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Wie mein Opa das Zusammenleben mit einem Russen in einer Mühle bei Grünberg (Schlesien) beschrieb.
Es waren meist Abendstunden, die uns zusammenführten. Wir saßen meist auf einer Bank auf dem Hof, gleich neben der Eingangstür zur Mühle oder am Rande des Mühlteiches. Wenn wir schwiegen, hörten wir die Mühle summen. Oft saßen wir auch still nebeneinander, hingen unseren Gedanken nach. Peter, den Karabiner zwischen den Beinen, ich in meinem weißen Müllerkittel. „Krieg nicht gut, Frieden schön“, so beendete Peter manches Gespräch und klopfte mir dabei auf die Schulter. Das löste mich aus dem Nachdenken. Peter konnte unvermittelt zu einem Scherz übergehen. Er war ein ernsthafter Mensch, aber zugleich ein Luftikus. Wollte er auf irgendeine Sache nicht eingehen, klärte er alles mit den Worten: „Peter absolut nix ponimaet.“ Er verstand plötzlich nicht das, was man von ihm wollte. Dabei saß ihm der Schalk in den Augen. Ja, Frieden war schön.
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„Walvater steh uns bei! Odin Herrscher der Welt!“
Mein Opa Walter, Sekretär von Margot Honecker, dachte so über die Zukunft.
Die Besuche der Offiziere der Roten Armee verliefen wie eh und je. Es wurde herzhaft gegessen, viel getrunken, noch mehr gelacht und gesungen. Oft war ich dabei. Es gab auch ernste Gesprächsrunden. Manchmal kam ich dazu, verstand zu wenig, um Zusammenhänge zu erkennen. Aber es ging um Frieden, Stalin, Potsdam, Polen, Amerikaner, Atombombe. Nach letzterer erkundigte ich mich. Von Atomkraft hatte ich gehört, gelesen in Zukunftsromanen, geträumt von ihrer unvorstellbaren Gewalt. Die Amerikaner hatten vor einigen Wochen eine Atombombe in Japan abgeworfen. Es hatte viele hunderttausend Tote gegeben. Durch eine Bombe? Das war furchtbar. Das war Krieg und der war im August noch nicht beendet gewesen? Wir aber hatten schon seit Anfang Mai Frieden. Ich verstand nicht so recht. Ich fragte und erfuhr, dass der Krieg im Osten Russlands gegen Japan, dem Verbündeten Hitlers, noch Monate gedauert hatte. Japan hatte erst Anfang September kapituliert. Kurz vorher hatte die Amerikaner auf Japan noch eine Atombombe geworfen. Ich begann über all das nachzudenken. Da hatte ich seit Monaten den Frieden ausgekostet, hatte in ihm geschwelgt. Dabei tobte während dieser Zeit noch der Krieg. War es zwar weit weg von uns, im fernen Osten, noch so wie im Frühling bei uns. Aber jetzt, wo der Herbst abends schon durch den Sommer lugte, war erst überall der Krieg vorbei. Doch die Schatten seiner Feuer waren noch da. Waren, da sie niederbrannten, sehr lang. Wir standen noch immer in ihnen. Wann würden sie uns nicht mehr erreichen?
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„Walvater steh uns bei! Odin Herrscher der Welt!“
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