
Zitat von
derNeue
Analysten
Viele Aktionäre, die selbst weder Zeit noch Lust haben, Aktienanalyse zu betreiben oder sich damit zu befassen, verlassen sich auf das Urteil anderer, die ihnen sagen, welche Aktie z.Z. gerade sehr aussichtsreich sei. Sparpläne mit regelmäßiger Einzahlung gehen ja meist in ETFs oder Fonds, wer größere Beträge einmalig anlegt, bzw. spekulieren will, verläßt sich aber meist auf Empfehlungen.
Empfehlungen geben einerseits die Banken und Geldinstitute selber mit ihren täglich erscheinenden Ratings von Einzelwerten, die sie nach 3 Stufen (overweight, equal weight, oder reduce) ständig neu einordnen. Ihre Fehlerhaftigkeit dabei ist sprichwörtlich und dürfte jedem Börsianer bekannt sein. Wer sich in dieser Hinsicht auf die Banken verläßt, ist verlassen. Der Grund ist, daß sie regelmäßig den Entwicklungen hinterherhinken, sie aber nie voraussagen. Schlaue Anleger benutzen Bankenempfehlungen daher mit Erfolg als Kontraindikator.
Deutlich besser sieht es aus bei unabhängigen, privaten Analysten, die ihr Wissen meist in Form von nicht gerade preiswerten Börsenbriefen, Mitgliedschaften in Internetzirkeln etc. unter die Anleger bringen. Hier muß man die Spreu vom Weizen trennen. Es gibt einige, die eine sehr gute Arbeit machen und andere, die notorisch daneben liegen, ich will da keine Namen nennen, habe aber schon in früheren Zeiten einschlägige Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht.
Vor allem aber muß man sich über eines im klaren sein: Bei Aktienempfehlungen stellt sich immer die Frage der Interessenbindung. Gerade bei kleinen, marktengen Firmen beeinflusst eine Empfehlung in einem verbreiteten und angesehenen Börsenbrief direkt und u.U. auch stark den Kurs. Gerade, wenn es sich um die Entdeckung sogenannter "Geheimtipps" handelt, also bis dato unbekannter small caps. Hier muß man gar nicht unbedingt böse Absicht oder gar Insiderhandel unterstellen, aber jeder Redakteur einer Zeitschrift, jeder Analyst eines Briefs hat eben von Natur aus eine sehr starke Machtstellung gegenüber der kleinen Firma. Da trifft man sich natürlich mit dem Vorstand, wird zum Essen eingeladen und wer weiß, was sonst noch alles. Es ist ähnlich wie mit den Pharmareferenten und den Ärzten im Gesundheitssektor.
Außerdem hat jeder Analyst, der vorhat, eine Empfehlung auszusprechen, Vorwissen, auch genannt Insiderwissen. Das besteht darin, daß er konkrete Informationen über eine Aktie hat, die dazu führen werden, daß der Kurs beeinflußt wird. Und wenn die Information nur darin besteht, daß er eben diese Aktie in der nächsten Ausgabe seiner Zeitschrift empfehlen wird. Dieses Insiderwissen darf er nicht in irgendeiner Weise nutzen, aber rein praktisch gesehen: wer kontrolliert das, wer kann es nachweisen? Eine Veröffentlichungspflicht bei eigenem Aktienkauf, wie das bei Vorständen der Fall ist, gibt es hier nicht. Wer auf eine Empfehlung hin eine Aktie kauft, sollte sich daher immer im klaren sein: er ist mit Sicherheit nicht der erste, der von der Empfehlung profitiert. Natürlich kann er trotzdem gewinnen, aber vor ihm sind immer schon andere eingestiegen, deren Positionen er jetzt hochkauft.
Wer sich dagegen selber ein Bild macht und kauft, bevor die ersten Empfehlungen kommen, hat die besseren Karten.