Ganz lesens- und wohl auch diskussionswürdiger Text von Fredmund Malik.
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Seid liberal, nicht neoliberal
von Fredmund Malik
Echter Kapitalismus schafft Wohlstand durch Investitionen. Wir aber leben in einem zerstörerischen Pekuniarismus.Tatsächlich ist das, was wir haben, kein Kapitalismus, sondern etwas Schlimmeres. Der Kapitalismus würde, bei allen Schwächen, durch Investitionen Kapital schaffen und damit die Voraussetzungen für Wohlstand. In Wahrheit ist in den vergangenen zehn Jahren aber Kapital in noch nie erlebtem Ausmaß vernichtet worden.Die eigentlichen Probleme sind der Neoliberalismus und die in dessen Kontext entstandene Art der Unternehmensführung: die am Shareholder Value orientierte Corporate Governance. Was sich unter dem Namen „Neoliberalismus“ präsentiert, ist kein Kapitalismus, sondern ein primitiver Geldökonomismus. Ein System, in dem alles auf eine einzige Kategorie, nämlich Geld, reduziert wird, in Geld wahrgenommen und Geld bewertet wird. Geld, nicht Kapital, dominiert Denken und Handeln.Es ist schlichtweg ein Märchen, dass, was immer unter Globalisierung verstanden werden soll, zu dieser Art des Wirtschaftens zwinge.Zu kritisieren ist der falsche Liberalismus, der unter dem Etikett des Neoliberalismus als bestes aller denkbaren Systeme verbreitet wurde. Jetzt riskiert die Kapitalismuskritik genau jene Elemente des echten Liberalismus zu zerstören, die für eine funktionierende Gesellschaft unabdingbar sind, nachdem der Sozialismus sich als untauglich erwiesen hat.Der heutige Neoliberalismus ist insgesamt ein Zerrbild des echten Liberalismus, das keiner der großen liberalen Denker akzeptiert hätte. Echter Liberalismus ist nicht Theorie der Wirtschaft, sondern eine Theorie der Gesellschaft. Er stellt die Wirtschaft explizit in den Dienst der Gesellschaft, aber auf eine andere Weise als der Sozialismus.Kein echter Liberaler hat jemals Individualismus mit Egoismus verwechselt. Der Verhaltenskrüppel der Wirtschaftswissenschaften, der Homo Oeconomicus, wurde erst lange nach Adam Smith geboren. In dessen Werk ist er, entgegen allen unausrottbaren Legenden, jedenfalls nicht zu finden.Echter Liberalismus verlangt nicht, dass alle Ziele der Wirtschaft unterstellt werden sollen. Niemand hat deutlicher als Friedrich von Hayek gesagt, dass letztlich alle Ziele nicht-ökonomischer Natur seien. Viele einflussreiche Gegner, zum Beispiel Künstler und Intellektuelle, aber auch viele junge Menschen, könnten für ein freies Wirtschaftssystem gewonnen werden, wenn man von ihnen nicht verlangte, alles rein ökonomischer Ratio unterzuordnen.Die liberalen Denker haben die Marktwirtschaft zwar verteidigt, aber nicht gepriesen. Sie wussten, dass sie schlecht und ineffizient ist. Sie wussten aber auch, dass alle anderen Systeme noch viel schlechter und ineffizienter sind.Der Markt ist zwar unverzichtbar, aber limitiert in seiner Funktionsweise. Es ist naiv zu sagen, der Markt werde schon alles richten. Er führt keine wirtschaftliche Leistung herbei; er verhindert keine Fehler, sondern bestraft sie, nachdem sie passiert sind.Die wirkliche Ursache der heutigen Misere sind Managementvorstellungen, die in den neunziger Jahren im falschen Glauben an die Überlegenheit der US-Wirtschaft von dort importiert wurden. Die am Shareholder Value orientierte Corporate Governance galt und gilt noch immer als das Nonplusultra des Fortschritts in Unternehmensführung. Eingetreten ist das Gegenteil.Die heutige Corporate Governance resultiert aus der falschen Frage, in wessen Interesse ein Unternehmen geführt werden soll. Als Antwort zählt das Interesse der Aktionäre und neuerdings, weil Zweifel aufkommen, das Interesse der Stakeholder. Beides ist falsch. Es ist falsch in dem Sinne, als eine derart ausgerichtete Unternehmensführung aus eigener Überzeugung, oder gezwungen durch Publikumserwartungen und den Terror der Finanzanalysten, millionenfach verstärkt durch die Medien, systematisch falsche Entscheidungen trifft.In der Bipolarität von Shareholder- und Stakeholder-Ansatz wurde die dritte Möglichkeit bisher übersehen.
Diese ist das einfache Erfolgsgeheimnis aller gut geführten Firmen, nämlich das Unternehmen selbst und nicht irgendwelche Interessengruppen zum Referenzpunkt zu machen. Was gut für das Unternehmen ist, kann für seine Aktionäre und sonstigen Stakeholder nicht falsch sein. Umgekehrt ergibt sich aber keine Logik.Es kann nicht Zweck eines Unternehmens sein, Arbeitsplätze zu schaffen. Kundenzufriedenheit muss Vorrang haben vor Aktionären und Arbeitnehmern, selbstverständlich auch vor Managern, die ihrerseits Arbeitnehmer sind, auch wenn sie noch so komfortable Einkommensarrangements haben mögen.Vollständiger Artikel:Kundenzufriedenheit orientiert sich am Konkurrenzangebot. Somit ist nicht Shareholder Value, sondern Customer Value entscheidend; und nicht Wertsteigerung, sondern Wettbewerbsfähigkeit. Das ist die logisch ebenso zwingende wie praktisch schwierig zu realisierende Wahrheit des Wirtschaftens und der Führung eines Unternehmens.
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