* Humor als Ressource für Resilienz (Auszug)
" Humor ist, wenn man trotzdem lacht " (Otto Julius Bierbaum)
Immer wieder – schon im Kindesalter – sehen wir uns im alltäglichen Leben konfrontiert mit Krisen, dem eigenen Versagen oder Scheitern. Das Wichtige dabei ist nicht in erster Linie, was oder ob etwas schief geht, denn darauf haben wir in der Regel ohnehin wenig Einfluss, sondern wie wir damit umgehen. Als Gestalter unseres eigenen Lebens haben wir die Wahl – wir können den Kopf in den Sand stecken und uns selbst bemitleiden, oder aber versuchen, auch dann das Bestmögliche aus der Situation zu machen, wenn das Leben es gerade nicht besonders gut mit uns meint.
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Ein Schlüssel zu mehr Gelassenheit in schwierigen oder problematischen Situationen ist Humor. Wer eine humorvolle Grundhaltung einnimmt, vermag den Niederlagen des Lebens mit geringerer innerlicher Anspannung zu begegnen. Humor hilft dabei, die eigene Fehlertoleranz zu steigern. Wir lernen, die Dinge aus einer inneren Distanz heraus und somit aus einem neuen Blickwinkel zu sehen und schaffen dadurch die Möglichkeit, neue, uns bislang unbekannte Lösungswege zu gehen. Humor ist demzufolge eine Bewältigungsstrategie. Wer seinen Humor trainiert – so meine These – fördert damit auch die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft.
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Humor als Ressource
Humor ist eine wertvolle Ressource – eine Grundhaltung, die es ermöglicht, festgefahrene Denk- und Handlungsmuster aufzubrechen und neue Lösungsansätze zu durchdenken (vgl. Holtbernd 2002, S. 63). Wo Dinge „aus dem Ruder laufen“, Situationen anders ausgehen als erwartet, etwas misslingt, entsteht oft ein Gefühl der Hilflosigkeit. Schnell sieht sich der Betroffene in der Opferrolle, engt sich dadurch ein und erzeugt die eigene Handlungsunfähigkeit. Der Humor hilft dabei, den Blickwinkel zu ändern, denn er ermöglicht eine Wahrnehmung der Situation aus einer inneren Distanz heraus. Diese Distanz ist Voraussetzung dafür, die Opferrolle zu verlassen und das Geschehen selbst zu lenken.
Wichtig sind dabei die innere Einstellung und der eigene Anspruch an sich selbst. Humor respektiert den Menschen mit all seinen Ecken und Kanten. Er hilft dabei, den Perfektionismus beiseite zu schieben und unsere Fehlertoleranz uns selbst und anderen gegenüber zu erhöhen. Humor als Haltung der Gelassenheit ist also nicht nur eine äußerst wirksame Coping-Strategie (Bewältigungsstrategie, to cope with something = etwas bewältigen) sondern auch eine Lebenshaltung, die durch Freude und Lebendigkeit geprägt ist. Humor akzeptiert das Kind in uns und ermöglicht uns eine liebevolle Selbstrelativierung. Dadurch erlangen wir die Freiheit, so sein zu dürfen, wie wir sind (vgl. Gilmore 2007, S. 19).
Humor als Lebenshaltung ist nicht nur eine Ressource in der Lebensbewältigung, sondern auch eine soziale Kompetenz, die es uns erleichtert, auf andere Menschen zuzugehen und auf schwierige Situationen beziehungsweise Gespräche reagieren zu können.
Resilienz – eine Definition
„Der Begriff Resilienz leitet sich von dem englischen Wort ,,resilience“ (Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit; lat. „resilere“ = abprallen) ab und bezeichnet allgemein die psychische Widerstandsfähigkeit [...]“ (BZgA 2009, S. 19).
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Humor und die sieben Säulen der Resilienz
Die sieben Säulen der Resilienz stehen allesamt in direktem Zusammenhang mit der Grundhaltung Humor.
