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Thema: Die Mehrheit der Deutschen wendet sich von den Etablierten ab

  1. #1
    Bereut nichts Benutzerbild von Kaiser
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    Daumen hoch! Die Mehrheit der Deutschen wendet sich von den Etablierten ab

    Wahlforscher: Parteien genießen das Vertrauen der Bürger nicht mehr

    Ein Volk, das sich an einem Ufer eines reißenden Flusses befindet und sich auf den Weg machen muss, den vertrauten Ort zu verlassen und den Fluss zu überqueren, ohne zu wissen, was es am anderen, fremden Ufer erwartet - und sich dabei einem Fährmann anvertrauten muss, zu dem es kein rechtes Vertrauen hat: So beschrieb Heinrich Oberreuter, Direktor der Akademie für Politische Bildung Tutzing, die derzeitige Situation der Deutschen. Ein plastisches Bild, das eine Einstimmung auf den Vortrag des Wahlforschers Dieter Roth zum Thema "Vertrauen und Vertrauensverlust: Zur aktuellen Demokratiediskussion" vor der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen geben sollte. Doch fühlen sich die Deutschen wirklich so ausgeliefert?

    Wenn Politiker und Medienvertreter über politische Partizipation nachdenken und sprechen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der vielzitierte Begriff der Politikverdrossenheit fällt. Die Untersuchungen der Forschungsgruppe Wahlen, die Dieter Roth präsentierte, scheinen dies zunächst zu bestätigen: 43 Prozent der Befragten im Westen und 65 Prozent im Osten sind mit der Demokratie in Deutschland eher unzufrieden. "Ein Negativrekord", bestätigt Roth, "aber gleichzeitig bekundet zurzeit gut die Hälfte der Bundesbürger starkes Interesse für Politik. Das sind deutlich mehr als in den 90er-Jahren." Und auch die Einschätzung des politischen Systems insgesamt erfreut den Wissenschaftler, halten doch 77 Prozent der Deutschen die Demokratie für die beste Staatsform. Nur 14 Prozent glauben, es gäbe bessere Alternativen.

    Doch bei aller Systemzufriedenheit: Die Frustration über den output der Demokratie ist groß. Auf einer Skala von +5 bis -5 liegen Politiker und Parteien deutlich im Minus. Das Vertrauen der Bürger in ihre Kompetenz ist gering, ebenso wie die in die Fähigkeiten der Gewerkschaften. "Sämtliche Spitzenpolitiker haben klar negative Imagewerte", bestätigt Roth, "die Bürger sind gegenüber den politischen Akteuren generell missgestimmt." Auffallend sei, dass davon Regierung wie Opposition gleichermaßen betroffen seien. "Die Werte liegen für beide recht nah beieinander. Das heißt, dass die Bürger bei aller Unzufriedenheit mit Rot-Grün die Union nicht für eine viel bessere Alternative halten." 68 Prozent der Befragten beklagen, dass die Politiker sich nicht viel darum kümmerten, "was Leute wie ich denken", über die Hälfte kritisiert, dass Politik manchmal so kompliziert sei, "das jemand wie ich gar nicht versteht, was vor sich geht".

    Doch wer daraus vorschnell ableitet, die Bürger zögen sich zunehmend aus der politischen Diskussion zurück, der irrt. "Auf Bundesebene hatten wir in den 90er-Jahren einen Anstieg der Wahlbeteiligung, nur von 1998 auf 2004 gab es einen kleinen Rückgang zu verzeichnen", so Roth. 85 Prozent der Befragten bezeichneten die Entscheidungen des Deutschen Bundestags als persönlich relevant. Die geringere Beteiligung an Landtags- und Europawahlen sei ebenfalls kein Ausdruck von Politikverdrossenheit, sondern liege darin begründet, dass nur wenige Bürger Entscheidungen, die etwa in Brüssel oder Straßburg fielen, persönlich für wichtig hielten. Interessant sei, das das "flexible Wählen" oder die gezielte Option der Wahlenthaltung mehr und mehr an Bedeutung gewinne. "Fast die Hälfte der Deutschen hält es zukünftig für möglich, etwa aus Protest gezielt eine Partei zu wählen, die für sie normalerweise nicht in Frage käme, 36 Prozent ziehen generell auch eine protestmotivierte Wahlenthaltung in Betracht."

