Ich möchte mal ein heißes Eisen anpacken: Die Lage und Selbsteinschätzung der heutigen deutschen Juden.
Fühlen sie sich als Deutsche, als Juden, als deutsche Juden oder als Juden in Deutschland?
Ein bisher nur in englisch erschienenes Buch könnte darüber Aufschluß geben:
Strangers in Their Own Land (Fremde im eigenen Land): Young Jews in Germany and Austria Today von Peter Sichrovsky von 1987
"With my heart I am not a German and never will be. . . . No heart can stand this sort of humiliation," says one of the 15 interviewees in this slim but devastating volume. Outwardly, these Jews, all of whom were born after 1945 to parents who survived the Holocaust, enjoy a well-ordered existence relatively free from neighbors' prejudice or harassment. But beneath the surface they are deeply distrustful of gentile Germans and Austrians; they live in fear and anxiety fueled partly by their parents' vivid memories of the Nazis and partly by what they see as an anti-Semitism that never died. They share the view that the elder generation of non-Jewish Germans feels no guilt about Nazi atrocities, while younger ones are abysmally ignorant of history and glorify the past. In the words of one subject, "Nothing has changed." Nearly all of those interviewed believe that the Germans are capable of repeating the Holocaust. Articulate, thoughtful, troubled and troubling, this collective self-portrait of Jews adrift in their native land is also an important probe of modern German society. It breaks a wall of silence.
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Ich bringe mal ein paar Übersetzungen aus dem Englischen:
Fritz: "Der einzige Grund, warum ich in Deutschland lebe, ist mein Beruf ... Mit dem Herzen bin ich kein Deutscher und werde es niemals sein."
Anna: "Aber ich bin keine Deutsche und will es nicht sein. Ich fühle mich als Israelin."
Jeanette: "Ich hoffe und glaube, daß sie (Jeanettes Tochter, der Verfasser) sich immer als Jüdin betrachten wird."
Tuvi: "Der Haß auf Deutschland und alles Deutsche wurde (von den älteren Juden, der Verfasser) auf die Kinder übertragen. Sie trinken ihn wie die Muttermilch" ... "Ich habe keine patriotischen Gefühle für dieses Land".... "Zuerst kommt der Jude und dann der Deutsche, wenn man überhaupt Deutscher sein kann."
Susan: "Von Anfang an hatte ich entschieden, sie (Susans Tochter, der Verfasser) als Jüdin zu erziehen. Ich wollte nicht, daß sie Deutsche würde."
David: "Ich würde sagen, daß ich Berliner, Jude, Deutscher bin, und zwar in dieser Reihenfolge. Deutscher zuletzt, weil ich keine Beziehung zu Deutschland habe."
Helene: "Wir werden immer Juden sein, ganz gleich wo wir sind und mit wem."
Arjeh: "Und hier war ich in einem Land, das niemals für mich Heimat war und niemals sein wird."
Aaron: "Ich bin meinen Eltern nicht besonders dankbar, daß sie nach Deutschland zurückkehrten und mich hier aufwachsen ließen."
Nach dem Holocaust ist so eine Einstellung verständlich. Allerdings ist das Buch bereits über 20 Jahre alt. Ist Resignation wirklich die vorherrschende Meinung der Juden über Deutschland, oder kennt ihr auch positive Beispiele gelungener Integration?
Stellt das Buch eine einseitige Sichtweise dar, kennt ihr auch andere Ansichten?
Die Sprache scheint ja kein Problem zu sein im Gegensatz zu anderen Zuwanderergruppen wie den Moslems. Es scheint vorwiegend ein Identitätsproblem zu sein.
Immerhin sollen ja in letzter Zeit immer mehr Israelis den deutschen Paß beantragen/beantragt haben. Das würden sie kaum tun, wennn sie keine Zukunft in Deutschland sehen würden.
Wie ist das Verhältnis der deutschen Juden zu den jungen Deutschen, die nach dem Krieg geboren wurden?
Ist Resignation angebracht oder ist sie übertrieben? Oder schätzen die deutschen Juden an Deutschland vor allem die Rechtskultur, die Toleranz und die multikulturelle Gesellschaft?
Meine Meinung dazu ist, daß es mir egal ist. Die deutsch-jüdische Symbiose wurde durch die Nazis zerstört und der Holocaust verhindert, daß eine neue entsteht. Für mich sind alle Juden Israelis, also Ausländer.
Wie steht ihr dazu? Haltet ihr nach dem Holocaust eine deutsch-jüdische Symbiose, die Deutschland ja bereichert hat, für möglich oder nicht?