Optimismus, als erste Säule, setzt sich bewusst mit dem Erlebten auseinander. Optimistische Menschen nehmen die Gegebenheiten an, geben aber die Hoffnung an eine positive Wendung des Geschehens nicht auf (vgl. Rampe 2010, S. 34). Somit wird ein Verharren in Niedergeschlagenheit und Selbstmitleid verhindert. Effinger sagt: „Humorvolle Menschen sind gutmütige Optimisten mit einer positiven Einstellung zu sich und zum Leben“ (Effinger 2008, S. 33). Humor fördert also den Optimismus nicht nur, Humor bedeutet gar optimistisch zu sein. Mit Humor lassen sich die Gegebenheiten positiv „umbewerten“. Eine humorvolle Haltung hilft dabei, die Misserfolgstoleranz zu erhöhen.
Lösungsorientierung als weitere Säule der Resilienz ist zukunftsorientiert und lenkt den Blick auf mögliche Lösungen. Dazu ist es besonders wichtig, Ziele zu formulieren, denn „wer seine Ziele nicht kennt, kommt nirgends an“ (Rampe 2010, S. 105). Die gesteckten Ziele müssen realistisch sein. Außerdem ist es oft hilfreich, sich leichter erreichbare Teilziele zu stecken. Zu hoch gesteckte Ziele nehmen uns den Mut und das Vertrauen in die Realisierbarkeit. Dabei ist es von besonderer Wichtigkeit, selbst an sich zu glauben. Nur so ist es möglich, den ersten Schritt zu wagen und irgendwann ans Ziel zu kommen. Eine Bewältigungsstrategie, die uns dabei hilft, den Widrigkeiten des Lebens zu begegnen, ist der Humor. Humor hilft uns dabei, festgefahrene Strukturen und Denkmuster in Frage zu stellen und fördert Eigeninitiative und Kreativität beim Entdecken und Erproben neuer Lösungsmodelle.
Handlungsfähig ist nur, wer sich selbst als Handelnder sieht. Das Verlassen der Opferrolle also ist für die Bewältigung von Schwierigkeiten und die Stärkung der Resilienz unabdingbar. In der Opferrolle liegen wir – bildlich gesprochen – auf dem Boden und die Sorgen und Probleme ragen in den Himmel hinauf, gerade wie unbesiegbare Riesen (vgl. Rampe 2010, S. 142). Deshalb ist ein Perspektivwechsel nötig, um die Situation vollständig zu überblicken. Humor kann uns hierbei unterstützen, die Situation neu zu bewerten. „Eine Humorvolle Bewertung einer negativen Erfahrung“, so Effinger, „gibt einem das Gefühl, [...] mit einer gewissen Autonomie den Widrigkeiten des Lebens als Selbsthandelnder [...] zu begegnen“ (Effinger 2008, S. 20).
Sich bewusst mit Schwierigkeiten und möglichen Bewältigungsstrategien auseinander zu setzen, bringt die Notwendigkeit der Akzeptanz des Geschehenen mit sich. Auch wenn Niederlagen oft zuerst ein Gefühl der Rat- und Hilflosigkeit auslösen, so ist es wichtig, sich der Realität zu stellen, Gefühle zuzulassen und zu akzeptieren, dass jedes Hoch sowie auch jedes Tief Teil unseres Lebens sind. Humor ist eine Grundhaltung, die uns dabei hilft, dem Scheitern den Beigeschmack der Katastrophe zu nehmen sowie uns und andere mit all unseren beziehungsweise ihren Fehlern zu akzeptieren. So hat Humor immer auch etwas zu tun mit Empathie und einer wohlwollenden Haltung (vgl. Gilmore 2007, S. 132). Akzeptanz allerdings heißt nicht, etwas wehrlos hinzunehmen, sondern sich der Realität zu öffnen (vgl. Rampe 2010, S. 75). Dazu muss auch eine Bewertung der Realität stattfinden. Eine innere Distanz, welche der Humor uns hilft einzunehmen, ermöglicht es uns, trotz eigener Involviertheit, die Lage aus einer Außenperspektive zu betrachten und so zu reflektieren.
