Die Stadt Kiel verbietet nicht das Trinken in der Öffentlichkeit, sie finanziert
der Szene stattdessen einen Saufraum
Um die lokale Trinkerszene und die Gewalt in St. Pauli einzudämmen, wollen Hamburger Politiker das Trinken in der Öffentlichkeit verbieten. In Kiel gab es diese Diskussion schon vor mehreren Jahren, ein Trinkverbot scheiterte vor Gericht. Die Stadt Kiel und das Straßenmagazin Hempels haben stattdessen einen „Saufraum“ für die lokale Trinkerszene geschaffen. Hinz&Kunzt hat das Projekt besucht.
Kai kommt jeden Tag hierher. In dem großen verqualmten Raum in der Schaßstraße fühlt sich der 47-Jährige wohl. Während er einen Kaffee trinkt und sich an der Theke eine Zigarette dreht, packen die anderen Gäste gerade ihren Alkohol aus, den die meisten sich selber mitgebracht haben: Bier in Plastikflaschen, billiger Weißwein aus Tetrapaks, alles, nur nichts Hochprozentiges – das ist verboten.
Mit der großen Holztheke und den langen Tischen wirkt der Raum fast wie eine ganz
normale Kneipe. Zwei Hunde wuseln durch die Gegend, es läuft Musik von Led Zeppelin. Einige Gäste – die meisten sind arbeitslos, haben aber eine Wohnung – sind um diese Uhrzeit schon ziemlich betrunken, trotzdem macht die Szene einen friedlichen Eindruck. Dass die Leute hier schon morgens trinken dürfen und auch ihren eigenen Alkohol mitbringen können, ist eine der zentralen Ideen hinter dem Projekt.
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Ausgerechnet ein „Behördenmensch“ hatte dann eine Idee: Christoph Schneider,
Abteilungsleiter im Amt für Wohnen und Grundsicherung der Stadt Kiel, ist quasi der
Erfinder des „Saufraums“. Er beurteilt ein Trinkverbot ganz ähnlich wie Hempels: „Man
kann nicht allen das Trinken verbieten, denen eine normale Kneipe zu teuer ist.“
Weil Gruppen von Trinkern aber für viele Kieler trotzdem bedrohlich wirken, plädierte
er für einen eigenen Raum für die Szene. Eine Art Café „ist eine bessere Lösung, als die Trinker immer wieder zu vertreiben und sie wie Kriminelle zu behandeln“.
Erstaunlich. Die Szene hat den „Saufraum“ offensichtlich angenommen. Vor Aldi, auf dem Spielplatz – niemand mehr. Ohne Trinkverbot. Einfach nur, weil es draußen ungemütlich wurde – und drinnen anheimelnd. Es gibt nicht nur den Raum, der von 9 bis 15 Uhr geöffnet ist, es gibt auch Ein-Euro-Jobs. Die Stadt finanziert das Angebot mit 75.000 Euro auf eine Dauer von drei Jahren. Davon werden zwei Tresenkräfte beschäftigt.