die
Römer, die
Byzantiner, die verschiedenen Dynastien der
muslimischen Araber, die 691 auf dem Tempelberg / Haram al-Scharif in Jerusalem den Felsendom errichteten. Von diesem Zeitpunkt an gab es neben einer
jüdischen und einer
christlichen auch eine
muslimische Präsenz in Palästina. Mit dem Beginn der Kreuzzüge am Ende des 11. Jahrhunderts n. Chr. wurden in Palästina
vier christliche Kreuzfahrerstaaten errichtet.
Sunniten besiegten 1187 die Kreuzfahrer, besetzten Palästina und eroberte Jerusalem.
Mamlukische Dynastien beherrschten Palästina seit 1291.
Osmanischen Türken besiegten
1516 die Mamluken,
Palästina wurde bis
1917 in das
Osmanische Reich eingegliedert.
Britisches Mandat über Palästina 1923
Im Ersten Weltkrieg eroberten britische Truppen 1917/18 Palästina. Das Land wurde
britisches Mandatsgebiet, bestätigt durch den Völkerbund im Juli 1922 und die Balfour-Erklärung, die 1923 in Kraft trat. Im Laufe der britischen Mandatsherrschaft über Palästina verschärften sich die
jüdisch-palästinensischen Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft im Lande immer mehr. Ein Grund war die zunehmende jüdisch-zionistische Einwanderung aus europäischen Ländern, in den Juden verfolgt wurden. Mehrere Einwanderungswellen ließen seit Ende des 19. Jahrhunderts den jüdischen Bevölkerungsanteil in Palästina bis 1945 auf rund 30 Prozent anwachsen. Die Briten bekamen den Konflikt nicht mehr unter Kontrolle. So kündigten sie unter dem Druck der Ereignisse an, das Mandat für Palästina an die Vereinten Nationen zurückzugeben.
UN-Teilungsbeschluss 1947
Im Mai 1947 gründeten die Vereinten Nationen den Sonderausschuss UNSCOP (United Nations Special Committee on Palestine), um eine
Lösung für den schwelenden Konflikt zu finden. Während die Vertreter der jüdischen Bevölkerung mit den Mitgliedern des UN-Komitees zusammenarbeiteten, wurde der Ausschuss von arabischer Seite boykottiert. Konkret hatte dies zur Folge, dass die im britischen Mandatsgebiet lebende arabische Bevölkerung
nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden wurde.
In ihrem am 1. September 1947 veröffentlichten Bericht empfahlen die Mitglieder des UNSCOP die Beendigung des britischen Mandats und die Teilung des bisherigen Mandatsgebiets. Die UN-Generalversammlung folgte der Empfehlung der Kommission und beschloss am
29. November 1947 die
Teilung Palästinas in einen
arabischen und einen
jüdischen Staat zwischen Jordan und Mittelmeer. Jerusalem sollte unter
internationaler Verwaltung stehen.
Der Teilungsplan orientierte sich grob an den bestehenden Siedlungsverhältnissen. Die mehrheitlich arabisch besiedelten Landesteile wurden dem zu gründenden arabisch-palästinensischen Staat zugeschlagen. Auf dem Gebiet des künftigen israelischen Staates war die jüdische Bevölkerung in der Mehrheit – allerdings lebte hier auch ein großer arabischer Bevölkerungsanteil. Die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse bildete der Teilungsplan aus Sicht der arabisch-palästinensischen Bevölkerung jedoch nicht adäquat ab. Im britischen Mandatsgebiet lebten 1947 rund 1,2 Millionen arabische Palästinenser und etwa 600.000 Juden. Zudem waren die arabischen Palästinenser 1947 noch im Besitz eines Großteils des Landes gewesen, darunter auch die Regionen der unfruchtbaren Negev-Wüste. Dennoch sollte der arabische Staat gemäß Teilungsplan lediglich rund
43 Prozent der Gesamtfläche des britischen Mandatsgebiets umfassen, während für den jüdischen Staat rund
56 Prozent der Fläche vorgesehen waren.
33 Staaten stimmten für die Resolution, 13 stimmten dagegen, darunter die sechs arabischen Mitgliedstaaten, 10 enthielten sich der Stimme. Die arabischen Staaten lehnten den Teilungsplan ab. Ihrer Meinung nach hätten die Vereinten Nationen nicht das Recht, über Palästinas Zukunft gegen den Willen und auf Kosten der dort lebenden arabischen Mehrheit zu entscheiden. Die jüdische Bevölkerung nahm den Plan an. Er stellte ihnen einen eigenen Staat mit breiter internationaler Anerkennung auf dem Boden des „Landes Israel“ in Aussicht. Auf arabischer Seite ging die Ablehnung hingegen so weit, dass das Arabische Hochkomitee in Palästina auf die Gründung eines palästinensisch-arabischen Staates verzichtete und damit die Chance verpasste, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu verwirklichen.
Einen Tag nach der Proklamation des UN-Teilungsplans für Palästina begann der zionistisch-arabische Bürgerkrieg. Anfang Dezember rief das Arabische Hochkomitee einen dreitägigen Generalstreik aus. Aufgrund mangelnder Kooperation und Organisation der arabischen Milizen konnte die zionistische Untergrundorganisation Hagana den Aufstand der palästinensischen Araber niederschlagen. Während des Bürgerkriegs wurden von beiden Seiten
keine Gefangenen gemacht, da keine Mittel für deren Bewachung bereitstanden. Auf beiden Seiten kam es zu Übergriffen und zur Tötung von Zivilisten. Hunderttausende Palästinenserinnen und Palästinenser flüchteten.
Mit Beschluss des Teilungsplans kündigten die Briten die Rückgabe des Mandates für den 15. Mai 1948 an. Am 14. Mai verließen die letzten Truppen Palästina. David Ben-Gurion, der designierte israelische Ministerpräsident, rief im Namen des Jüdischen Nationalrates am gleichen Tag den unabhängigen souveränen Staat Israel aus.
Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung erkannten die Weltmächte
USA und
Sowjetunion Israel diplomatisch an. Die arabische Antwort auf die Proklamation ließ nicht lange auf sich warten. Am 16. Mai 1948 marschierten arabische Armeen, insbesondere die Ägyptens, Jordaniens, Syriens, des Libanons, des Iraks und Saudi-Arabiens, in Israel ein.
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