GESCHICHTE DES ASYLRECHTS
KURZ
Flüchtlinge, Asylbewerber, Vertriebene – das Recht auf Asyl beschäftigt die Menschen von jeher. Es reicht zurück bis in die Antike und entwickelte sich im Laufe der Geschichte, des bis heute andauernden Einflusses der Kirchen, der Reiche und Staaten, vor allem aber der Kriege.
Frühe Spuren von Asyl
So sah im 13. Jahrhundert v. Chr. das geopolitische Umfeld Ägyptens aus. Die Ägypter hatten wahrscheinlich als erste die Aufnahme von Flüchtlingen organisiert, also das Prinzip des Asyls in die Tat umgesetzt.Nach der Schlacht bei Kadesch schlossen 1280 v. Chr. Ramses II. und der Hethiterkönig Hattusil III. einen Friedensvertrag. Darin waren der Schutz und die Rückführung der Flüchtlinge aus dem Gebiet des Gegners vorgesehen.Der Begriff "Asyl" stammt aus dem Griechischen: ein "ásylon" war so etwas wie eine "Freistatt", ein heiliger, unantastbarer Ort.
Das Asyl in der Antike
In Griechenland soll im 5. Jahrhundert v. Chr. das Asylrecht in direktem Zusammenhang mit der Religion entstanden sein. Flüchtlinge standen unter dem Schutz der Götter und waren vor Rache sicher, an Orten, die von jedermann respektiert wurden. So bot z. B. der Tempel des Poseidon auf der Insel Paros den Verfolgten Schutz. Das Asylrecht stand Fürsten und Sklaven, Gesetzesbrechern und Mördern zu. In seinen "Vergleichenden Lebensbeschreibungen" erwähnt Plutarch übrigens diesen Brauch.
Asylrecht und Kirchenasyl
Dass aus einem Brauch später ein weltweit gültiges Prinzip wurde, ist den christlichen Kirchen zu verdanken. Denn sie verstanden sich als Beschützer aller Menschen. Festgeschrieben wurde das Kirchenasyl in dem von Chlodwig einberufenen Konzil zu Orléans im Jahre 511.
Das weltliche Asylrecht
Als sich mächtige Monarchien entwickelten, kollidierte die Tradition des kirchlichen Schutzes zunehmend mit dem Machtanspruch der Könige. Der König war nicht mehr bereit, das Asylrecht mit der Kirche zu teilen, da er das er als eine Beeinträchtigung seiner eigenen Rechtsprechung ansah. Der französische König Franz I. bestätigte das 1539 mit dem Edikt von Villers-Cotterêts, durch das amtliche Personenstandsregister eingeführt wurden. Das Recht auf Asylgewährung im französischen Königreich wurde der Kirche entzogen und ging auf den Staat über. So wurde das Asyl im 16. Jahrhundert in Frankreich ein weltliches Prinzip. Es hing nicht mehr mit einer heiligen Stätte zusammen, sondern mit einem von einem Monarchen beherrschten Staatsgebiet.Durch die Folgen der Religionskriege wurde die Bedeutung dieses nun weltlichen Prinzips natürlich noch größer.
Die Französische Revolution
Die Zeit der Französischen Revolution war eine ausschlaggebende Epoche für das Recht auf Asyl. Denn in Frankreich stellte man sich die Frage, was mit all den Menschen geschehen sollte, die durch die Kriege in Europa vertrieben wurden und die vor der "Tyrannei" flohen, wie man es damals ausdrückte. Sollte man sie aufnehmen, und wenn ja, wie?In Artikel 120 der französischen Verfassung von 1793 hieß es: "[Das französische Volk] gewährt Ausländern Asyl, die um der Freiheit willen aus ihrem Vaterland vertrieben wurden."In diesen Grundsätzen kommt zum Ausdruck, dass Frankreich sich als Asylland und als Heimat der Menschenrechte verstand. Es war die erste verbindliche Festlegung des Asylrechts in seiner heutigen Form.Übrigens konnten bereits in der Zeit nach der Französischen Revolution Ausländer, die in Frankreich Zuflucht gefunden hatten, in die Nationalversammlung gewählt werden, wie der Brite Thomas Paine, der für die Unabhängigkeit der 13 britischen Kolonien in Nordamerika eintrat. Und Giuseppe Garibaldi, der Begründer der italienischen Einheit, war während seines Exils Abgeordneter verschiedener französischer Departements.Dieser historische Rückblick ist natürlich besonders interessant, wenn man bedenkt, dass Frankreich bisher nicht einmal in der Lage war, den seit langem in Frankreich lebenden Ausländern das Wahlrecht zu gewähren.
