Zitat Zitat von Sven71 Beitrag anzeigen
Nun: "Steuerung" ist ein Begriff, der von Dir kommt. Den habe ich nicht verwendet. Eine günstige Gelegenheit dulden, statt strategisch langfristig stabile Beziehungen zu einer Nuklearmacht aufzubauen (vgl. die Vorschläge von Jeffrey Sachs) und den Oligarchen ihre Raubzüge eben nicht monetarisieren helfen - was die Situation heute vielleicht hätte vermeiden helfen können - ist zwar schlechte Politik, aber keine "Steuerung". Es ist jedoch schwer vorstellbar, daß die US-Regierung von den Aktivitäten über Unternehmensgeflechte in der Türkei Richtung Westen und später, bereits in der Putin-Ära, beispielsweise von Concord Management keine Kenntnis hatte.
"Steuerung" bitte ich daher durch "politische Duldung" zu ersetzen, zumal nicht die US-Regierung selbst, sondern private Unternehmen hier aktiv waren.

Wenn es anders wäre und wir zugleich zur Kenntnis nehmen, daß keiner der Oligarchen im Zuge von Jelzins "Schocktherapie" in Russland investierte, um innovative Ideen, nachgefragte Produkte oder gesellschaftsnah den Alltag erleichternde Dienstleistungen zu entwickeln, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, womit diese Herrschaften Umsätze und damit die unglaublichen Unternehmenswertsteigerungen erzielten, mit denen ein Anteilsankauf für $200.000.000 und ein Verkauf gegen $11.900.000.000 an einem Ölkonzern möglich wurden (die Zahlen stammen exemplarisch aus Abramowitschs An- und Verkauf)? Daß alleine eine Unterbewertung der Unternehmen eine solche Spanne ermöglicht, bezweifle ich ebenso wie die These, daß diese Gewinne überwiegend mit Inlandsverbrauch erzielt wurden.
Sie hatten Abnehmer in Übersee. Rechnungen und Quittungen dafür kann ich Dir leider nicht vorlegen.




Exemplarisch und erschreckend finde ich Deine (gewollt?) unsaubere Zitierweise. Ich schrieb nicht "Du weiß das", sondern "ich denke, Du weißt das". Das beinhaltet die Möglichkeit des Irrtums und ist damit gerade KEINE Unterstellung. Und vielleicht habe ich mich geirrt und Dein Faktenwissen ist nicht auf dem Level, das ich ob anderer Beiträge annahm. Nehme ich zur Kenntnis.
Zur unsauberen Zitierweise, lies bitte einfach nochmal nach, was du geschrieben hast. Es war eben nicht die Rede von "Duldung", sondern davon, dass die USA (Subjekt des Handelns) via den Oligarchen (deren nützliche Idioten) Russland (Objekt des ganzen) ausgeplündert hätten. Entschuldige bitte aber für meine ungenaue Zitierweise, du hast es in der Tat als deine Meinung gekennzeichnet, du denkst also nur, dass ich wider besseren Wissens hier Dinge in Frage stelle, die so evident sind, dass du sie nach der ersten Nachfrage doch fallen lassen musst und statt dem "Die USA haben Russland via Oligarchen ausgeplündert" dich doch lieber drauf zurückziehst, sie hätten es geduldet.

Womit wir bei der Problematik von "dulden" sind. Genau diesen Vorwurf, dazu nochmal der Vergleich, kann jeder BLM-Aktivist gegen die USA oder Europa erheben, die Idi Amins und Charles Taylors hatten nie Probleme Banken in den USA oder Europa zu finden, die nach dem Motto "Geld stinkt nicht" deren Gelder gerne angenommen oder Geschäftsleute, die mit denen Geschäfte gemacht haben. Genauso wie bei Putins Oligarchen oder mexikanischen Drogenkartellen. Das Problem ist die Ambivalenz, die zeigt, ob es sich um Kritik handelt oder bloßes Ressentiment handelt und auch hier ist in beiden Fällen dasgleiche Muster dahinter.

