Es geht um "Meinungsäußerung", nicht um Meinungen, Friedrich. Die Meinungsfreiheit zu beschränken, ist sowieso Unsinn, denn Meinungen hat man und welche, das kann sowieso niemand vorschreiben oder verbieten. Der Anstand und die Regeln eines nicht rücksichtsfreien Umgangs miteinander und die Klugheit gebieten jedoch, dass nicht jede Meinung ausgesprochen werden kann bzw. sollte.
Um dein DDR-Beispiel mal weiterzuspinnen. Hätte jemand in einer von der Partei geleiteten Betriebsversammlung seine Meinung frei geäußert, dass die alten Knochen in Berlin keine Ahnung haben, eine Wirtschaft zentral zu lenken, dass das sowieso nicht auf Dauer geht und dass die ganze Bevormundung Mist ist und die Leute eher am Mitarbeiten hindert als was gewollt ist, und dass die Parteibonzen dir eigentlich den Buckel runterrutschen können, dann hättest du zunächst nur dir selbst geschadet. Ich glaub auch nicht, dass du den Mut dazu hattest.
Und das hat sich bis heute nicht geändert, eher das Gegenteil ist der Fall. Es wird geheuchelt und gelogen und geklagt, dass sich die Balken biegen. Freilich kann man heute öffentlich seine politischen oder religiösen Meinungen ungestraft äußern, wenn man aber jemanden konkret angreift, dann kann das sehr sehr teuer werden. Der Kabarettist Jürgen Becker nannte einen Kardinal öffentlich Hassprediger. Die Folge: "Das Bistum Köln erwirkt einstweilige Verfügung gegen den Kabarettisten Jürgen Becker, er darf Kardinal Joachim Meisner nicht mehr als Hassprediger bezeichnen... (bei Wiederholung drohen ihm) bis zu 250 000 Euro Strafe oder bis zu sechs Monate Haft" (Zitat von [Links nur für registrierte Nutzer]).
Der Staat hält sich da heraus, er schreibt Meinungsfreiheit usw. vor, evtl. gibt er das Stzragfmaß bei Verletzung vor, das wars dann. Der Rest ist Sache des Betroffenen und der Gerichte. Und die müssen sich zwar an die staatliche vorgegebenen Gesetze halten, sind aber unabhängig in ihren Entscheidungen.
_