Politische Neuordnung in Europa
Auf der Grundlage der Verpflichtung, Menschen im Exil politisches Asyl zu gewähren, sollten dann im 20. Jahrhundert so viel Menschen wie noch nie zuvor ihre Heimat verlassen.In Europa zerfielen am Ende des Ersten Weltkriegs zwei Vielvölkerstaaten – die Donaumonarchie Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich – und zahlreiche Volksgruppen wurden aus ihrer Heimat vertrieben.
Armenische und russische Flüchtlinge
Zehntausende Armenier flohen nach dem Völkermord aus der Türkei und fanden in Europa und in den USA Zuflucht.Zahlreiche Russen der so genannten "Weißen Bewegung" flohen nach der bolschewistischen Revolution 1917 nach Deutschland, Frankreich und in die USA.Der Völkerbund richtete mehrere Ausschüsse ein, die sich mit den Fragen der Staatsangehörigkeit dieser nun staatenlosen Russen und Armenier beschäftigen sollte.
Flucht vor dem Faschischmus
In den zwanziger Jahren gingen nach Mussolinis Machtergreifung zahlreiche Italiener ins Exil, die meisten von ihnen nach Frankreich oder in die USA.
Flucht vor dem Nationalsozialism
Nachdem 1933 die NSDAP in Berlin an die Macht gelangt war, verließen viele jüdische und nichtjüdische Deutsche ihre Heimat.
Flucht vor der Franco-Diktatur
Im Süden Europas gingen nach dem Sieg Francos im spanischen Bürgerkrieg zahlreiche Republikaner ins Exil.
Die Entstehung des UNHCR
Die Flüchtlingsströme wuchsen dann noch im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Europa stand damals vor einer humanitären Herausforderung ungekannten Ausmaßes. 1945 warteten 40 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene darauf, in ihre Heimat zurückzukehren oder aufgenommen zu werden. Aus der Notwendigkeit heraus, mit diesen Flüchtlingsmassen fertig zu werden, entstand 1950 das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge. Und 1951 wurde die Genfer Flüchtlingskonvention beschlossen. Letztendlich sind die Flüchtlingsströme und die daraus entstehenden Anträge auf Asyl stets die Folgen militärischer oder politischer Ereignisse. Als 1956 der Ungarische Volksaufstand in Budapest von der UdSSR militärisch niedergeschlagen wurde, flohen 200.000 Ungarn aus dem eigenen Land.Das gleiche ereignete sich 12 Jahre später, als mehrere tausend Tschechoslowaken ihrem Land nach dessen Besetzung durch sowjetische Truppen den Rücken kehrten.
Asiatische Flüchtlinge
In Südostasien flohen zwischen 1963 und 73 hunderttausende Männer und Frauen vor dem Krieg in Vietnam, Kambodscha und Laos.
Asylrecht und Krieg
In den achtziger Jahren schienen sich die geopolitischen Veränderungen zu beschleunigen, und jedes Mal kam es zu Flucht und zur Bitte um Asyl. 1979 baten nach der Islamischen Revolution im Iran etwa 250.000 Iraner das UNHCR um Asyl in Pakistan oder in der Türkei. Andere fanden in Westeuropa und in den USA Zuflucht.Im Dezember desselben Jahres flüchteten nach dem Einmarsch der sowjetischen Armee mehrere Millionen Afghanen nach Pakistan und in den Iran. In Afrika veranlassten Hungersnöte, aber vor allem auch Bürgerkriege wie im Sudan, Millionen Menschen dazu, aus ihrer Heimat zu fliehen.
Die Kriege in der Balkanregion
Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass sich das Asylrecht erst vor kurzem, und zwar diesmal in Europa, erneut veränderte. Der Fall der Mauer im November 1989 und die Kriege im ehemaligen Jugoslawien ab 1992 führten zu Flüchtlingsströmen, durch die sich die Regierungen Westeuropas der Tatsache bewusst wurden, dass sie von erzwungenen Migrationsströmen ganz in der Nähe ihrer Grenzen betroffen waren.
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