a) Entweder man verlangt vom Westen eine paternalistische Haltung oder eine, die das Gegenüber so nimmt, wie es eben ist. Einer korrupten russischen, afrikanischen oder burmesischen Führung Geschäfte, Konten, etc. zu verweigern kann nur legitimiert werden, indem man dem Gegenüber die Augenhöhe abspricht. Das russische/kongolesische/... Volk ist nicht in der Lage seine Geschicke zu lenken, die Führung ist korrupt/gewalttätig und handelt nicht im Interesse dieses Landes oder Volkes und wir als Westen wissen besser, was das richtige ist. Keine Konten für Russlands/Kongos/... politische Führung, keine Geschäfte mit denen. Das ist ein Standpunkt.

b) Der andere ist, wir maßen uns nicht an zu entscheiden, was für das russische/kongolesische/nordkoreanische/... Volk am besten ist, wir behandeln sie auf Augenhöhe, wenn die ihr Geld zu einer Schweizer Bank bringen ist das ihre Sache, wenn sie Geschäfte mit westlichen Unternehmen machen, ist das ihre Sache.

Beides sind für sich genommen konsistente Standpunkte, aber sie schließen sich ggs. aus, man kann nicht beides haben. Würde BLM, Antikolonialisten, etc. nachvollziehbar darlegen, welchen Weg sie von der Politik erwarten, würde ich diese Kritik ernst nehmen. Da sie einfach nur nach Beispiel hin- und herswitchen, warum der weiße Mann gerade böse ist, stempel ich das als Ressentiment/Hass ab. Und der Vergleich ist absolut 1:1 auf die Kritik am "Westen" durch Verteidiger der russischen Politik übertragbar. Du kritisierst einerseits fehlende Augenhöhe (a ist falsch) und kritisierst, dass die US-Regierung nicht in Geschäfte in Russland interveniert (b ist falsch). Es gibt übrigens auch einige grundlegende Emotionen, die ich bei BLM genauso nachvollziehen kann. Wenn ich als Schwarzer jeden Tag oberflächlichen Patriotismus und Überheblichkeit erlebe, zum 1000. Mal vor Fahnen salutieren und mir die Heldengeschichten anhören müsste, wie die Gründerväter die barbarischen Briten vertrieben haben, würde ich auch irgendwann sagen wollen "STOPP! Für meine Vorfahren war das nicht das Land der Freiheit, die sind beim Versuch das barbarische England am anderen Ufer zu erreichen im Detroit-River ertrunken". Genauso gibt es sicherlich das eine oder andere Grundgefühl, was man von russischer Seite nachvollziehen kann, was letztlich bei rumkommt ist aber dasgleiche in Grün. Wo der eine für seine Rhetorik den weißen Mann bemüht, bemüht der andere den Westen und es kommt von beiden Seiten die Totalverweigerung so etwas wie Verantwortung für das eigene politische Handeln auch nur zu erkennen.






Woher kommt denn diese Gewissheit? Ich meine, wo Du so empfindlich auf vorgetragene Gewissheiten reagierst? Nicht ernsthaft nur von Russia Today. Wo konnte man während Putins erster Amstzeit RT in Deutschland empfangen? Wurde ja erst 2005 gegründet und berichtet bisweilen diskrepant zu anderen russischen Sendern: so zweifelte RT die Wirksamkeit der Pandemiemaßnahmen in Westeuropa an und kritisierte den Umgang mit Demonstranten gegen jene Maßnahmen, während Pervej Kanal, Rossyi 24, etc. für die russische Bevölkerung denselben Sermon verbreiteten wie unsere öffentlich-rechtlichen Sender. Warum sollte man RT mehr vertrauen als anderen Sendern?
Ich reagiere nicht empfindlich auf vorgetragene Gewissheiten. Worauf ich empfindlich reagiere, ist dieses bewusste Einigeln in einer Parallelwelt und was ich fast obszön finde, ist, das mit "Reflexion" zu beschrieben. In diesem Forum wirst du seit Jahren nichts anderes lesen, als dass Russland das Opfer des bösen Westens ist, alles, was Krone-Schmalz da sagt, ist hier schon tausendfach gepostet worden. Sei es nun von ihr, von David Precht, von Scholl-Latour, von Sarah Wagenknecht, Gauland, Helmut Schmidt, von Schröder, von Ken Jebsen, ... entschuldige bitte, aber alles, was sie sagt, hat für jemanden, der hier mitgelesen hat, so einen Bart bis nach Timbuktu, traf hier vor dem Krieg auf 99% Zustimmung und jetzt immer noch auf 80%. Dann kommen eben auch von dir, der es eigentlich besser weiss, noch Versatzstücke, wie die USA haben Russland über die Oligarchen ausgeplündert, und du denkst, das wisse ich genau (mir ist schon klar, du willst an Eitelkeiten appellieren, dass ich mir hier doch nicht die Blöße geben könne, eine allg. Forenweisheit zu hinterfragen). Auf Nachfrage bekommt man zu hören, dass man eigentlich klüger sein sollte als nachzufragen, dann dass es ja anders gemeint gewesen sei, die USA habe es eben "geduldet". Ich fürchte die Art der Reflexion, die du meinst, man solle tief in sich gehen und sich selbst fragen, ob man sich überhaupt bewusst ist, wie böse die USA sind und nochmal ein typisches 0815-Interview von anno dazumal vor dem Krieg, in dem nochmal dargelegt wird, warum der Westen schuld hat, wie irgendein Pastor oder Mullah, der unter kritischer Reflexion verstehen mag, ob man denn heute schon genug gebetet hat.

