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Parabellum
Halder ist ja ersichtlich, seine Tagebücher. Der Rest steht, soweit ich sehe, im Buch "Wegner, Bernd: "Hitlers zweiter Feldzug. Militärische Konzeption und strategische Grundlagen" in "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg", Band 6, S.776-777. Und da, das ist dein Vorteil, kannst du ja direkt nachschlagen.
Für den Rest :
Daß es an konkreten und realistischen Alternativen zu der von Hitler ins Auge gefaßten Offensive im Südabschnitt mangelte, heißt nicht, daß dieser Plan bei allen an seiner Ausarbeitung und Vorbereitung Beteiligten auf kritiklose Zustimmung gestoßen wäre. Im Gegenteil: unter dem Eindruck der noch nicht überwundenen Winterkrise kam die Operationsabteilung des Generalstabs des Heeres Ende Januar zu der Auffassung, daß die Stoßkraft der Heeresgruppe für eine Besetzung des gesamten kaukasischen Raums zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer kaum ausreichen werde. Vielmehr sei damit zu rechnen, daß „nur etwa die Linie hart südlich Tuapse-100 Kilometer südöstlich Armawir-östlich des Manitschsee, Stalingrad“ erreicht werde. Wichtige Schwarzmeerstützpunkte und damit die „mehr oder weniger unbeschränkte Seeherrschaft“ würden mithinbeim Gegner verbleiben, was zur Folge habe, daß eine Ausbeutung des Majkoper Ölreviers in großem Stil „sehr schwierig“ würde, da ein Abtransport des Öls nur über See in Frage komme 60. Unbehagen und Zweifel ob der Realisierbarkeit des Kaukasusunternehmens wurden offenbar auch von einigen Truppenbefehlshabern – insbesondere jenen, die im Zuge der Winterkrise von ihren Funktionen entbunden worden waren – geäußert.
So soll sich namentlich Generalfeldmarschall v. Rundstedt, aber auch Ritter v. Leeb, für eine Rücknahme der Front bis nach Polen ausgesprochen haben 61. Generaloberst v. Küchler, Nachfolger Leebs als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, plädierte Hitler gegenüber gar noch im Mai für einen Verzicht auf die Operation im Südabschnitt zugunsten einer um so erfolgversprechenderen Offensive gegen Leningrad, stieß mit die Vorschlag indes, wie zu erwarten, auf scharfe Ablehnung 62.
Auch dem Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Generaloberst Fromm, der – ebenso wie Reichsminister Todt – schon im November mit dem Gedanken an einen Friedensschluß gespielt hatte 63, erschien die geplante Offensive als ein einem armen Manne gänzlich unangemessener Luxus; der Generalquartiermeister, Generalmajor Wagner, sprach im internen Kreis von „utopischen Offensivplänen“ 64. In die gleiche Richtung gingen Befürchtungen des Heereswaffenamtes, dessen Chef, General Emil Leeb, schon Anfang Januar warnte, es sei jetzt bereits zu spät, „um das Heer noch bis zum Sommer hochzubringen“ 65. Daß Admiral Canaris, der Chef des Amtes Ausland/Abwehr, zu einer ähnlich pessimistischen Einschätzung neigte, mag kaum überraschen 66; bemerkenswerter dürfte sein, daß auch General Thomas in einer äußerst klarsichtigen, unter dem Eindruck seiner schrittweisen Entmachtung verfaßten Lagebetrachtung beklagte, daß „das Mißverhältnis zwischen Kriegsbedarf und Deckungsmöglichkeiten immer größer“ werde, eine „ständige sorgfältige Anpassung der Kriegführung an die gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten“ von der Obersten Führung jedoch infolgeihrer fehlenden Einsicht in die ökonomischen Zusammenhänge immer noch abgelehnt werde 67. In der Tat hat gerade Thomas während jener Monate immer wieder die Forderung erhoben, „daß die militärischen Operationen im Sommer 1942 sich der Treibstofflage anzupassen hätten.“ Daß er mit dieser Forderung selbst bei Keitel Gehör fand,zeigt, wie sehr frühere Zuversicht einer Atmosphäre der Unsicherheit und Skepsis gewichen war 68. Nichts nämlich trieb diesen so „Führer"-gläubigen Feldmarschall in den Winter- und Frühjahrswochen des Jahres 1942 mehr um als die Sorge, das Unternehmen „Blau“ könne an den Schwierigkeiten der Treibstoffversorgung scheitern. Doch obwohl die Folgen solchen Scheiterns für die weitere deutsche Kriegführung vernichtend sein mußten, wagte der Chef des OKW es nicht, Hitler mehr als nur „in vorsichtiger Form“ auf die nach seiner Einschätzung unhaltbare Lage hinzuweisen 69.
Fußnoten :
60 Bericht des Marine-Verbindungsoffizieres zum OKH vom 25. 1. 1942 über ein Gespräch mit Generalmajor Heusinger, dem Chef der Op.Abt., BA-MA, RM 7/991. Auch Halder selbst beschlich in jenen Tagen eine düstere Ahnung, man werde infolge der knappen Materialreserven und der unzureichen den Munitionsbevorratung wohl „den Angriff beginnen, aber nicht durchführen können“; Halder, KTB III, S. 390 (24.1. 1942).
61 So Blumentritt nach Liddell Hart, Jetzt dürfen sie reden, S. 359.
62 Halder, KTB III, S. 436 (4.5.1942).
63 Vgl. ebd., S. 309 (24.11. 1941),ferner Reinhardt, Moskau, S. 184.
64 Siehe Speer, Erinnerungen, S. 250, sowie Koehler/Reinhardt, Chef der Heeresrüstung, S. 165, MGFA, Studie P-041dd; zu Wagner vgl. WiRüAmt, KTB, 10.3. 1942, BA-MA, RW 19/166. * WiRuAmt, KTB, I0. I. 1942, BA-MA, RW 19/166.
66 Vgl. Ciano, Diaries 1939–1943, S. 464 (26.3. 1942) sowie Höhne, Canaris, S. 454.
67 Thomas-Denkschrift, undatiert (Mai 1942), IfZ, ZS 310, Bd IIa, Bl. 68.
68 Vgl. WiRüAmt, KTB vom 16. und 30. 3. 1942, BA-MA, RW 19/166.
69 Ebd., 4.7. 1942. „Keitels ganzes Denken konzentriert sich z.Zt. auf die Treibstofflage. Demgegenüber treten alle anderen Sorgen weit zurück“, ebd., BA-MA, RW 19/168. Vgl. auch die Eintragungen unter dem 2. 1. und 18.3., BA-MA, RW 19/166 und 168. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die britische Einschätzung des deutschen Treibstoffproblems. So kam ein dem „Chiefs of Staff Committee“ am 6.5.1942 vorgelegter Lagebericht zu dem Ergebnis, daß die Ölbestände dem Reich noch eine Frist von sechs Monaten zur Durchführung der Operationen im Osten ließen: „If by the end of that time Germany has failed to secure the Caucasus oil, she will be incapable not only of continuing the offensive but also of resisting a Russian counter-offensive.“ C.O.S.(42) 125 (O), 6.5.1942, PRO, CAB 80/62, S. 310-313