Das Scheitern seiner parteipolitischen Karriere erklärte er verschwörungstheoretisch mit dem „Wirken überstaatlicher Mächte“. Damit waren der Jesuitenorden, die „Rom-Kirche“, die Freimaurerei, die kommunistische Internationale, das Umfeld um den tibetischen Dalai Lama (als dessen Beauftragten er 1937 Josef Stalin verdächtigte) und vor allem das Weltjudentum gemeint, die sich, so wähnte Ludendorff, zusammengetan hätten, um Deutschland zu demütigen und zu knechten.[53] Ihr Ziel sei letztlich die Weltherrschaft. Zu diesem Zweck hätten sie unter anderem schon 1914 das Attentat von Sarajevo inszeniert, die russische Revolution, den Kriegseintritt der USA, die Novemberrevolution und den Versailler Vertrag.
Forum für diese Verschwörungstheorien bot ihm der politische Ziele verfolgende Tannenbergbund. Ursprünglich hatten Ludendorff und Konstantin Hierl diese Organisation 1925 als Dachverband völkischer Kräfte gegründet, um kleinere Organisationen, aus anderen konservativen und rechtsnationalen Vereinen ausgestoßene Völkische und Reste der verbotenen NSDAP zu sammeln.
Unter dem Einfluss von Ludendorffs zweiter Frau Mathilde entwickelte sich der Bund aber zu einer esoterischen Gruppierung, in der zunehmend antichristliches Gedankengut vertreten und an die Stelle des Christentums die Philosophie Mathilde Ludendorffs gestellt wurde. In den späteren Veröffentlichungen des Tannenbergbundes konstruierte Ludendorff nicht nur weitere Verschwörungstheorien, sondern vermutete kabbalistische Hintergründe bei bestimmten Geschichtsdaten: Da die Zahlen 10 und 5 als kabbalistische Zahlwerte der ersten beiden Buchstaben des Gottesnamens JHWH den Juden heilig sind, müsse der nächste Weltkrieg, der von ihnen ausgelöst würde, am 1. Mai 1932 oder 1941 beginnen, denn die Zahlen 1932 und 1941 haben als Quersumme 15.
Ludendorff und seine Frau verbanden mit ihren antisemitischen Ausfällen gegen angebliche jüdische Komplotte meist keine direkten politischen Forderungen und riefen nie zu direkten Aktionen gegen Juden auf. Sie äußerten vielmehr, dass wenn sich das deutsche Volk zu der germanischen „Gotterkenntnis“ hinwenden würde, es dadurch gleichsam automatisch „erneuert“ werden würde. Nach Bettina Amm verbreiteten sie in ihren Schriften „so massiv[e], beängstigend[e] und bedrohlich[e]“ Anschuldigungen gegen Juden, dass die implizite logische Schlussfolgerung daraus konkrete antisemitische Aktionen gewesen seien.[54]
Teile dieser Verschwörungsideologie fanden breite Resonanz unter der deutschen Bevölkerung. Ludendorff wurde ein Nationalheld, der zumindest metaphorisch durch eine Verschwörung von Juden und Freimaurern gestürzt worden sei.[55] Ludendorff blieb weiterhin eine wichtige Symbolfigur für die völkische Bewegung, aber auch für den hegemonialen Antisemitismus. Anlässlich seines 60. Geburtstages 1925 lobte das Göttinger Tageblatt beispielsweise Ludendorffs Kampf gegen das Judentum.[56]
Die meisten völkischen Kräfte, insbesondere auch die meisten Nationalsozialisten, die ansonsten Verschwörungstheorien wie den Protokollen der Weisen von Zion nicht abgeneigt waren, teilten die Ideen des ehemaligen Kampfgenossen jedoch nicht in vollem Umfang.
Alfred Rosenberg vermutete, der ehemalige Generalquartiermeister sei psychotisch geworden, während Joseph Goebbels über Mathilde Ludendorff in seinem Tagebuch schrieb: „Diese Frau ist sein böser Geist“. Bereits am 5. Februar 1927 war ein Rundschreiben an alle Gauleitungen der NSDAP ergangen, das parteioffiziell feststellte:
„Exz. Ludendorff ist nicht Mitglied der N.S.D.A.P. und hat deshalb auf diese keinerlei Einfluß. Dasselbe gilt von den Exz. Ludendorff nahestehenden, im Tannenbergbund zusammengeschlossenen Wehrverbänden.“[57] Hitler äußerte im selben Jahr auf einer öffentlichen Veranstaltung in Regensburg sogar die Vermutung, Ludendorff sei selbst Mitglied einer Loge.
Der Nationalsozialismus blieb in seiner Ablehnung der ludendorffschen Ideen innerhalb der völkischen Bewegung nicht allein. Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs Heinrich Rendtorff und die führenden protestantischen Theologen sowie einige konservative Publizisten bekämpften Ludendorffs Ideen in der völkisch orientierten Zeitschrift Glaube und Volk.[58]
Wegen dieser Ideen ist über Ludendorffs geistigen Gesundheitszustand spekuliert worden.
