COT
Im Abschnitt über "daytrading nach news", weiter oben, hatte ich beschrieben, daß kein Newstrader eine Nachricht über eine Aktie von ihrem Inhalt her beurteilt. Die Nachricht ist vielmehr nur der Trigger, sich diese Aktie überhaupt anzuschauen. Die Richtungsentscheidung wird allein von der "Price action" bestimmt. Price Action bedeutet, man schaut sich an, was der Preis anhand bestimmter Kriterien im Orderbuch und im Chart sowie der times &sales-Liste macht, um sich in eine Richtung zu positionieren.
Aber auch bei mittel- oder längerfristigen Spekulationen, etwa im Rahmen von einem halben bis zu 1 oder 1,5 Jahren, richten sich viele unerfahrene Trader zu stark nach ihrer "Meinung".
"Ich glaube, es kommt ein großer Crash und gehe short". Oder: "Ich erwarte keine zweite Corona-Welle und gehe long".
Wer nur so tradet, wird auf Dauer keinen Erfolg haben. Die eigene "Meinung" liegt erfahrungsgemäß meistens falsch. Retailtrader verfügen nie über das gleiche Wissen, die gleichen Informationskanäle, das gleiche Netzwerk, über welches das "big money" verfügt.
Das muß nicht unbeding heißen, daß Institutionelle es einfacher haben. Denn sie unterliegen wiederum Zwängen, die der einzelne private Trader nicht hat.
Trotzdem ist es falsch, die eigene Meinung über zukünftige Entwicklungen zum Maßstab der Tradingidee zu machen. Vielmehr im Gegenteil: je weniger man das macht, je mehr man die "Price Action" auch im längerfristigen Trading zum Maßtab macht, je weniger eigene Meinung man einfließen läßt, umso besser.
Eines der wichtigsten Tool dafür ist der COT ("Commitments of Trades")- Report, der wöchentlich herauskommt. Hier wird das open interest, also die Zahl der offenen Positionen in Terminmärkten, aufgeschlüsselt nach bestimmten Gruppen von Marktteilnehmern, veröffentlicht.
Insofern ist der COT ein absolut objektives Tool. Er zeigt Tatsachen, nicht Meinungen, Erwartungen oder Stimmungen, wie die meisten anderen Indikatoren. Ebenso wie z.B. der short float bei den Aktien.
Er ist praktisch die Price Action für den längerfristigen Anleger, denn für Daytrader eignet er sich natürlich nicht.
Die Aufteilung der Gruppen wurde vor einigen Jahren um die Gruppe der "swap dealers" erweitert. Im unteren Bereich sehen wir die erweiterte Version, darüber die alte Aufteilung in ursprünglich 3 Gruppen.
Hier am Beispiel des Gold-Futures:
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Wie genau sich diese einzelnen Gruppen zusammensetzen, wer genau damit gemeint ist, darüber gibt es genug Infos im Internet. Wie man ihn nun genau liest, bzw. für seine eigenen Anlageentscheidungen nutzt, das muß letztendlich jeder selber herausfinden. Sehr schnell wird man bestimmte Muster erkennen und man wird auch die starken Unterschiede kennenlernen, was die verschiedenen Basisinstrumente betrifft. Die Marktteilnehmer eines Futures auf einen Aktienindex z.B. verhalten sich ganz anders als die eines Rohstoff Futures.
Worauf ich z.B. achte: Wie stark sind die Commercials im Markt (rote Linie)? Z.B. bei den Rohstoff-Futures sind die Commercials diejenigen, die den Rohstoff physisch besitzen oder auch verarbeiten. Sie wollen nicht spekulieren, sie wollen mit Futures kein Geld verdienen. Ein Sojabauer (bzw. eine Firma) z.B. will sich mit einem Future gegen den Verfall des Sojapreises absichern und damit seine Ernte schützen.
Also gehen die Commercials ausschließlich short. Außerdem verfügen sie über größeres Wissen über die Entwicklung der Angebotsseite als die übrigen Marktteilnehmer, weil sie ja sozusagen in der Produktion direkt involviert sind. Vielleicht können sie auch nicht jede Dürreperiode vorhersagen, aber ihr Vorwissen ist trotzdem größer.
Sie verlieren in keinem Fall Geld. Steigt nämlich der Rohstoffpreis, verliert zwar ihr Future an Wert, das aber wird dadurch ausgeglichen, daß sie den Rohstoff ja physisch besitzen und dieses gleichzeitig teurer wird. Erwarten sie steigende Preise, werden sie aber aus dem Markt gehen, weil sie sich dann weniger short absichern.
Sind also viele Commercials im Markt (rote Linie), dürfte es demzufolge keine gute Idee sein für einen Retailtrader, mittelfristig long zu gehen. Sind sie wenig investiert, dann ist long eine gute Entscheidung.
Der COT Report wird auf viele Arten genutzt. Einige benutzen den Spread zwischen Commercials und Non-Commercials als Umkehrsignal usw. Letztendlich ist es einfach wichtig, eigene Erfahrungen zu sammeln und eigene Regeln und Muster, die man mit der Zeit erkennt, backzutesten.
Aber ignorieren sollte man ihn besser nicht. Wer nur nach der eigenen subjektiven Meinung tradet, hat schlechte Karten.