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“Corona ist mir egal”: Warum Helga Witt-Kronshage (86) lieber sterben will, als eingesperrt zu sein
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Das Schlimmste, sagt Helga Witt-Kronshage, ist gar nicht die Einsamkeit. Es ist nicht das Verbot, mit dem Rollstuhl in den Garten zu fahren, wo die Frühlingssonne scheint. Es ist nicht die Stille und nicht die Menschenleere auf den Fluren und schon gar nicht die Angst vor dieser vermaledeiten Seuche. Es ist die Tatsache, dass niemand sie gefragt hat.
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Sie gehört zur Risikogruppe für Covid-19. Und deshalb darf sie keinen Besuch empfangen. Sie darf nicht hinaus. Sie isst Frühstück, Mittag und Abendbrot allein in ihrem Zimmer oder in der Küche. Und sie durfte, als es einen Corona-Verdachtsfall unter den Pflegern gab, noch nicht einmal mehr auf den Flur vor ihrem Zimmer. Im Strafvollzug nennt man das Einzelhaft.
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... auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnt: Im Moment sei “nur Abstand Ausdruck von Fürsorge”....Helga Witt-Kronshage sieht das ganz anders als die Kanzlerin. “Das ist kein Schutz. Das ist eine Qual.”
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Wie viele Menschen leben derzeit isoliert wie Helga Witt-Kronshage in geschlossenen Heimen? Es sind Hunderttausende. ...In der Altersgruppe der über 80-Jährigen ist etwa jeder fünfte pflegebedürftig. Das sind mehr als eine Million Menschen, die jetzt im letzten Kapitel ihres Lebens noch größere Einsamkeit erleben als ohnehin schon....
Eine “extrem resolute Kämpferin” sei ihre Mutter, sagt Uta Kronshage. Die 86-Jährige ist eine energische, zupackende Frau – kontaktfreudig, interessiert an Politik, belesen und selbstbestimmt. Immer wieder verließ sie Krankenhäuser gegen ärztlichen Rat (“Wird schon wieder werden”). Uta Kronshage lächelt. “Meine Mutter ist Preußin durch und durch. Ein Gehwagen? Nicht mit ihr!” Für die Gesundheit der nächsten Generation würde sie jederzeit jedes Opfer bringen. Aber das eigene Leben verlängern? Zu dem Preis, einsam sterben zu müssen, ohne die Hand ihrer Töchter zu halten? Warum?
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