Hans-Seidel-Stiftung / 23.01.2019 / Norman H. Blevins HSS
USA geschlossen
Der Government-Shutdown
Der Shutdown der amerikanischen Regierung sprengt alle historischen Dimensionen. Hunderttausende erhalten keinen Lohn mehr, Behörden bleiben leer aber in Washington beharrt Donald Trump auf seiner Positition: kein Haushalt ohne fünf Milliarden Dollar für eine Grenzbefestigung zu Mexiko. Aber auch die Demokraten bleiben bei ihrem Nein. Gibt es einen Weg aus der politischen Sackgasse?
Über Amerika prangt derzeit das Schild
„Geschlossen“. Seit gut einem Monat berichten auch die deutschen Medien über den sogenannten ‚Government Shutdown‘ in den USA, was nichts anderes bedeutet, als dass viele vom Bund finanzierte Einrichtungen nicht geöffnet haben. Verbunden ist diese
Zwangsschließung mit dem Umstand, dass viele der dort angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine Art Zwangsurlaub versetzt wurden und somit
kein Gehalt erhalten. Auch nicht rückwirkend bei Beendigung des Shutdowns, was für die mehr als 800.000 Betroffenen zu Problemen führt, müssen doch Rechnungen weiterhin bezahlt und Verpflichtungen erfüllt werden.
Ein Land steht still. Seit dem "Shutdown" der amerikanischen Regierung am 22.Dezember 2018 haben die über 800.000 Angestellten diverser Zweige der Administration keinen Lohn mehr erhalten. Mittlerweile wird die Situation von vielen
Experten als
Gefahr für die
nationale Sicherheit der
USA eingestuft.
Ausgelöst wurde dieses
„Runterfahren“ der amerikanischen Bundesverwaltung durch den
ungelösten Haushaltsstreit zwischen der von US-Präsident Trump geführten Administration und dem seit Januar 2019 von den Demokraten dominierten ‚House of Representatives‘, dem Abgeordnetenhaus im US-Kongress.
Der Kernkonflikt im laufenden
Budgetdisput liegt in der Forderung von Donald Trump, in dem zur Debatte stehenden Haushalt gut 5 Mrd. Euro für den Bau des Grenzwalls entlang der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze bereitzustellen. Dies lehnt die demokratische Mehrheit im Abgeordnetenhaus ab und setzt dabei ihre ‚Power of the Purse‘ ein, also ihr Recht, über den Haushalt und die Finanzen der Regierung der Vereinigten Staaten zu bestimmen.
Das Anti-Defizit-Gesetz: So wird die Regierung kontrolliert
Der Streit um die Errichtung diese Mauer begleitet die innenpolitische Debatte seit der Ankündigung von Donald Trump im Juni 2015, sich über das republikanische Ticket für die US-Präsidentschaft zu bewerben. Es ist sein prominentestes Wahlversprechen, welches seine loyalste Kernwählerschaft an ihn bindet. Die Erfüllung dieses Wahlversprechens soll ihm deren weitere Unterstützung gewährleisten, um so seine Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Fakt ist, dass die ablehnende Haltung der Demokraten, in Bezug auf die Errichtung einer befestigten Grenze im Süden, von einer Mehrheit von 54% der Bevölkerung geteilt wird. In der gleichen Umfrage, die von der Washington Post und ABC-News am 13. Januar 2019 veröffentlicht wurde, ist konsequenterweise zu entnehmen, dass gut 53% der Befragten Donald Trump und den Republikanern im US-Kongress die Schuld für den ‚Shutdown‘ geben. Während nur 29% die Verantwortung bei den Demokraten sehen.
Das
Haushaltsrecht, das es der
Legislative erlaubt, die
Regierung dadurch
effektiv zu
kontrollieren, dass es ihre Finanzen bestimmt und genehmigt, wurde mit dem ‚Antideficiency Act‘ (ADA) – also einem Anti-Defizit-Gesetz – im Jahr 1884 gestärkt.
