"Polen greift an!" hieß es in der Weimarer Zeit gelegentlich alarmierend. Das schien den meisten Deutschen so unwirklich und unfaßbar wie die Zerrüttung und der politische Zerfall des deutschen Staates insgesamt. Es klang zu absurd. Eben noch mußte und konnte man einen Weltkrieg auf Augenhöhe mit den Weltmächten der Zeit austragen, und nun sollte kurz vor Berlin mit der Republik Polen in zähem Kampf um einzelne Dörfer gestritten werden. Dabei stand in den Jahren 1932 und 1933 der polnische Marsch nach Westen näher bevor als von manchen vermutet. Das zeigen zwei bisher unbekannte Briefe des damals kommenden polnischen Außenministers. Der Inhalt war von österreichischen Kontaktleuten in Warschau zeitnah ermittelt worden, und die Bundes-Polizeidirektion in *Wien leitete Anfang November 1932 die Information vertraulich an Bundeskanzler Engelbert Dollfuß weiter: Polen sollte in die Offensive gehen.
"Wenn es den Leitern der Außenpolitik der Republik gelungen ist, die Sicherheit der Ostgrenzen des Staates durch Abschluß des Nichtangriffspakts mit Sowjet-Rußland zu garantieren, so kann diese Tatsache nur eine Bedeutung haben: sie macht uns die Hände gegenüber Deutschland frei." Mit diesen Worten appellierte der Oberst und bis dahin stellvertretende polnische Außenminister Józef Beck im Oktober 1932 an Marschall Piłsudski, den diktatorischen Lenker der Staatsgeschäfte. Er forderte den sofortigen Angriff auf Deutschland und hatte dabei den kurz vor der Ratifizierung stehenden Nichtangriffsvertrag mit der UdSSR im Blick. Die Lage sei deshalb jetzt so günstig wie nie für einen "Krieg, um die Befreiung der polnischen Territorien vom deutschen Joch" anzugehen. Die Armee sei bereit.
Aggressionspläne gegen beinahe alle Nachbarstaaten
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