Die deutschen NS-Täter nahm der Leiter der österreichischen Sektion der Päpstlichen Hilfskommission, Bischof Alois Hudal, unter die Fittiche. Der gebürtige Österreicher war Rektor des deutschen Priesterkollegs und Vorsteher der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell'Anima in der Via della Pace in Rom. Der Träger des „Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP“ hatte sich für eine Symbiose von Katholizismus und Nationalsozialismus stark gemacht und 1936 das Buch „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ veröffentlicht. Ein an Hitler verschicktes Exemplar hatte Hudal mit der Widmung versehen: „Dem Siegfried deutscher Größe“. Nach 1945 fühlte er sich, wie er unverblümt zugab, verpflichtet, sein „gesamtes wohltätiges Werk hauptsächlich früheren Nationalsozialisten und Faschisten zu widmen, besonders den so genannten Kriegsverbrechern“.
Hudal war neben Draganovic die zweite zentrale Figur der kirchlichen Fluchthilfeoperation. Ihre Netzwerke ergänzten sich in perfekter Weise. Verbindungsmann in Genua war Franz Ruffinengo, ein ehemaliger Offizier Mussolinis, der später ein bei Nazis beliebtes Reisebüro in Buenos Aires eröffnen sollte. Schutz boten der Erzbischof von Genua, Giuseppe Siri, sowie der ungarische Priester Edoardo Dömöter, dem eine „ausgesprochene Schwäche für Hardcore-Nazis“ nachgesagt wurde und der 1950 Eichmanns Antrag auf einen Rote-Kreuz-Pass unterzeichnete. Hudals wichtigster Gehilfe war Reinhard Kopps, ein ehemaliger Agent der Abwehr, der potenzielle Fluchtkandidaten aufspürte. Mitte 1948 flüchtete Kopps selbst nach Argentinien, von wo aus er den Kontakt zu Hudal aufrechterhielt und unter dem Namen Juan Maler eine rege neonazistische Propagandatätigkeit entfaltete.
Hunderte von Flüchtlingen verdankten Hudal ihre Flucht, neben den Topverbrechern Eichmann, Priebke und Schwammberger (s. Kasten) auch der „Henker von Riga“, Eduard Roschmann, der in Forsyths Roman „Die Akte Odessa“ als Kopf der „Odessa“ auftritt, Franz Stangl, der als Kommandant der Vernichtungslager von Treblinka und Sobibor den Tod von 400 000 Menschen zu verantworten hatte, sowie der höchstdekorierte Soldat der Wehrmacht und bekennende Nazi, Fliegeroberst Hans-Ulrich Rudel. Letzterer erinnerte sich noch Jahre später in den wärmsten Worten an Hudal, der „das rasende Verlangen der Sieger nach Rache und Vergeltung wirksam vereitelt“ habe.
Es ist bis heute Gegenstand einer hitzig geführten Kontroverse, ob Papst Pius XII. in das Nazifluchthilfenetzwerk involviert war. Unstrittig ist, dass er sich persönlich bei den Alliierten für die von Draganovic protegierten kroatischen Kriegsverbrecher einsetzte, um sie vor der Auslieferung an Jugoslawien zu retten. Er attestierte den Ustascha-Generälen Vladimir Kren und Ante Moskov, „standhaft für die Anwendung humanitärer Prinzipien eingetreten zu sein“. Pius XII. verwandte sich zudem für zum Tode verurteilte Massenmörder wie Otto Ohlendorf, der als Führer der Einsatzgruppe D die Ermordung von 90 000 Juden befahl, oder Oswald Pohl, der als Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes für die Verwaltung der Konzentrationslager verantwortlich war.