5. Sitzung der 4. Wahlperiode
10. Dezember 2004
Antrag der PDS-Fraktion (Drs 4/0083)
Thema: Auflage eines Programms gegen rechtsorientierte Einstellungen und kulturelle Verhaltensmuster bei Jugendlichen
MdL Falk Neubert
Beachten: Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
das Thema, welches wir heute als PDS-Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt haben, ist nicht neu. Schon verschiedentlich haben wir in diesem Hause über das Problem Rechtsextremismus in Sachsen gesprochen.
Neu ist nur eins: die Nazis gibt es in der Zwischenzeit nicht mehr nur in Jugendclubs und Schulen, sondern jetzt auch im Landtag. Vor dieser manchmal ziemlich gespenstischen Kulisse würde sich nur noch lächerlich machen, wer wie noch im Jahr 2000 Kurt Biedenkopf sagen würde, Zitat: ?die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen ...?
Wahrscheinlich hat diese Tatsache dazu geführt, dass nun auch in der CDU die Probleme ernster genommen werden. Denn bisher haben Sie dieses Problem immer heruntergespielt. Zumindest in dieser Beziehung haben wir mit Freude die neuen Töne in der gestrigen Regierungserklärung gehört
Wir hatten als PDS-Fraktion schon in unserem letzten Alternativen Haushalt 2 bzw. 3 Mio. ? pro Jahr für ein solches Landesprogramm gegen Rechtsextremismus veranschlagt. Die CDU-Mehrheit lehnte unseren Vorschlag ab. Nun endlich steht ein solches Programm im Koalitionsvertrag und ist mit. 2 Mio. ? untersetzt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Sommerlochdebatte zum Rechtsextremismus vor vier Jahren ? und das war das wirklich Positive daran ? gab den Raum, über dieses Problem öffentlich zu diskutieren und nach gemeinsamen Konzepten zu suchen, wie die Gesellschaft rechtsorientierte Einstellungen zurückdrängen kann.
Von der Bundesregierung wurden verschiedene Programme für Toleranz und Demokratie aufgelegt. Allerdings waren diese der damals noch alleinregierenden sächsischen CDU ziemlich egal und sie wirkte eher genervt von den bundespolitischen Initiativen. Das war aus unserer Sicht eine gravierende und unverantwortliche Fehleinschätzung der sächsischen CDU, denn man konnte das Erstarken rechtsextremer Strukturen in den letzten Jahren beobachten und auch die Verfassungsschutzberichte machten das deutlich.
Glücklicherweise konnten aber durch die Bundesmittel auch in Sachsen vielfältige Initiativen unterstützt werden und Netzwerke entstehen, die für eine demokratische Alltagsstruktur streiten, politische Bildung anbieten und Opfer rechter Gewalt unterstützen. Die Ressourcen reichten aber bei weitem nicht aus, zumal die Bundesförderung bedauerlicherweise von vorn herein degressiv angelegt war.
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor diesem Hintergrund ist das vorgeschlagene ?Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit? ein erster und wichtiger Schritt. Nun müssen wir über die Ausgestaltung des Programms reden. Der Antrag, der Ihnen heute von uns als PDS-Fraktion vorliegt, ist dafür ein Angebot.
Bevor ich aber darauf etwas näher eingehe, möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen. Erstens: Rechtsorientierte Einstellungen und rechte kulturelle Verhaltensmuster sind nicht nur, und noch nicht mal vor allem bei jungen Menschen vorhanden. Insofern unterlag auch Herr Dr. Hähle gestern hier einen weit verbreiteten Irrtum. Sie sind relativ konstant in allen Altersgruppen vertreten. Aber Jugendliche unterscheiden sich von anderen Altersgruppen dadurch, dass sie eher bereit sind, ihre Gesinnung ? egal welche ? offen zur Schau zu tragen.
Deshalb ist es aus unserer Sicht ein entscheidender Faktor für die Zurückdrängung von Rechtsextremismus, Jugendliche dabei zu unterstützen, die Demokratie zu leben, sich in die Gesellschaft einzubringen und aufzubegehren gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Aus diesem Grund setzt unser Antrag sehr stark bei Jugendlichen an.
Und zweitens: ein Förderprogramm für Demokratie und Toleranz kann und darf in keinem Fall eine solide finanzierte Jugendarbeit vor Ort ersetzen. Eine ordentliche kommunale Jugendarbeit ist überhaupt die Voraussetzung dafür, dass ein solches Landesprogramm wirklich erfolgreich sein kann. Und da macht es mir schon Angst, mit welcher Leichtfertigkeit auf kommunaler Ebene die Mittel für die Jugend gekürzt werden. Neulich sagte mir bspw. ein Bürgermeister, dass die NPD in seiner Gemeinde trotz guter Finanzierung der Jugendarbeit erfolgreich war. Und sein Fazit war nun, dass man aus diesem Grunde die Mittel auch streichen könnte. Eine solche Einstellung halte ich für verantwortungslos und kurzsichtig.
Sehr geehrte Damen und Herren,
vier Schwerpunkte haben wir in unserem Antrag für ein solches ?Landesprogramm gegen rechtsorientierte Einstellungen und kulturelle Verhaltensmuster bei Jugendlichen? benannt. Erstens geht es um die Sensibilisierung bzgl. rechtsextremer Ideologien, Symbolik und Strukturen sowie um die Qualifizierung von Pädagoginnen im Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen. Zweitens geht es um die Kooperation verschiedener gesellschaftlicher Institutionen ? insbesondere der Jugendhilfe und der Schulen ? beim Zurückdrängen rechtsorientierter Einstellungen. Drittens ist es wichtig, dass es viel stärker als bisher in Lehrplänen und Projekten der Schule eine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und der menschenverachtenden Ideologie Rechtsextremer gibt. Und im vierten Punkt unseres Antrages soll die Förderung regionaler Kompetenzzentren sichergestellt werden.
Diese Zentren sollen Aufklärungsarbeit zum Thema ?Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt? vor Ort leisten und Opfer rechter Gewalt unterstützen. Sie sollen vor Ort verschiedene Beteiligte ? aus Schule, Jugendhilfe, öffentlicher Verwaltung, Polizei, etc. ? vernetzen und ein gesellschaftliches Klima vor Ort fördern, das die Entstehung einer rechten Hegemonie verhindert. Diese Zentren sollen auch alternative kulturelle Veranstaltungen für Jugendliche anbieten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es wird Zeit, dass wir an die Untersetzung dieses Landesprogrammes gehen. Von verschiedenen Institutionen wurde dafür schon eine gute Vorarbeit geleistet. Ich verweise nur beispielhaft auf die vielfältigen lokalen und überregionalen Initiativen oder auf das Positionspapier des Netzwerkes
[Links nur für registrierte Nutzer], welches vor einiger Zeit vom Runden Tisch gegen Gewalt übernommen wurde. Oder auch auf die Evaluation der Evangelischen Fachhochschule, welche die Arbeit verschiedener Demokratieprojekte in Sachsen wissenschaftlich begleitet hat. All das sind wertvolle Anregungen für die zukünftige Arbeit in diesem Bereich.
Sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen,
nicht zuletzt wegen der durchaus klaren Worte, die der Ministerpräsident hier gestern gefunden hat, rechnen wir jetzt mit Taten, das heißt mit Ihrer Zustimmung für den Antrag der PDS-Fraktion. Vielen Dank.