Moral Bombing. Relevanz – Kriegsrecht – moralische Legitimität.
Autor: Marcel Amoser (PDF Dossier)
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3. Moral Bombing und seine moralische und kriegsrechtliche Legitimität
3.1. Moral Bombing und Kriegsrecht
Da das moral bombing nun hinsichtlich seiner militärischen Relevanz beleuchtet wurde, soll im folgenden auf die kriegsrechtliche bzw. moralische Legitimität dieser
Taktik eingegangen werden. Zur Zeit des Zweiten Weltkrieg es gab es noch
keine bindende Verordnung bezüglich der
Luftkriegsführung.
Einzig in der
Liste der
Kriegsverbrechen der
Haager Landkriegsordnung wurde festgehalten, dass die
Bombardierung unverteidigter Städte, sinnlose Verwüstung und
Zerstörung, systematischer Terror und
Quälerei der
Zivilbevölkerung,
verboten sei.34
Unter diesem Aspekt müssten die britischen Flächenbombardements auf Deutschland eindeutig als kriegsrechtlich
illegitim gewertet werden, da Zivilisten das eigentliche Ziel darstellten.
Somit kann man sagen, dass die Briten gegen das Kriegsrecht verstießen.
Demgegenüber hielt sich das nationalsozialistische Regime zumindest in der Anfangsphase des Krieges bei seinen Angriffen auf britische Städte an die Regeln der Kriegsführung, sofern sie vorhanden waren. Folglich richteten sich die Angriffe gegen militärische Ziele, wie Hafenanlagen.
Die Intention des Angreifers spielte jedoch für die betroffene Zivilbevölkerung keine Rolle, da die Bomben so oder so auch Wohngebiete trafen, ob nun absichtlich oder nicht. Abgesehen davon verstieß jedoch Deutschland grundsätzlich gegen das Recht, Krieg zu führen, da es als Angreifer ohne einen legitimen Grund agierte.35
Am
Anfang des Krieges waren die britischen Angriffe durchaus noch als kriegsrechtlich legitim zu erachten. Dies änderte sich mit dem
moral bombing. Lange jedoch postulierte die britische Regierung einen offiziellen Kurs, der nicht in
erster Linie die
Dezimierung der
Zivilbevölkerung zum Ziel hatte. So wären die Angriffe
immer gegen militärische Ziele gerichtet gewesen, die allerdings ebenso Industriearbeiter sein konnten.36
Hinzu kommt noch, dass nach Auffassung der Verfechter des moral bombing die bloße Tötung der Zivilbevölkerung einen kriegsentscheidenden Nutzen bringe.
Somit wurde auch in diese Richtung argumentiert um die Angriffe zu legitimieren. Außerdem konnte das Vorgehen gerechtfertigt werden, da die deutschen Städte durch Flak- und Jagdabwehr verteidigt waren und laut Haager Landkriegsordnung nur der Angriff auf unverteidigte Städte illegitim wäre.
Auch unter der Annahme, dass die Bombardements durch diese breite Auslegung des Begriffes des militärischen Zieles zulässig gewesen wären, ließe sich die letzte alliierte Luftoffensive „Thunderclap“
nicht rechtfertigen. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich die Defensivkraft Deutschlands weitestgehend außer Kraft und der Krieg eigentlich schon entschieden. Die Angriffe hatten somit
keinerlei kriegsentscheidende Wirkung.37
Krasser Höhepunkt dieser letzten Offensive waren die Angriffe auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945. Die Stadt besaß
keinerlei Verteidigung und war hinsichtlich ihrer militärischen Relevanz
unbedeutend. Dennoch wurden in insgesamt
vier Angriffswellen von den
Briten eine Bombenlast von
2.659 Tonnen abgeworfen und von den Amerikanern insgesamt
771 Tonnen. Der Angriff kostete vermutlich 60.000 Menschen das Leben, wobei es Schätzungen gibt, in denen die Rede von bis zu
245.000 Toten ist.
Genaue Angaben sind bis heute nicht möglich, da viele Opfer bis zur Unkenntlichkeit
verbrannten bzw. regelrecht zu Staub
zerfielen. Hinzu kam noch, dass sich eine undefinierbare Anzahl an
Flüchtlingen von der Ostfront zum Zeitpunkt der Bombardements in Dresden aufhielt.38
Aufgrund der enormen Zerstörung, die von den Alliierten Streitkräften an diesem Tag verursacht wurde, kam es dazu, dass sich Premier Winston Churchill von der Vorgehensweise des
„bomber command“ distanzierte.39
Bis zu diesem Zeitpunkt war Churchill ein Befürworter des moral bombing. Er zog sogar in Erwägung, biologische und chemische Waffen gegen die deutsche Zivilbevölkerung einzusetzen.40
Wegen den, bis zum Ende des Krieges durchgeführten, Flächenbombardements hätten sich Winston Churchill, aber auch Arthur Harris und der Chef der RAF, Charles Portal, eigentlich als Kriegsverbrecher vor einem Kriegsgericht verantworten müssen, jedoch kam es dazu nicht.
Dies erweckt den Eindruck, dass es eigentlich irrelevant ist, welche Gräuel im Krieg diverse Entscheidungsträger zu verantworten haben, so lange sie am Ende des Krieges auf der Seite des Siegers stehen. Da man sich als Sieger nicht vor dem Verlierer, der die Kollektivschuld zu tragen hat, rechtfertigen muss und in der glücklichen Situation ist, die eigenen Verstöße gegen das Kriegsrecht zu ignorieren, weil man selbst die Anklagebank bestellt.
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