Der ADA verbietet es der Regierung und der ihr unterstellten Behörden und Einrichtungen, ungedeckte bzw. ungenehmigte Ausgaben zu tätigen. Dies wurde für den Gesetzgeber notwendig, als in der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) die Bundesregierung und hier v.a. das Militär, regelmäßig die ihnen vorgegebenen Budgets
überschritten und
ohne vorherige Genehmigung Ausgaben getätigt haben bzw. vertragliche Verpflichtungen eingegangen sind, welche dann durch den US Kongress mehr oder weniger unfreiwillig nachträglich bewilligt werden mussten.
Um hier die
Kontrolle zurückzugewinnen, wurde mit dem
ADA gesetzlich das
Haushaltsrecht gestärkt und die Bundesregierung dazu verpflichtet, keinerlei Ausgaben zu tätigen, die nicht vorher durch ein
Gesetz oder einen
Beschluss des
US-Kongresses legitimiert wurden.
Obwohl es bereits seit Ende des
19. Jahrhunderts dieses
Instrument gibt, kam es erst unter US-Präsident Gerald Ford 1976 zum ersten
‚Government Shutdown‘, der jedoch nicht sämtliche Bundesbehörden betraf, sondern nur das Arbeits- sowie das Ministerium für die Bereiche Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt. Denn, wie auch im jetzigen Fall, bedeutet ein ‚Shutdown‘
nicht zwangsläufig, dass alle Bundeseinrichtungen geschlossen werden.
Ausgenommen sind jene Teile der Regierung, deren Einzelhaushalte entweder bereits genehmigt bzw. noch genehmigte Mittel vorhanden sind, oder die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unverzichtbar sind, u.a. Polizei, Militär sowie staatliche Gesundheitseinrichtungen. Aber auch bei den zuletzt genannten Einrichtungen bedeutet es, dass die dortigen Angestellten, welche nicht zwangsbeurlaubt wurden, ohne Gehaltszahlung ihren Dienst wahrnehmen müssen und erst nach Beendigung des ‚Shutdown‘ ihre Gehälter rückwirkend erhalten.
Außerdem bleibt deren Handlungsrahmen stark eingeschränkt, wie beim kürzlich bekannt gewordenem Beispiel des
Federal Bureau of Investigation (FBI), welches ihre
Informanten derzeit nicht bezahlen kann.
Wer profitiert?
Auch wenn dieser seit dem 22. Dezember 2018 zelebrierte politische Streit in den USA für viele Beobachter kurios erscheinen mag, so ist dies im Rahmen der gegenseitigen Kontrolle der Gewalten innerhalb des politischen Systems der USA (‚Checks and Balances‘) kein unbekanntes Vorgehen in der jüngeren Geschichte.
Insgesamt gab es
21mal einen
‚Government Shutdown‘. Die meisten dauerten allerdings nur wenige Tage. Die längste Zwangspause vor der aktuellen Auseinandersetzung lag bei 21 Tagen zum Jahreswechsel 1995/1996 unter Bill Clinton.
Bei jedem der bisher erfolgten ‚Shutdowns‘ hinterfragte man, ob dieses Instrument tatsächlich zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen effektiv ist. Die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung im Land, die Handlungsfähigkeit der Bundesebene, das internationale Ansehen und letztendlich das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen sowie ihre gewählten Verantwortungsträger sind stets für alle Involvierten negativ gewesen.
Inwieweit der aktuelle Streit in einer tragfähigen Einigung münden bzw. wie lange dieser noch andauern wird, vermag angesichts des aktuellen politischen Klimas in Washington niemand vorherzusehen. Heute gehen wir in den 33. Tag des ‚Government Shutdown‘, der unverkennbar von den ersten Vorboten der Präsidentschaftswahlen in 2020 geprägt ist. Jede Seite sieht sich daher bemüht, durch kompromissloses Festhalten an den jeweiligen Positionen, ihre Anhänger an sich zu binden. Dies deutet eher auf fortgesetzten Stillstand oder sogar eine weitere Eskalation in dem Streit hin. Und am Ende wird wahrscheinlich keiner der Beteiligten als Gewinner vom Platz gehen.
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