Zitat Zitat von Cicero1 Beitrag anzeigen
Auch in anderen Foren, wenn es um den 8. Mai ging, habe ich immer darauf verwiesen, dass dieser Tag keineswegs von der Mehrheit damals als Befreiung gesehen wurde. Bei Kommunisten, Juden, u.s.w. ist es klar. Aber diejenigen, die Haus und Hof verloren hatten und vertrieben wurden, werden diesen Tag kaum als Befreiung angesehen haben. Ich schrieb das auch in Foren mit einem relativ hohen Anteil an (alten) DDR-Kommunisten, bei denen dann immer der Blutdruck stieg.

Nicht ohne Grund wurde der 8. Mai in der Bundesrepublik niemals gesetzlicher Feiertag. Das nun im Land Berlin auf Druck der Kommunisten der 8. Mai als gesetzlicher Feiertag eingeführt wurde, ist wohl einmalig in der Welt - einmalig im Sinne, die eigene Niederlage zu "feiern"; kaum ein anderer Staat (oder Teile eines Staates) wird so etwas jemals machen.
Ja, das Feiern der eigenen Niederwerfung ist wohl eine exklusiv bunzelrepublikanische Angelegenheit. Und ich fürchte, es wird nicht bei Berlinistan bleiben, so etwas hat gefährliche Signalwirkung. Mich wundert etwas, dass Ramelow das noch nicht in Thüringen umgesetzt hat, auf der anderen Seite ist der natürlich ein West-Kommunist, der vielleicht auch eine etwas andere Sicht auf diese Frage hat.

Das Opfer gezielter Verfolgung durch den NS-Staat den 8. Mai als Befreiung betrachten, kann ich durchaus noch nachvollziehen, wobei manche - gerade in der sowjetisch besetzten Zone - da auch schlicht Pech hatten, sie blieben in Lagern, nur die Wachmannschaften wurden ausgetauscht. Übrigens auch so eins der Thema, über das die SED-Erben der Linkspartei generell nicht reden wollen. Der große Rest der Bevölkerung mag froh gewesen sein, jetzt nicht mehr direkt und akut in Gesundheit und Leben bedroht gewesen zu sein. So sie es denn tatsächlich nicht mehr waren, denn für die Deutschen unter Sowjetischer und teils auch Französischer Besatzung war das gar nicht der Fall. Die Soldateska der roten Armee hielt sich auch nach der Kapitulation hemmungslos schadlos an allem, was man irgendwie als Beute verstehen konnte, inklusive Frauen. In der Tschechei wütete der gefürchtete "Volkszorn" der Tschechen, auch in jetzt polnischen Gebieten waren die Revanchisten zu Gange, der Zustand der faktischen Vogelfreiheit hielt für Deutsche in diesen Gebieten an, bis die letzten 1946 vertrieben oder ermordet waren. Und für deutsche Kriegsgefangene bei Stalin sollte es noch oft genug noch ein ganzes Jahrzehnt dauern, bis sie zumindest in relativer Sicherheit waren. Soweit sie die Zeit halt überhaupt überlebt hatten. Wie man das zu einer "Befreiung der Deutschen" umlügen kann, werde ich im Leben nicht verstehen. Ich verstehe die Motive, die die Gegner hatten, sogar teils auch die unserer eigenen Verräter nach Mai 1945, aber was da am 8. und 9. Mai 1945 vollzogen wurde, war eine Kapitulation, eine bedingungslose Kapitulation, und - zumindest der Schriftform nach - auch nur eine der Deutschen Wehrmacht, keine des Deutschen Reichs. Das existierte rechtlich gesehen noch ein paar Tage weiter, bis man seine letzte Regierung in Mürwik gefangen setzte. Das war keine Befreiung, es war eine Besetzung, und sie dauert bis heute an.

Erst gestern las ich einen Artikel über 50 Jahre "Ostverträge":



Diese Verträge waren ja damals ziemlich umstritten. Brandt sagte: „Mit diesem Vertrag geht nichts verloren, was nicht längst verspielt worden war.“ Im Prinzip war das wohl so, und in diesem Punkt war er wohl ehrlicher als die CDU. Die CDU hielt meiner Meinung nach nur aus wahltaktischen Gründen an der Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze fest. Die wussten doch, dass diese Gebiete vermutlich für immer verloren sind. Wie sollte dies gegen einen nuklear gerüsteten Warschauer Pakt geändert werden? Unmöglich! Wenn Waigel auf dem Pfingsttreffen die Illusion aufrecht erhielt, dann war da nicht viel Ehrlichkeit enthalten.

Was wäre nun gewesen, wenn man die Oder-Neiße-Grenze weiter abgelehnt hätte? Japan verzichtet ja bis heute nicht auf die Kurilen, was im Prinzip richtig ist, denn so können sich die russischen Landräuber niemals ihrer Beute sicher sein. Die USA zum Beispiel haben niemals die Annektion des Baltikums 1940 anerkannt, was auch richtig war. 1991 mussten die russischen Räuber dieses Gebiet dann doch herausrücken, nachdem der Westen sie 45 Jahre lang "fertig gemacht" hat, so das sie in ihren Geschäften 1990 nicht mal mehr genug zum Fressen hatten.

1990 musste allerdings Deutschland die Oder-Neiße-Grenze anerkennen, sonst hätte es keine Wiedervereinigung gegeben - nach dem Motto "lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach". Wobei natürlich nichts für die Ewigkeit ist.
Ich weiß, dass man in meiner Familie Brandt schon wegen seiner Vergangenheit verachtet hat, er hieß bei uns nur "Bundeskanzler Frahm", auch Jahrzehnte später noch. Aber die Ostverträge haben diese Verachtung in offenen Hass verwandelt, noch 20 Jahre später schnappte mein Großvater "Erschießen, diesen Verräter", wenn die Sprache irgendwie auf Brandt kam. War er "nur" ehrlicher als die Vertreter der CDU, und gaben die wirklich Lippenbekenntnisse ab, wenn sie die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ausschlossen? Das mag sein, durchaus. Selbst für den Fall, dass es doch irgend jemand ernst gemeint haben sollte mit einer Wiederangliederung des verlorenen Ostens, realistisch war das nie. Nach 1945 wurden Fakten geschaffen, und soweit diese Fakten die Deutschen betrafen oder betreffen, waren sie endgültig. Der deutsche Osten ist verloren, nicht nur räumlich. Seine Kultur ist verloren, sein Charakter, und sollte irgend ein irrwitziger Umstand in einer ungewissen Zukunft die Gebiete wirklich wieder zu einem Teil eines deutschen Staates machen, wäre es trotzdem nicht mehr, was wir 1945 verloren haben.Diese Chance ging mit den letzten lebenden Zeugen verloren, wie das Leben dort gewesen ist.