    Unzufrieden mit den Eliten

    Ergebnisse, die Politikern und Parteien Unbehagen bereiten - denen sie sich aber künftig in weit größerem Maße stellen müssen als bisher. Bislang bemühen sie gern die These, die Unzufriedenheit mit den politischen Eliten könne abgebaut werden, wenn die Politik nur wieder besser vermittelt werden könne. Ein Irrtum, so Roth. "Das ist eine beliebte Argumentation der Parteien, die jedoch vergisst, dass sie es mit einem ganz anderen Politikverständnis der Wähler zu tun haben. Die Bürger nutzen einen klassischen Politikbegriff, der die gesamte Gemeinschaft betrifft, während die Parteien ihn auf Regierungs- oder Oppositionspolitik einengen. Sie beharren auf diesem Verständnis, auch wenn die Mitgliederverluste beweisen, dass das nicht ausreicht." Die Parteien hätten in den vergangenen Jahren einen gravierenden Wandel vollzogen: Von Vertretungsorganen großer Gruppen der Gesellschaft über Mitgliederparteien hin zu kurzfristig orientierten Serviceorganisationen für Wähler. Daraus leite sich aber keine grundlegende Neuorientierung ab, bilanziert Roth. "Nur wenn der Versuch, Wähler zu gewinnen, scheitert, ist das Bekümmernis groß. Sonst allerdings scheint die Tagesarbeit das nötige Nachdenken über sich selbst in den Hintergrund zu rücken."

    Die Bürger hingegen orientieren sich zunehmend anderweitig. Ihr Eindruck, individuell auf den politischen Prozess einwirken zu können, ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen: 36 Prozent der Deutschen glauben heute, über starke und sehr starke Möglichkeiten zu verfügen, politischen Einfluss zu nehmen. Unkonventionelle Formen der politischen Beteiligung haben dabei Konjunktur. Mehr als 60 Prozent sehen die Mitarbeit in Bürgerinitiativen oder die Beteiligung an Demonstrationen als Möglichkeit der Partizipation, mehr als ein Drittel der Deutschen übernehmen ehrenamtliche Aufgaben in Verbänden und Vereinen.

    Die Ergebnisse, die Dieter Roth präsentierte, beweisen schnell, wie falsch der Begriff der Politikverdrossenheit ist. Die Bürger wollen mitreden und mitgestalten - aber nicht nach den Regeln der etablierten Parteien, denen sie nicht vertrauen. So muss auch das Bild Heinrich Oberreuters korrigiert werden: Die Deutschen sind kein Volk, das sich ergeben auf die andere Seite des Flusses navigieren lassen wird. Wenn der Fährmann und seine Besatzung nicht umdenken, dann kann es auch passieren, dass die Passagiere sich selbst ein Floß bauen und die Reise auf eigene Faust antreten.

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    Eine zwangsläufige aber nichts desto weniger erfreuliche Entwicklung. Wer wohl von einer Proteswählerhaltung von fast 50 % der Deutschen am meisten profitiert? :rolleyes:
    Siegen heißt Leben

  2. #2
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Die Deutschen sind kein Volk, das sich ergeben auf die andere Seite des Flusses navigieren lassen wird. Wenn der Fährmann und seine Besatzung nicht umdenken, dann kann es auch passieren, dass die Passagiere sich selbst ein Floß bauen und die Reise auf eigene Faust antreten.
    Frommes Wunschdenken der braunen Parteien, die ach so gerne Proteststimmen absahnen würden. Eher glaube ich da an Lenin, der seinerzeit sinngemäß sagte:
    "Wenn die Deutschen eine Revolution machen und einen Bahnsteig stürmen sollten, würden sie sich zuerst Bahnsteigkarten kaufen gehen"
    Vielleicht ändert sich ja alsbald das treudoofe Verhalten der Deutschen durch ihre Verschmelzung zu einer multikulturellen Gesellschaft. Das ist zumindest meine Hoffnung. Wer davon aber mit Sicherheit nicht profitieren wird, sind die braunen Rattenfänger. Der PDS gehört die Zukunft und auch meine Stimme.

