" Zum Schutz von Eigentum und Leben " - Zwei Jahrhunderte US-Militaerpolitik in Lateinamerika / Teil B

Netzwerk Friedenskooperative AUSGABE 2 / 1992 von Jochen Hippler

Intervention durch offene Invasion


Der Einsatz militärischer Mittel in der amerikanischen Lateinamerikapolitik ist kaum jemals voraussetzungslos, ohne bestimmte politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfolgt. Er war ein politisches Herrschaftsinstrument neben anderen, und meist nicht einmal das wichtigste. Außerdem waren und sind militärische Mittel in der Regel in andere Politiken eingebunden. Sie sind nur der drastischste Ausdruck einer umfassenderen Politik der Dominanz.

Bezogen auf US-amerikanische Militäreinsätze in Lateinamerika sollten drei Kategorien analytisch getrennt werden, auch wenn sie sich überlappen. Zuerst einmal gibt es Fälle direkter Invasionen mit konventionellem militärischen Charakter. Die Eroberung der Karibikinsel Grenada im Oktober 1983 oder des mittelamerikanischen Staates Panama im Dezember 1989 sind neuere Beispiele. In solchen Fällen greifen US-Truppen zu Land, Luft und See je nach Umständen die Streitkräfte eines lateinamerikanischen Staates an. Wenn der Kampf sich tatsächlich auf eine Auseinandersetzung zwischen Armeen beschränkt und nicht etwa zum Guerillakrieg wird ist ein Sieg der US-Truppen wegen ihrer zahlenmäßigen und waffentechnischen Überlegenheit sicher. Falls die Intervention allerdings gegen Aufständische, Guerillas oder in anderen etwas unklaren Situationen unternommen wird, können die materiell überlegenen US-Truppen konventionell kaum wirksam eingesetzt werden, und der Ausgang des Konfliktes ist unsicherer. Der Kampf Sandinos in den zwanziger und dreißiger Jahren unterstreicht diesen Punkt.

Eine zweite Kategorie von US-Militäreinsätzen trägt eher unkonventionellen Charakter. Das moderne Stichwort hierfür ist "Kriegführung niedriger Intensität", Low-intensity-warfare. Diese Interventionsform minimiert die direkte Rolle des US-Militärs. Sie will den Konflikt in einem Zielland primär als politisch-ökonomische Auseinandersetzung begreifen und die militärischen Maßnahmen darauf abstimmen. Militäroperationen in diesem Zusammenhang sind nicht im engeren Sinne daran orientiert, einen Krieg militärisch zu gewinnen, sondern einen politischen Sieg zu ermöglichen und abzusichern. Beispiele sind etwa die Kampagnen der Aufstandsbekämpfung der sechziger oder achtziger Jahre in Ländern wie Bolivien oder El Salvador.

Klassische Fälle solcher Operationsformen wurden unter der Präsidentschaft John F. Kennedys eine Doppelstrategie: die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Lateinamerikas sollte durch ein "Hilfsprogramm" der "Allianz für den Fortschritt" gefördert werden, während neue Counter-insurgency-Strategien und Instrumente dies militärisch und repressiv absichern sollten. Beides waren zwei Seiten einer Medaille, es ergab aus US-Perspektive nur zusammen einen Sinn. Auf diese Weise konnte der Export der kubanischen Revolution erfolgreich verhindert werden.

Ähnlich war es bei der lehrbuchhaften Counter-insurgency-Kampagne in El Salvador der achtziger Jahre. Auch in diesem Fall blieb die direkte militärische Rolle der USA begrenzt, US-Kampfeinheiten wurden nicht eingesetzt. Trotzdem erwies sich die Kampagne, zumindest seit der Jahreswende 1983/84 als wirksam genug, die FMLN von der Macht fernzuhalten. Auch in diesem Fall spielte großzügige Wirtschaftshilfe, soziale "Reformen" eine entscheidende Rolle, die von der Effektivierung militärischer Operationen der salvadorianischen Armee durch US-Berater und Waffen nur flankiert wurde.

Inszenierung von Staatsstreichen

Aufstandsbekämpfung war den USA aber nicht genug. Eine andere Operationsform bestand in der Organisierung und Unterstützung subversiver Aktivitäten in lateinamerikanischen Ländern. In gewissem Sinne stellten bereits die Eroberungsversuche des William Walker oder die Abtrennung Panamas von Kolumbien zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts solche Fälle dar.

Das moderne Grundmuster allerdings wurde 1954 in Guatemala erprobt, als der US-Auslandsgeheimdienst CIA durch eine Gruppe guatemaltekischer Söldner eine frei gewählte Regierung stürzten. Eine sehr ähnliche Operation sieben Jahre später gegen Kuba (Invasion in der Schweinbucht) scheiterte allerdings kläglich.

Zu einer neuen Blüte und ideologischen Überhöhung solcher Aktivitäten kam es in den achtziger Jahren: Die "Reagan-Doktrin" erklärte es zum Recht und zur Pflicht der USA, "demokratische Freiheitskämpfer" auch mit Waffen zu unterstützen die offizielle Begründung für den jahrelangen Krieg der Contras gegen Nicaragua. Auch diese Form von Low-intensity-warfare war wieder keine primär militärische Angelegenheit.

Sie war in eine massive Propagandakampagne, einen Wirtschaftsboykott und andere Maßnahmen eingebettet.

Eine dritte Kategorie US-amerikanischer Militärintervention, die allerdings mit Strategien von Low-intensity-war fare verwandt ist und in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen kann, ist die Unterstützung, Auslösung oder Durchführung von Staatsstreichen. Der Militärputsch war vor allem in den sechziger und siebziger Jahren ein militärisches Instrument der US-Lateinamerikapolitik. Die nachgewiesene Rolle der CIA beim Putsch gegen die Regierung Allendes in Chile (1973), die bis zur Zusammenstellung von Verhaftungslisten von Oppositionellen und einer Teilfinanzierung reichte, oder die Rolle der USA beim Militärputsch in Brasilien (1964) sind wichtige Beispiele. Mit geringem personellen oder materiellen Einsatz gelang den USA auf diese Weise eine wirksame Beeinflussung der Entwicklung in zentralen Ländern Lateinamerikas.

Insgesamt wird deutlich, daß die Vereinigten Staaten praktisch seit ihrer Staatsgründung eine Politik imperialer Ausdehnung und Dominanz in Lateinamerika verfolgten. Auch wenn in diesem Rahmen oft mit idealistischen und moralischen Kategorien argumentiert wurde "Amerika den Amerikanern", "Zivilisation", "Schutz des Lebens und Eigentums", "Menschenrechte", "Demokratie" so handelte es sich doch um Machtpolitik, die auf die Etablierung und Aufrechterhaltung einer Einflußzone zielte.

Militärische Mittel wurden und werden mit großer Selbstverständlichkeit angewandt, wenn und falls sie erfolgversprechend sind. Darüber sollte aber nicht vergessen werden, daß die wichtigste Basis amerikanischer Hegenomie in Lateinamerika über ökonomische Kategorien und kulturelle Mechanismen gesichert wird. Militärische Interventionen in ihren unterschiedlichen Formen kommen nur flankierend oder dann zum Zuge, wenn andere Dominanzmechanismen gescheitert sind.

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