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Thema: "DDR XXL" - warum zwingt ihr Andersdenkende/-lebende in euer System

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  1. #15
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    großes Grinsen "DDR XXL" - warum zwingt ihr Andersdenkende/-lebende in euer System

    Zu den widerwärtigsten Aspekten der original DDR gehörte es, dass sie Menschen in ein System zwang, in dem sie nicht leben wollten. Von 1961-89 hinderte sie Menschen mit Mauer und Stacheldraht daran, ihr Experiment "Sozialismus" zu verlassen. Im übrigen dürfte dieses Verhalten einer der Hauptgründe für das - gewollte? - Scheitern des Sozialismus gewesen sein. Hätten die Verantwortlichen Unwillige ziehen lassen und dafür in den anderen deutschen Teilstaaten (Schweiz, Österreich, BRD, Südtirol) und dem Ausland um Menschen geworben, die gern im Sozialismus lebten, wäre das System vielleicht nicht gescheitert. Berichte über soziale Kälte in Zürich legen nahe, dass selbst in der reichen Schweiz die Zustände so waren, dass der eine oder andere das Ticket nach Pankow gelöst hätte.
    Wenn die ganze Sache auf Freiwilligkeit basiert hätte!
    Die Auswanderer aus der DDR hätten entweder im Westen ihr Glück gemacht oder wären enttäuscht und mit eingezogenem Schwanz wiedergekommen. Wie auch immer, alle hätten in dem zu ihnen passendem System mehr oder weniger glücklich und zufrieden leben können.

    Der Zusammenbruch der DDR nun ist ganz wesentlich dadurch verursacht, dass dieses System auf Zwang basiert. Zwang in seiner übelsten, aber wenigstens noch ehrlichen Form. Die Chefideologen zwangen Menschen in ihr System und in ihre Ideologie, die entweder etwas Anderes oder gar keine Ideologie wollten. Um "was zu werden" musste man die Ideologie nachplappern, egal ob man an sie glaubte oder nicht. Raus konnte man nicht - weil eingemauert. So brachten die Menschen das Gefängnis schließlich zum Einsturz.

    Nur haben wir heute ein System und eine Ideologie, welche die Fehler der DDR nicht auf einem kleinen Stück Deutschland, sondern weltweit wiederholt. Ich beschränke mich auf die wesentlichen Schlagworte:

    - wirtschaftlicher Liberalismus an erster Stelle > Kapitalismus
    - politischer Liberalismus an zweiter Steller > Demokratie
    - gesellschaftlicher Liberalismus an dritter Stelle > Freiheit, aber letztendlich nur für eine Minderheit
    - Postmoderne und Verwerfung der technokratischen Zukunftsvisionen der Moderne
    - freies Spiel der Kräfte auf allen Ebenen von der Welt bis zum Heimatdorf oder Stadtviertel
    - Selbstverantwortung
    - Eigeninitiative

    Dieses System als Solches mag mitsamt seinen Protagonisten so gut oder so schlecht sein wie jedes andere, nur durch seinen Anspruch auf universelle Gültigkeit für Alle wird es zum Horrortrip. Ein sehr spezifisches Verhalten, das Nachplappern von geradezu absurden political correctness-Diskursen, eine Flexibilität als ob Menschen so biegsam wie Regenwürmer wären und ein vereinzelter Überlebenskampf werden allen 6,7 Milliarden Menschen aufgedrückt.
    Ein Spiel mit wenigen Gewinnern und vielen Verlierern, weil die Spielregeln absurd und die Karten gezinkt sind :rolleyes:

    Zu den größten Problemen dieses Systems gehört nicht nur der ihm immanente Unfug, sondern auch mögliche Gegenbewegungen, Systemalternativen und Nachfolgesysteme, die den gleichen Fehler haben wie das jetzige System:

    Sich auf einem begrenzten Territorium oder weltweit allen Menschen auch gegen ihren Willen aufzuzwingen! Egal ob nach einem rotbraunen 1789 mit Guillotine am Potsdamer Platz in Deutschland der nationale Sozialismus folgt oder es gleich zur Weltrevolution kommt - ich sehe da immer die Gefahr, dass jetziger liberaler Holismus und Totalitarismus nur durch einen anderen Holismus ersetzt wird. Nicht zum System passende Menschen durch Genickschuss in eine bessere Welt zu befördern mag ehrlicher und auch kostensparender sein als sie im Überlebenskampf in Freiheit verrecken zu lassen - ein wirklicher Fortschritt ist das nicht.

    Ich habe das an mir selbst bemerkt. Einerseits bin ich für technokratische (nicht ideologisch-staatssozialistische) Zukunftsvisionen unter dem Label einer "geeinten Menschheit". Ihre Verwerfung durch die Postmodernisten halte ich für eines der größten Übel unserer Zeit. Ich hätte auch wenig Skrupel, einer technokratischen Zukunftsvision mit ... äh nicht ganz den Spielregeln entsprechenden Methoden zum Durchbruch zu verhelfen. Wer braucht eigentlich unsere 200 Territorialstaaten mitsamt ihrem ideologisch-bürokratischem Apparat, wer braucht 10 Millionen parasitärer Millionäre, wer braucht 1100 Milliardäre und ihren ganzen Anhang? Weg den Dreck - entweder friedlich oder mit Gewalt.

    Doch danach, am Tag 1 der Neuen Weltordnung?

    Man mag dann vielleicht die Verbrecher und Intriganten unserer Tage beseitigt haben und die Weltpolizeit hat alle Hände voll damit zu tun, sinnlose Lynchmorde des Mobs an den Gestalten zu verhindern, vor denen dieser Mob eben noch gekuscht hat. Soweit so gut.

    Errichtet man aber nun ein neues holistisches, ideologisches System, so werden zwei Dinge passieren:

    Jene Opportunisten und Gschaftlhuber, die anno Honecker die Diskurse der DDR nachgeplappert haben und heuer die Diskurse der Globalisierung nachplappern, werden dann die neuen Diskurse nachplappern. Aus Opportunismus und Eigennutz und ohne wirklich daran zu glauben.

    Man wird viele Menschen gegen sich haben, die aus bei aller Andersartigkeit redlichen Gründen mit dem neuen System nicht konform gehen.
    Die Opportunisten und Dissidenten zusammen werden dann früher oder später das neue System ebenso zu Fall bringen wie die Systeme davor. Die einen von Innen, die anderen von Außen.

    Führen solche Überlegungen nicht zu folgenden Schlüssen?

    1. Es gibt kein für alle Menschen passendes System.

    2. Die Logik des holistischen Systems egal welcher ideologischen Färbung führt zwangsläufig zuerst zu Repression und dann zum Untergang.

    3. Man darf Menschen nicht gegen ihren Willen in ein System zwingen, sondern muss ihnen notfalls sogar ermöglichen, in das für sie passende System zu wechseln. Sei es mit der Reisefreiheit in den Westen oder dem Ticket nach Pankow.

    4. Bestrebungen, der gesamten Menschheit ein und dasselbe System aufzuzwingen, sind zu verwerfen. Das gilt nicht nur für eine "sozialistische Weltrepublik", das gilt auch und gerade für die jetzigen Bestrebungen, überall Kapitalismus und "liberale Demokratie" zu verbreiten.

    5. Ein vielleicht sogar notwendiger Universalismus, der als Adressat seines Diskurses die ganze Menschheit hat, muss den Kriterien 1. bis 4. gerecht werden.
    Geändert von Beverly (21.08.2008 um 06:55 Uhr)

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