Der deutsche Journalist Winfried Martini spottete 1949 über Ludendorffs „germanisch-depressives Irresein“.[59] Der Historiker David Nicholls nennt Ludendorffs Ansichten „bizarr und paranoid, sogar nach Nazi-Maßstäben“.[60] Der amerikanische Historiker Barry A. Jackisch fühlt sich durch sie an den „paranoiden Stil“ erinnert, den Richard Hofstadter in der amerikanischen Gesellschaft diagnostizierte: Dieser sei keine individuelle Geisteskrankheit, sondern die habitualisierte Neigung einer Gruppe, eines Milieus oder einer Gesellschaft, alle widrigen Ereignisse mit dem Wirken böswilliger Verschwörer zu erklären.[61] Ernst Piper rückt Ludendorffs „paranoide Verschwörungstheorien“, die wegen seines Ruhms ein fatal weites Echo gefunden hätten, in die Nähe seiner „Unfähigkeit zu trauern“, in dem Sinne, dass er unfähig gewesen sei, sich zu der militärischen Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg zu bekennen.[62] Auch sein Biograph Manfred Nebelin macht darauf aufmerksam, dass Ludendorff wiederholt „als partiell unzurechnungsfähig oder gar paranoid angesehen“ wird, letztlich müsse aber „die Beschäftigung mit seiner in der Tat mancherlei ‚Rätsel‘ aufgebenden Persönlichkeit im wesentlichen der Psychologie vorbehalten bleiben“.[63]
Ab 1927 begann Ludendorff auch Faschismus und Nationalsozialismus als ausführenden Teil der „überstaatlichen Mächte“ zu betrachten, von denen er Deutschland verfolgt sah. Seine Publizistik richtete sich nun auch gegen Hitler und die NSDAP, denen er zum Beispiel vorwarf, die Deutschen an den Papst verraten zu wollen.[64] Je schädlicher Ludendorff die Politik des Reichspräsidenten von Hindenburg erachtete, desto mehr bereute er es, nicht früher öffentlich gemacht zu haben, dass Hindenburg selbst keinerlei Anteil an den militärischen Leistungen des Duumvirats Hindenburg-Ludendorff im Ersten Weltkrieg gehabt habe.[65] 1927 trat Ludendorff aus der Kirche aus.[66]
Ludendorff und seine Frau griffen auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 die NSDAP und Hitler scharf an. In ihrem antisemitischen Verschwörungsglauben warfen sie nun sogar Hitler vor, zu wenig gegen die angebliche Bedrohung durch das Weltjudentum zu tun.[67] Daraufhin wurden von Nationalsozialisten bei Ludendorff-Buchhandlungen die Scheiben eingeschlagen, Veranstaltungen der Ludendorff-Bewegung wurden gesprengt, Anhänger des Tannenberg-Bundes wurden misshandelt.[68] Ende 1933 wurden der Tannenbergbund mit seinen angeschlossenen Organisationen und die Zeitschrift Ludendorffs Volkswarte verboten. Nur die Zeitschrift Am heiligen Quell Deutscher Kraft durfte bis 1939 weiter erscheinen. Ebenso unangetastet blieb auch der von 1931 bis zu seiner letzten Veröffentlichung 1940 von Mathilde Ludendorff geführte Ludendorffs Verlag. Aus dem Jahr 1933 sind viele Telegramme Ludendorffs an Reichspräsident Hindenburg überliefert, in denen er sich empört über die Misshandlung seiner Anhänger äußerte.[69] Häufig wird ein Brief Ludendorffs an Hindenburg vom 1. Februar 1933 zitiert, in dem er ihm prophezeit haben soll, dass Hitler „unser Reich in den Abgrund stoßen, unsere Nation in unfaßliches Elend bringen“ werde; kommende Generationen würden Hindenburg „verfluchen in Ihrem Grabe, daß Sie das getan haben“ (gemeint ist die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler). Eine solche Prophezeiung lässt sich in den überlieferten Quellen nicht nachweisen; sie gilt als Legende, die nur auf Erinnerungsfehlern in den 1953 erschienen Memoiren von Hans Frank beruht.[70]
Nach den Verboten schlug Ludendorff moderatere Töne an.[71]
Da die Nationalsozialisten ihn als Helden des Weltkrieges und der „Kampfzeit“ verehrten, blieb das Ehepaar Ludendorff persönlich unbehelligt. Nach Hindenburgs Tod 1934 versuchten sie sich mit Ludendorff auszusöhnen und ihn als nationale Identifikationsfigur aufzubauen. Zugleich äußerte auch die Reichswehr-Führung ein großes Interesse daran, ihn als ein Gegengewicht zu Hitler stärker ins Spiel zu bringen.[72] Hitlers Angebot, ihn zum Generalfeldmarschall zu ernennen und ihm ein wertvolles Rittergut zu schenken, lehnte Ludendorff brüsk ab, da er von einem Gefreiten nicht den Feldmarschallstitel bekommen wollte. Schließlich kam es am 30. März 1937 zu einer Aussprache zwischen Hitler und Ludendorff, auf die dieser nur unter der Bedingung eingegangen war, dass der Bund für Deutsche Gotterkenntnis wieder zugelassen würde. Als „Deutsche Gotterkenntnis (L)“ wurde der Bund daraufhin gleichberechtigt zu den christlichen als Religionsgemeinschaft staatlich zugelassen.
Am 20. Dezember 1937 starb Ludendorff im Münchner Josephinum-Krankenhaus an Leberkrebs.[73] Die nationalsozialistische Regierung ehrte ihn gegen seinen ausdrücklichen Willen und den seiner Ehefrau mit einem Staatsakt am 22. Dezember 1937 in München, beigesetzt wurde er am selben Tag auf dem Neuen Friedhof in Tutzing.
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