  3. #3
    Bereut nichts Benutzerbild von Kaiser
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    Ob den dahinvergreisenden Genossen der PDS die Zukunft gehört, wage ich zu bezweifeln, denn sie werden wohl ein reines Ostphänomen bleiben.

    Doch eines ist sicher. Den Etablierten wird die Zukunft jedenfalls nicht gehören.

    Wer sie beerben wird, wird die Zeit zeigen.
    Geändert von Kaiser (19.12.2004 um 10:25 Uhr)
    Siegen heißt Leben

  4. #4
    GESPERRT
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Ob den dahinvergreisenden Genossen der PDS die Zukunft gehört, wage ich zu bezweifeln, ........
    Wer die Etablierten wählt, wählt Status Quo. Allerdings denke ich, dass es den Deutschen in ihrer Gesamtheit noch nicht schlecht genug geht, um sich in ihrer treudoofen Beschränktheit (siehe mein sinngemäßes Zitat von Lenin) nicht wieder rechtzeitig zu den Wahlen von den Etablierten einlullen zu lassen.

    Mittelfristig setze ich daher auf multikulturelle Einflüsse, die ggf. sogar in Deutschland revolutionäre Tendenzen möglich erscheinen lassen. Zwar wählen die auslandsstämmigen Mitbürger, soweit sie wählen dürfen, z.Zt. vorwiegend SPD, sie sind jedoch auch für soziale Positionen, wie sie von der PDS vertreten werden, offen und werden entsprechend wählen, wenn sie sich einen Vorteil davon versprechen.

    Ob es die Rechten wollen oder nicht, es wird in einem immer stärker werdenden Maß auf die Stimmen unserer auslandsstämmigen Mitbürger ankommen, und bei denen dürfte die NPD chancenlos sein, nicht aber die PDS.
    .

  5. #5

    Daumen hoch! 99 Prozent Zustimmung

    Zitat Zitat von Hammer
    Frommes Wunschdenken der braunen Parteien, die ach so gerne Proteststimmen absahnen würden. Eher glaube ich da an Lenin, der seinerzeit sinngemäß sagte:
    "Wenn die Deutschen eine Revolution machen und einen Bahnsteig stürmen sollten, würden sie sich zuerst Bahnsteigkarten kaufen gehen"
    Vielleicht ändert sich ja alsbald das treudoofe Verhalten der Deutschen durch ihre Verschmelzung zu einer multikulturellen Gesellschaft. Das ist zumindest meine Hoffnung. Wer davon aber mit Sicherheit nicht profitieren wird, sind die braunen Rattenfänger. Der PDS gehört die Zukunft und auch meine Stimme.
    Da bin mit dir, werter Hammer, fast einer Meinung.
    Nur bei mir isses nicht die PDS, sondern die DKP.
    Die herrschende Politik ist nicht Sachzwang-geleitet, sondern Interessen-diktiert. Sie hat Profiteure. Deren Einfluss allerdings begründet sich nicht in Wählerstimmen, sondern in wirtschaftlicher Macht.

  6. #6
    Leyla
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    Zitat Zitat von Kaiser
    Wer sie beerben wird, wird die Zeit zeigen.
    Falls ihr es seid, könntest Du dich als einer der wenigen Rechten mit Streitkultur ganz schön langweilen - andere gehen ziemlich rabiat und humorlos mit ihren Gegnern um; da bleibt dir keiner mehr für eine lockere und geistreiche Diskussion...

