Queer.de / 12. September 2018
Studie
Junge Transmänner haben höchstes Suizidrisiko
Eine US-Studie zeigt erschreckende Zahlen: Über
50 Prozent der jungen Frau-zu-Mann-Transsexuellen haben bereits versucht, sich das Leben zu nehmen.
Mehr als die Hälfte der
jungen Transmänner in den USA hat einen
Suizidversuch unternommen. Das ist das Ergebnis einer Studie der
University of Arizona in Tucson, die am Dienstag im Fachmagazin
"Pediatrics" veröffentlicht wurde.
Die Forscher unter Führung des Psychologie-Professors Russell Toomey hatten dafür Daten von mehr als
120.000 jungen Teilnehmern der
"Attitudes and Behavior"-Studie ausgewertet, die Verhaltensweisen, Einstellungen und Erfahrungen von Schülern und Studenten in den Vereinigten Staaten untersucht hatte.
Den Daten zufolge gaben
50,8 Prozent der jungen Transmänner an, im Alter zwischen elf und 19 Jahren mindestens
einmal versucht zu haben, sich das Leben zu nehmen. Unter nicht-binären Transpersonen – also den Befragten, die sich weder als ausschließlich männlich noch als ausschließlich weiblich ansehen – hatten
41,8 Prozent mindestens einen Selbstmordversuch hinter sich. Unter Transfrauen liegt die Rate bei
29,9 Prozent. Von den jungen Menschen, die ihre Geschlechtsidentität in Frage stellten, gaben immer noch
27,9 Prozent an, mindestens
einmal versucht zu haben, sich zu töten.
Cisgender-Teenager – also junge Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt – zeigen weit niedrigere Raten von Suizidversuchen auf: Unter Mädchen und jungen Frauen liegt die Rate bei 17,6 Prozent, unter Jungs und jungen Männern bei 9,8 Prozent.
Auch Homo- oder Bisexualität ist ein Faktor bei Suizidversuchen
Die Autoren fanden in der Studie auch heraus, dass eine
nicht heterosexuelle Orientierung in fast allen Gruppen dazu beitrug, das Suizidrisiko erheblich zu
steigern. Einzige Ausnahme: Bei nichtbinären Transpersonen gab es keine Unterschiede. Hauptautor Russell Toomey führte das darauf zurück, dass sexuelle Orientierung darauf basiere, zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden.
"Bei nicht-binären Jugendlichen könnte die Kombination von Geschlecht und sexueller Orientierung etwas komplizierter sein", so Toomey.
Auch andere Faktoren beeinflussen das Risiko, einen Suizidversuch zu unternehmen. Bei allen Befragten erhöht die Zugehörigkeit zu einer
ethnischen Minderheit, ein
niedriger Bildungsgrad der
Eltern oder das
Aufwachsen in
ländlichen Regionen das Selbstmordrisiko unter Jugendliche. Unter Transpersonen machen diese zusätzlichen Faktoren allerdings kaum einen Unterschied.
Beim Faktor der ethnischen Zugehörigkeit konnten die Forscher sogar überhaupt keine Unterschiede unter Trans-Teenagern feststellen. Toomey begründete das damit, dass junge Menschen, die als Angehörige ethnischer Minderheiten aufwachsen, bereits Ausgrenzung gewohnt seien. "Ein Jugendlicher lernt, wie er mit der Marginalisierung aufgrund seiner Identitäten umgehen kann und das könnte ihm helfen, mit der Überschneidung mehrerer Identitäten umzugehen", so Toomey.
Bereits mehrfach hatten Studien
weit höhere Raten an
Suizidversuchen unter
Transpersonen gemessen. Dabei, so zeigte eine US-Studie aus dem Jahr 2016, ist nicht die Transsexualität das Problem, sondern die
Ablehnung durch die Umwelt (queer.de berichtete). Forscher empfehlen daher, Cis-Jugendliche bereits früh für die Thematik zu sensibilisieren und gleichzeitig bessere Hilfsangebote für junge Transpersonen zu schaffen.
Unter jungen Amerikanern zwischen zehn und 34 Jahren ist Selbstmord die
zweithäufigste Todesursache – nach Verkehrsunfällen. (dk)
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