Da kann ich dir was zu erzählen: Als ich in 1995 mal einen Leserbrief über die Rechtschreibreform an die Lokalzeitung geschickt hatte, und der auch veröffentlicht wurde, habe ich hintenrum von meinem Ausbildungsbetrieb gehört: "Wir ahnten schon immer, dass er eigentlich was anderes machen wollte!"

Das ist so beknackt. Im wohlstandsverwahrlosten Westen hat man gefälligst kein völlig artfremdes Hobby auszuüben, der Schuster soll um Gottes Willen bei seinen Leisten bleiben, und nicht zu hoch hinaus fliegen.
Ich habe mich mal zu einem Aufbaustudium "Energieberater" an der Uni eingeschrieben. Mein Dipl.-oec. gab das her. Nur wäre der ganze Studiengang trotzdem sinnlos gewesen, weil meine Kunden keinen Bafa-Zuschuss gekriegt hätten, weil ich kein Ingenieur bin. Ich hatte mich dann gerade noch rechtzeitig wieder ausgeschrieben. Und sowas ist typisch deutsch. Mit gewissen Ausbildungen hängt man in der Luft, so als wenn man kein Optiker werden könnte, wenn man selber keine Brille braucht.
So Universalgelehrte wie Goethe sind beim Fußvolk extrem verpönt. Angeblich stecken die Spezialisierten so tief in ihrem Sumpf drin, dass sie einen Artfremden, der mitreden will, wie eine Beleidigung ihrer Intelligenz auffassen. Und niemals mit fremden Federn schmücken. So nehmen die das wahr, wenn man sich für zu viele Sachen interessiert, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben sollte. Ich habe schon vor 20 Jahren gerade von Frauen gehört: "Über was du dir alles Gedanken machst". Man wertet sich nur unnötig ab, wenn man zugibt, Sachliteratur zu Hause zu haben, die nichts mit dem Beruf zu tun hat. Das ist sowieso nicht mehr mein Land.