  7. #7
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    Standard Röhm-Putsch

    Zitat Zitat von Kaise

    Wer sie beerben wird, wird die Zeit zeigen.
    Zitat Zitat von Leyla
    Falls ihr es seid, könntest Du dich als einer der wenigen Rechten mit Streitkultur ganz schön langweilen - andere gehen ziemlich rabiat und humorlos mit ihren Gegnern um; da bleibt dir keiner mehr für eine lockere und geistreiche Diskussion...
    Ich glaube, die Rechten gehen nicht nur mit politischen Gegnern, sondern auch miteinander humorlos um. Wenn es Pfründe zu verteilen gibt, die alleinige Macht lockt und die Intrigen der Kapitalisten wirken, kennen da einige keine Kameraden mehr. Jemand wie Kaiser kann dann durchaus zu den Siegern beim internen Hauen und Stechen gehören, aber sehr schnell auch zu den Verlierern.

    Weil sich solche Prozesse unabhängig von der Ideologie in rechten und linken Regimen abspielen, bin ich gegen dieses Streben nach scheinbar absoluter Macht in einem autoritären Zwangsstaat. Das Risiko, von bauernschlauen und korrupten Apparatschiks liquidiert zu werden ist da gerade für die Intelligenten einfach zu groß.

  8. #8
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    Zitat Zitat von Hammer
    Eher glaube ich da an Lenin, der seinerzeit sinngemäß sagte:
    "Wenn die Deutschen eine Revolution machen und einen Bahnsteig stürmen sollten, würden sie sich zuerst Bahnsteigkarten kaufen gehen"
    Vielleicht ändert sich ja alsbald das treudoofe Verhalten der Deutschen durch ihre Verschmelzung zu einer multikulturellen Gesellschaft.
    Der fortschrittliche, linke, atheistische und sexuell aufgeschlossene Teil der Nicht-Deutschen ist mit Sicherheit eine Bereicherung für die apathischen Schrumpfgermanen und kann auch in die Politik Schwung rein bringen.
    Leider sind nicht alle so, Deutsche und Einwanderer sind in ihrer Spießigkeit oft austauschbar und nicht unterscheidbar.

    Zitat Zitat von Hammer
    Wer davon aber mit Sicherheit nicht profitieren wird, sind die braunen Rattenfänger.
    Es gibt aber nicht nur die Nazis unterm Hakenkreuz sondern auch unterm Halbmond oder virtuell mit Davidsstern oder siebenarmigen Leuchter im Userpic (siehe PF-Nahostforum). Die einen Nazis leugnen den Völkermord an den Juden, die anderen den Völkermord an den Armeniern.

  9. #9
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    Zitat Zitat von Hammer
    Der PDS gehört die Zukunft und auch meine Stimme.
    Wieso gehört der PDS die Zukunft? Die Stimmen fortschrittlicher Einwanderer werden dazu allein nicht ausreichen und hier im Westen bekommt sie offenbar kein Bein auf die Erde.
    Eine Partei, der wirklich die Zukunft gehört, muss auch ihr Selbstverständnis als Partei und ihr Agieren von Grund auf neu überdenken. Die herkömmlichen Parteistrukturen und Politikkonzepte haben ausgedient und sind zu nichts mehr nütze.

  10. #10
    Lutz
    Gast

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    Zitat Zitat von Hammer
    Wer die Etablierten wählt, wählt Status Quo.
    Sorry, aber so ein Blösinn! Der Rest deines Beitrages klingt ja recht annehmbar, aber dieser Satz ist es nicht! Wer hat überhaupt den Begriff der "etablierten Parteien" geprägt und erfolgreich subjektiven Hass auf sie gelenkt? Das verstehen ich nicht, und: Sind die NPD und die PDS nicht auch etablierte Parteien?
    Status Quo hat sich schon erledigt, sobald ein Gesetz beschlossen ist! Reformen bringen Veränderungen und unabhängig ob schwarz-gelb oder rot-grün geht und ging es jeder Regierung der BRD stehts darum, Deutschland voran zu bringen! Die BRD befindet sich im ständigen Wandel - unter rot-grün wandelt es sich sogar über der durchschnittlichen Wandelgeschwindigkeit! *man, is lutz creating words again?*

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