Du liest hier nun regelmäßig mit, weisst, wie die Uhren hier ticken. Nichts gegen Bestätigung suchen in der eigenen Bubble, aber wenn ich hier zum 100. Mal schriebe, wie scheisse ich Claudia Roth finde, weiss ich, dass das hier weitgehend Konsens ist und bilde mir hier nicht ein mutig mal was ganz Neues zu schreiben und das Forum mal zum Reflektieren anzuregen, sondern weiss, dass die fast jeder hier hasst und es dabei um gegenseitige Bestätigung geht, nicht um Reflexion.

Viele Leute finde ich hier nur noch zum Kotzen, viele Benutzer haben auf mich auch einen wirklich netten Eindruck gemacht, die leider m.M.n. in eine Wahnwelt abgedriftet sind, bei denen ich mir eher Sorgen mache, ob es denen damit wirklich noch gut gehen kann und das Video ist bestimmt nichts, was die zum reflektieren anregt.

Am Ende haben wir beide keinen tieferen Einblick, wie Putin zu Beginn des Jahrtausends getickt hat.
Du kannst auch nicht in den Kopf von irgendeinem anderen Politiker schauen. Man kann auch behaupten, Stalin, Hitler oder sonstwer hätte eigentlich friedliche Absichten gehabt, sei nur von einer bösartigen Umwelt so lange gereizt worden, bis er die Geduld verloren habe. Ich kann auch nicht in den Kopf eines Krokodiles reinschauen. Was man beobachten kann, sind die Handlungen. Wir können auch darüber spekulieren, wenn nen Krokodil ne Kuh unter Wasser zieht, ob es sich nur von der Kuh bedroht gefühlt hat, einen abschließenden Gegenbeweis kann dir niemand liefern, weil in den Kopf gucken kannst du dem Krokodil genauso wie Putin.

Und wenn jemand erzählt, dass Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit die Werte sind, auf denen er sein neues Russland aufbauen will und die Jagd auf Regimegegner losgeht, dann ist es für mich evident, dass der einen verarscht hat. Das hat auch nur begrenzt noch was mit Außenpolitik zu tun, wenn in Spanien die Regierung anfängt, nach und nach eine Diktatur aufzubauen und Regimegegner weltweit jagen zu lassen, ist es irgendwie absurd, das mit abgekühlten Beziehungen zu Frankreich, den USA oder sonstwem zu erklären. Wer so handelt will keine Demokratie und keinen Rechtsstaat aufbauen.

Woher ich weiss, dass entscheidende Aspekte der Rede damals gelogen waren? Weil er seine Absichtserklärung nicht umgesetzt, sondern das glatte Gegenteil getan hat. Glaubst du eigentlich wirklich, irgendeine der Fortschritte, die du siehst, wird in dem neuen (hoffentlich Kalten, aber das ist unklar) Krieg, den er vom Zaun gebrochen hat, Bestand haben? Und was soll mir das über seine Prioritätensetzung sagen?
Willst du jetzt sagen, er hätte so gerne 2001 ein Russland aufgebaut, in dem mehr in Bildung und Soziales gesteckt wird, aber die NATO hat ihn nicht gelassen (ein guter Teil dessen, was nirgends ratifiziert, aber als "Wortbruch" bezeichnet wird, war ja 2001 schon geschehen)? Es gibt eine Menge Szenarien, wie das ganze sich weiter entwickeln kann, ich sehe aber keines, was für Russland wirklich gut ausgeht.