Bürgerkrieg im Jemen: Hintergründe des Konflikts
Im Jemen herrscht ein Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung. Neue Dynamiken auf regionaler Ebene machen Hoffnung auf positive Entwicklungen in diesem seit nunmehr acht Jahren andauernden Konflikt. Islamwissenschaftlerin und Vorstandsvorsitzende des „Center for Applied Research in Partnership with the Orient“ (CARPO) Marie-Christine Heinze analysiert den Konflikt und stellt die aktuelle Situation im Jemen dar.
Seit
2014/15 leiden die Menschen im Jemen unter einem Bürgerkrieg, der, geführt mit
internationaler Beteiligung, inzwischen laut Angaben der Vereinten Nationen zur größten humanitären Katastrophe unserer Zeit geführt hat. Nach einem mehrmonatigen Waffenstillstand zwischen April und Oktober 2022 und einer fortgesetzten relativen Waffenruhe auch ohne formales Abkommen, haben sich die Kriegshandlungen vor allem auf die wirtschaftliche Ebene verlagert. Darunter leiden vor allem die Menschen im Land und so ist die humanitäre Lage weiterhin katastrophal.
Der Bürgerkrieg im Jemen: Vorgeschichte
Seit der Einnahme der Hauptstadt Sana’a durch die Huthi-Rebellen im September 2014, in manchen Regionen jedoch schon seit 2011 und davor, tobt im Jemen ein gewaltsamer Konflikt um politische Macht und den Zugang zu Ressourcen. Im Januar 2015 trat Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi unter zunehmendem Druck der Huthis, die im Herbst 2014 gemeinsam mit Anhänger*innen des 2011 gestürzten Präsidenten Ali Abdallah Salih die Hauptstadt eingenommen hatten, zurück und floh in der Folge aus der Hauptstadt.
In
Saudi-Arabien bat er um Unterstützung im Kampf gegen die Rebellen und im März 2015 griff das Königreich an der Spitze einer Koalition aus sunnitisch regierten arabischen Staaten, der „saudisch-geführten Koalition“, in den Konflikt ein. Wichtigster Partner in dieser Allianz sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), mit deren militärischer Unterstützung es lokalen südjemenitischen Kräften im Sommer 2015 gelang, Aden und große Teile des Südens von den Huthi/Salih-Milizen zu befreien. Im Dezember 2017 töteten die Huthis ihren Verbündeten Ali Abdallah Salih.
Aktuell steht den Huthis eine Allianz aus unterschiedlichen, zum Teil miteinander verfeindeten Kräften gegenüber. Deren wichtigste Repräsentanten sind seit dem Rücktritt von Präsident Hadi im April 2022 im Präsidialen Führungsrat (auch: Präsidialrat) unter dem Vorsitz von Rashad al-Alimi vertreten. Die Zusammenarbeit in diesem Rat gestaltet sich jedoch als schwierig, da die hier vertretenen Kräfte alle ihre eigene Agenda haben.
Dies gilt ganz besonders für viele südjemenitischen Kräfte, allen voran der von den VAE unterstützte Südübergangsrat, der mittelfristig die Unabhängigkeit des Südjemens („Südarabien“) vom Nordjemen anstreben (bis zur Vereinigung 1990 waren diese beiden Landesteile eigenständige Republiken).
Ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran
Das Eingreifen der Saudis in den Konflikt ist vor allem mit der Unterstützung der Huthis durch den
Iran zu begründen. Man wollte verhindern, dass an der Südflanke des Königreichs ein weiteres Land unter den Einfluss des regionalen Erzrivalen gerät. Das
sunnitisch-wahhabitisch geprägte Saudi-Arabien, dessen Militär weitaus schwächer ist als das des Iran, fühlt sich zunehmend von pro-iranischen und
schiitischen Gruppierungen umzingelt, so u.a. in
Syrien, dem
Irak, Bahrain und dem
Libanon.
Das Erstarken
iranischen Einflusses, so befürchtete man im Königreich, schwäche die regionale Rolle Saudi-Arabiens und damit auch die Stabilität des Königshauses. Der Iran unterstützt die Huthis schon seit vielen Jahren, u.a. finanziell, logistisch und auch in zunehmendem Maße durch die Lieferung von Waffen. Die Huthis sind jedoch entgegen saudischer Wahrnehmung kein von Iran aus gesteuerter Akteur; sie nehmen zwar Ratschläge aus dem Iran an, haben aber auch immer wieder entgegen iranischen Empfehlungen gehandelt.
Die saudisch-geführte Koalition wird auf
internationaler Ebene insbesondere von den
USA und auch
Großbritannien militärisch unterstützt. In beiden Ländern wuchs jedoch in den letzten Jahren der Widerstand gegen diese Unterstützung, vor allem vor dem Hintergrund der humanitären Lage im Jemen. Deutschland hat sich im Einklang mit UN-Sicherheitsratsresolution 2216 vom April 2015 ebenfalls deutlich auf Seiten der international anerkannten Regierung positioniert und (mit Unterbrechungen) auch immer wieder Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Amnesty International hat berichtet, dass sie unter anderem auch in den Händen von VAE-unterstützten Milizen landen, denen Menschrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
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