Eine weitere Säule ist die
Verantwortung. Verantwortung übernehmen meint, sich des eigenen Handelns und Zutuns in einer Situation bewusst zu werden und die Konsequenzen für das zu tragen, was man getan oder eben nicht getan hat. Mit Humor fällt dies leichter, da er uns hilft, gelassener zu werden, und fortan unser Scheitern nicht mehr aus einem allzu ernsten Blickwinkel heraus zu betrachten. Eine Haltung, die von Humor geprägt ist, vermag es, die Grenzen, die unser Denken, Fühlen und Handeln einengen, zu durchbrechen (vgl. Gilmore 2007, S. 140). Verantwortung tragen heißt auch, aktiv zu werden und zu handeln. Dafür dass unsere Bedürfnisse erfüllt werden, dass unsere gesteckten Ziele sich verwirklichen lassen und dass Lebenskrisen sich zum Guten wenden, tragen wir die Verantwortung. Wir sind die Gestalter unseres eigenen Lebens.
Ein in die Zukunft gerichteter Blick beinhaltet die
aktive Zukunftsplanung, eine weitere Säule der Resilienz. Zukunftsplanung meint hier sowohl Zielorientierung als auch ein Auseinandersetzen mit möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten. Flexibilität im Denken und Handeln ist eine Ressource, die uns dabei hilft, Alternativen zu durchdenken und umzusetzen. Wer in zu starren Handlungsmustern verharrt, gerät ins Wanken, sobald gewohnte Lösungsstrategien nicht funktionieren oder Unvorhergesehenes die Situation verändert. Humor hilft uns, flexibler mit den Anforderungen des Lebens umzugehen, uns von starren Bewältigungsstrategien zu lösen und dem „Ver-rückten“ einen Platz einzuräumen.
Die siebte und gleichermaßen bedeutende Säule ist die
Netzwerkorientierung. Soziale Netzwerke, ob Familie, Freunde, oder gar professionelle Helfer, die in der Krisenbewältigung ausgesprochen hilfreich sein können, da sie oftmals den Bewältigungs- und Lösungsprozess unterstützend vorantreiben, zählen zu den sozialen Ressourcen. Humor als soziale Kompetenz ist besonders geeignet, um Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Humor oder auch allein ein Lächeln wirken auflockernd und sympathisch, ein aufrichtiges Lachen konfliktbegrenzend und besänftigend. Außerdem ist Lachen ansteckend. Es wird reflektorisch ausgelöst und unterliegt deshalb nicht der Kontrolle unseres Verstandes. Deshalb springt es so schnell von einem auf den anderen Menschen über. „Sozial bewirkt das Lachen eine Verbindung mit Gleichgesinnten, den Abbau von Aggressionen untereinander, es fallen Barrieren und Kontakte sind leichter möglich“ (Holtbernd 2002, S. 31).
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Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Humor eine Ressource ist, die uns dabei unterstützt, den Herausforderungen des Lebens und den Hindernissen des Alltags gelassener zu begegnen. Lachen befreit, führt zu einer inneren Distanz und einer höheren Misserfolgstoleranz und hilft somit bei der Bewältigung schwieriger und krisenhafter Lebensereignisse.
Die Frage, ob der Humor unsere Resilienz fördere, lässt sich meines Erachtens mit einem klaren Ja beantworten. Sicherlich ist es nicht der Humor allein, der Einfluss auf die Entwicklung der Resilienz hat. Doch wird deutlich, wie der Humor die sieben Säulen der Resilienz, die für deren Ausprägung als voraussetzend anzusehen sind, fördern kann und damit direkten Einfluss auf den Aufbau unserer Resilienz nimmt. Dabei ist es besonders bedeutend, Humor als Haltung der inneren Gelassenheit zu verstehen. „Humor ist kein isoliertes Tun, sondern in die Lebenskunst eingebunden und insofern Ausdruck einer Lebenseinstellung“ (Holtbernd 2002, S. 96).
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